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Sorgenkind Pflegeversicherung

Engels: Die Pflegeversicherung wird zum Sorgenkind. Noch hat diese Säule der Sozialversicherung Milliardensummen in der Kasse, doch diese Rücklagen, die durch 1,7 Prozent Beitrag der Einkommen bezahlt werden, diese Rücklagen schmelzen. Weil die Ausgaben schon länger die Einnahmen übersteigen, und das wird offenbar immer drastischer. Nach Berechnungen des Bundessozialministeriums könnte es sein, dass nur noch bis einschließlich 2006 der jetzige Beitragssatz konstant gehalten werden kann. - Am Telefon nun Wolfgang Zöller. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag und gehört der CSU an. Guten Morgen!

Moderation: Silvia Engels |
    Zöller: Grüß Gott Frau Engels!

    Engels: Steigt demnächst der Beitragssatz für die Pflege?

    Zöller: Ja, da sind wir in dem großen Dilemma. Auf der einen Seite wollen wir, dass die Sozialbeiträge nicht steigen, weil sie unmittelbar Auswirkungen auf die Lohnzusatzkosten haben und das wiederum Arbeitsplätze gefährdet. Wir wollen auf der einen Seite die Sozialbeiträge senken, um so neue Chancen für Arbeitsplätze zu schaffen. Auf der anderen Seite laufen uns die Einnahmen in den Sozialversicherungen davon.
    Wenn Sie nun speziell die Pflegeversicherung angesprochen haben, dann muss man natürlich sehen: Die rot-grüne Regierung hat eine Pflegeversicherung übergeben bekommen, in der ein finanzielles Polster war in der Größenordnung von fast 10 Milliarden. Dass dies immer mehr abgeschmolzen wurde hing auch damit zusammen, dass sich zu Gunsten des Haushaltes der Bundesanstalt die Einnahmeseite verschlechtert hat. Das ist die eine Seite.
    Die zweite Seite ist: Ich glaube Politiker aller Parteien haben die demographische Entwicklung auch gerade im Bereich der Pflegeversicherung unterschätzt, nämlich wir haben das ganz große Problem, dass immer weniger junge Leute mit ihren Beiträgen für die immer mehr werdenden älteren Menschen aufkommen müssen. Und ich habe die große Befürchtung, dass wir dann den Beitragssatz von 1,7 Prozent entweder nicht mehr halten können, oder wir müssen an Leistungen heran gehen. Fairerweise muss man allerdings auch dazu sagen, dass die Pflegeversicherung nie eine Vollversicherung war, sondern immer nur eine Teilkaskoversicherung, wenn ich das so sagen darf. Die Notwendigkeit, dass man sich zusätzlich absichert, wird gerade auch in der Pflegeversicherung von Tag zu Tag mehr notwendig.

    Engