Jochen Spengler: Am Telefon und mitgehört hat nun der christdemokratische Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Jürgen Seidel, der erst - das vorweg - seit 2006 im Amt ist. Guten Morgen, Herr Seidel!
Jürgen Seidel: Ja, guten Morgen!
Spengler: Lassen Sie uns zunächst über die Dimensionen des Geschehens sprechen. 1100 Arbeitsplätze - wie bedeutend ist so ein Unternehmen für West-Mecklenburg? Ist das vergleichbar wichtig, wie es Nokia ist für die Region Bochum? ( MP3-Audio , Beitrag von Almuth Knigge)
Seidel: Also, ganz klar ist: Diese Größenordnung ist für uns außerordentlich bedeutsam, das Land ist strukturell, also, wenn man die Wirtschaftsstruktur anschaut, grundsätzlich geprägt von mittelständischen und kleinen Unternehmen. 1100 Beschäftigte, das ist sehr viel für unser Land und insofern vergleichbar mit Nokia. Von der Lage, von der Sachlage selbst her, ist es nicht vergleichbar, weil es sich hier um einen Insolvenzfall handelt, bei dem andere Regeln gelten als bei Nokia, wo bekanntermaßen ein Unternehmen den Standort verlassen will.
Spengler: Ja. Ist die Schließung noch abzuwenden oder gibt es noch etwas zu retten?
Seidel: Ja, wissen Sie, das ist heute eben nicht mit Sicherheit zu sagen, und genau darin liegt natürlich auch das Problem, das die furchtbare Unsicherheit für die Beschäftigten und die Sorgen der Menschen letztlich vor Ort verstärkt. Wir befinden uns - ich sagte es - in einem Insolvenzverfahren, die Bietersituation war zu Anfang außerordentlich günstig, es gab viele auch sehr seriöse Bieter. Wie das so ist, es spitzt sich zum Ende hin zu, und das war im Übrigen auch die Veranlassung für die Landesregierung zu sagen, wir müssen hier helfen, wir müssen hier auch Dinge tun, die wir ansonsten natürlich ordnungspolitisch nicht tun würden.
Spengler: Wie können Sie denn helfen?
Seidel: Es sind bescheidene Möglichkeiten, auch das muss man klar sagen. Ich finde, es gehört sich in einer solchen Situation auch, den Menschen nichts vorzumachen. Das, was die Politik nicht leisten kann, darf sie nicht versprechen. Was wir tun können, ist, dass wir mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds eine Transfergesellschaft unterstützen, das heißt sie damit im Übrigen auch erst möglich machen. Die gewährleistet, dass wir die entscheidende Phase jetzt des Bieterverfahrens nicht unter Zeitdruck abschließen müssen. Wir sind als Land natürlich im Gläubigerausschuss vertreten.
Spengler: Ich habe gelesen, dass das Bieterverfahren schon abgeschlossen sei?
Seidel: Nein, das ist nicht abgeschlossen. Es kommt jetzt zu Entscheidungen, die sich am Wochenende unter Umständen - das kann man nicht ganz genau sagen - dann wirklich ergeben werden, aber genau das ist das Ziel, das wir uns hier nicht unter einen unverhältnismäßig hohen Zeitdruck setzen. Zum Zweiten geht es uns darum, dass die notwendige Qualifizierung der Beschäftigten im Übrigen auch für Maßnahmen außerhalb der Beschäftigung, außerhalb dieses Werkes, denn alles, was wir bisher wissen, sagt uns, dass eine Beschäftigung in bisheriger Höhe in keinem Fall weiter möglich sei. Das sehen die Angebote nicht vor.
Spengler: Was wäre denn zufriedenstellend, wie viele Arbeitsplätze?
Seidel: Zufriedenstellend wäre, wenn wir eine Lösung finden könnten, dass alle weiter beschäftigt werden können, aber wie gesagt, die Angebote bisher geben das nicht her, und deswegen müssen wir die Menschen darauf vorbereiten.
Spengler: Wie viel geben sie her?
Seidel: Darüber will ich jetzt ungern reden, ich sagte gerade, wir sind in einer entscheidenden Phase. Die Menschen kennen das auch, der Betriebsrat selbst sitzt auch im Gläubigerausschuss, also insofern sind die Zahlen bei den Leuten vor Ort bekannt, und es ist nicht mal die Hälfte dessen, was bisher an Beschäftigung da war.
Spengler: Warum ist es überhaupt zur Pleite ...
Seidel: Lassen Sie mich das noch schnell sagen: Zum Dritten geht es uns natürlich auch darum, dass wir die ohnehin auftretenden Härten wenigstens einigermaßen abmildern können.
Spengler: Warum ist es überhaupt zur Pleite gekommen?
Seidel: Das ist eine Geschichte, die man so bis ins Detail nicht sagen kann. Es gibt dafür verschiedene Begründungen. Zum Einen ist die Marktentwicklung auf dem Gebiet, in der Branche der CD-, der DVD-Herstellung, außerordentlich schnelllebig. Wir wissen, dass wir heute über Blu-ray reden, während wir vor zehn Jahren - das muss man ja auch immer sagen - über ganz andere Dinge gesprochen haben. Zum Zweiten gab es im Unternehmen, ich nenne es mal zunächst vorsichtig, Unregelmäßigkeiten. Wir hatten oder haben staatsanwaltschaftliche Untersuchungen. Das hat ja im Übrigen auch dazu geführt, dass wir im letzten Jahr zehn Millionen gesperrt haben von den zugesagten Fördermitteln ...
Spengler: Insgesamt, Herr Seidel, sollen ja ungefähr 70 Millionen geflossen sein, 19 Millionen wollen Sie zurück, die werden Sie wahrscheinlich abschreiben müssen. War es ein Fehler, überhaupt diesem Unternehmen so viele staatliche Zuschüsse zuzubilligen?
Seidel: Das so heute zu sagen, ist falsch, und wissen Sie, ich wende mich auch, genau wie der Ministerpräsident, gegen all diese Erkenntnisse, die da jetzt kommen. Ich darf sagen: Ich bin ein gutes Jahr im Amt, und in der Zeit hat mich weder ein Mensch der Gewerkschaft noch jemand anders auf diese Dinge hin aufmerksam gemacht. Es waren lediglich meine eigenen Mitarbeiter, die gesagt haben, da gibt es staatsanwaltschaftliche Untersuchungen, wir müssen dort reagieren. Das haben wir getan. Trotzdem will ich auch deutlich machen: Natürlich werden wir die Dinge auch für die Zukunft bringen, im Übrigen, wir haben bereits im regionalen Förderprogramm für das Jahr 2008 Veränderungen in der Förderpolitik beschlossen.
Spengler: Welcher Art?
Seidel: Es ist ja nicht so, dass wir diesbezüglich die Augen verschließen.
Spengler: Ja, was machen Sie denn künftig anders?
Seidel: Wir haben die Fördersätze reduziert, die wir anwenden, Höchstforderung kommt nur bei strukturell nachgewiesener großer Bedeutung des Unternehmens für das Land infrage. Wir haben zum Beispiel für Service-Dienstleister, besser bekannt als Call-Center, die Förderung auf 20 Prozent heruntergesetzt, auf grundsätzlich, wie wir sagen, 20 Prozent. Wir haben die Bearbeitungszeiten reduziert, die möglich sind, um seinen Antrag zu vervollständigen, auf ein Jahr, dann erlischt der Antrag automatisch. Also, Sie sehen daran, dass wir natürlich auch, das muss ich sagen, entsprechend der zurückgehenden Mittellage diesbezüglich reagieren, aber in der Tat haben wir hier ein Problem, und das wird auch weitere Schlussfolgerungen haben, da bin ich mir sicher. Aber wie gesagt, wogegen ich mich wehre, ist dieses "Das haben wir doch alles vorher gewusst". Wissen Sie, Sie hatten den Herrn Holter zitiert, der war noch vor gut einem Jahr Kabinettsmitglied. Ich halte es wirklich für bedenklich, in solcher Art und Weise hier heute zu diskutieren, man hätte seine Informationen dann alle einspeisen können. Aber ich beteiligte mich daran jetzt nicht weiter, wir kümmern uns um die Dinge vor Ort.
Spengler: Jürgen Seidel, Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Danke für das Gespräch, Herr Seidel.
Seidel: Ja, ich danke auch.
Jürgen Seidel: Ja, guten Morgen!
Spengler: Lassen Sie uns zunächst über die Dimensionen des Geschehens sprechen. 1100 Arbeitsplätze - wie bedeutend ist so ein Unternehmen für West-Mecklenburg? Ist das vergleichbar wichtig, wie es Nokia ist für die Region Bochum? ( MP3-Audio , Beitrag von Almuth Knigge)
Seidel: Also, ganz klar ist: Diese Größenordnung ist für uns außerordentlich bedeutsam, das Land ist strukturell, also, wenn man die Wirtschaftsstruktur anschaut, grundsätzlich geprägt von mittelständischen und kleinen Unternehmen. 1100 Beschäftigte, das ist sehr viel für unser Land und insofern vergleichbar mit Nokia. Von der Lage, von der Sachlage selbst her, ist es nicht vergleichbar, weil es sich hier um einen Insolvenzfall handelt, bei dem andere Regeln gelten als bei Nokia, wo bekanntermaßen ein Unternehmen den Standort verlassen will.
Spengler: Ja. Ist die Schließung noch abzuwenden oder gibt es noch etwas zu retten?
Seidel: Ja, wissen Sie, das ist heute eben nicht mit Sicherheit zu sagen, und genau darin liegt natürlich auch das Problem, das die furchtbare Unsicherheit für die Beschäftigten und die Sorgen der Menschen letztlich vor Ort verstärkt. Wir befinden uns - ich sagte es - in einem Insolvenzverfahren, die Bietersituation war zu Anfang außerordentlich günstig, es gab viele auch sehr seriöse Bieter. Wie das so ist, es spitzt sich zum Ende hin zu, und das war im Übrigen auch die Veranlassung für die Landesregierung zu sagen, wir müssen hier helfen, wir müssen hier auch Dinge tun, die wir ansonsten natürlich ordnungspolitisch nicht tun würden.
Spengler: Wie können Sie denn helfen?
Seidel: Es sind bescheidene Möglichkeiten, auch das muss man klar sagen. Ich finde, es gehört sich in einer solchen Situation auch, den Menschen nichts vorzumachen. Das, was die Politik nicht leisten kann, darf sie nicht versprechen. Was wir tun können, ist, dass wir mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds eine Transfergesellschaft unterstützen, das heißt sie damit im Übrigen auch erst möglich machen. Die gewährleistet, dass wir die entscheidende Phase jetzt des Bieterverfahrens nicht unter Zeitdruck abschließen müssen. Wir sind als Land natürlich im Gläubigerausschuss vertreten.
Spengler: Ich habe gelesen, dass das Bieterverfahren schon abgeschlossen sei?
Seidel: Nein, das ist nicht abgeschlossen. Es kommt jetzt zu Entscheidungen, die sich am Wochenende unter Umständen - das kann man nicht ganz genau sagen - dann wirklich ergeben werden, aber genau das ist das Ziel, das wir uns hier nicht unter einen unverhältnismäßig hohen Zeitdruck setzen. Zum Zweiten geht es uns darum, dass die notwendige Qualifizierung der Beschäftigten im Übrigen auch für Maßnahmen außerhalb der Beschäftigung, außerhalb dieses Werkes, denn alles, was wir bisher wissen, sagt uns, dass eine Beschäftigung in bisheriger Höhe in keinem Fall weiter möglich sei. Das sehen die Angebote nicht vor.
Spengler: Was wäre denn zufriedenstellend, wie viele Arbeitsplätze?
Seidel: Zufriedenstellend wäre, wenn wir eine Lösung finden könnten, dass alle weiter beschäftigt werden können, aber wie gesagt, die Angebote bisher geben das nicht her, und deswegen müssen wir die Menschen darauf vorbereiten.
Spengler: Wie viel geben sie her?
Seidel: Darüber will ich jetzt ungern reden, ich sagte gerade, wir sind in einer entscheidenden Phase. Die Menschen kennen das auch, der Betriebsrat selbst sitzt auch im Gläubigerausschuss, also insofern sind die Zahlen bei den Leuten vor Ort bekannt, und es ist nicht mal die Hälfte dessen, was bisher an Beschäftigung da war.
Spengler: Warum ist es überhaupt zur Pleite ...
Seidel: Lassen Sie mich das noch schnell sagen: Zum Dritten geht es uns natürlich auch darum, dass wir die ohnehin auftretenden Härten wenigstens einigermaßen abmildern können.
Spengler: Warum ist es überhaupt zur Pleite gekommen?
Seidel: Das ist eine Geschichte, die man so bis ins Detail nicht sagen kann. Es gibt dafür verschiedene Begründungen. Zum Einen ist die Marktentwicklung auf dem Gebiet, in der Branche der CD-, der DVD-Herstellung, außerordentlich schnelllebig. Wir wissen, dass wir heute über Blu-ray reden, während wir vor zehn Jahren - das muss man ja auch immer sagen - über ganz andere Dinge gesprochen haben. Zum Zweiten gab es im Unternehmen, ich nenne es mal zunächst vorsichtig, Unregelmäßigkeiten. Wir hatten oder haben staatsanwaltschaftliche Untersuchungen. Das hat ja im Übrigen auch dazu geführt, dass wir im letzten Jahr zehn Millionen gesperrt haben von den zugesagten Fördermitteln ...
Spengler: Insgesamt, Herr Seidel, sollen ja ungefähr 70 Millionen geflossen sein, 19 Millionen wollen Sie zurück, die werden Sie wahrscheinlich abschreiben müssen. War es ein Fehler, überhaupt diesem Unternehmen so viele staatliche Zuschüsse zuzubilligen?
Seidel: Das so heute zu sagen, ist falsch, und wissen Sie, ich wende mich auch, genau wie der Ministerpräsident, gegen all diese Erkenntnisse, die da jetzt kommen. Ich darf sagen: Ich bin ein gutes Jahr im Amt, und in der Zeit hat mich weder ein Mensch der Gewerkschaft noch jemand anders auf diese Dinge hin aufmerksam gemacht. Es waren lediglich meine eigenen Mitarbeiter, die gesagt haben, da gibt es staatsanwaltschaftliche Untersuchungen, wir müssen dort reagieren. Das haben wir getan. Trotzdem will ich auch deutlich machen: Natürlich werden wir die Dinge auch für die Zukunft bringen, im Übrigen, wir haben bereits im regionalen Förderprogramm für das Jahr 2008 Veränderungen in der Förderpolitik beschlossen.
Spengler: Welcher Art?
Seidel: Es ist ja nicht so, dass wir diesbezüglich die Augen verschließen.
Spengler: Ja, was machen Sie denn künftig anders?
Seidel: Wir haben die Fördersätze reduziert, die wir anwenden, Höchstforderung kommt nur bei strukturell nachgewiesener großer Bedeutung des Unternehmens für das Land infrage. Wir haben zum Beispiel für Service-Dienstleister, besser bekannt als Call-Center, die Förderung auf 20 Prozent heruntergesetzt, auf grundsätzlich, wie wir sagen, 20 Prozent. Wir haben die Bearbeitungszeiten reduziert, die möglich sind, um seinen Antrag zu vervollständigen, auf ein Jahr, dann erlischt der Antrag automatisch. Also, Sie sehen daran, dass wir natürlich auch, das muss ich sagen, entsprechend der zurückgehenden Mittellage diesbezüglich reagieren, aber in der Tat haben wir hier ein Problem, und das wird auch weitere Schlussfolgerungen haben, da bin ich mir sicher. Aber wie gesagt, wogegen ich mich wehre, ist dieses "Das haben wir doch alles vorher gewusst". Wissen Sie, Sie hatten den Herrn Holter zitiert, der war noch vor gut einem Jahr Kabinettsmitglied. Ich halte es wirklich für bedenklich, in solcher Art und Weise hier heute zu diskutieren, man hätte seine Informationen dann alle einspeisen können. Aber ich beteiligte mich daran jetzt nicht weiter, wir kümmern uns um die Dinge vor Ort.
Spengler: Jürgen Seidel, Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Danke für das Gespräch, Herr Seidel.
Seidel: Ja, ich danke auch.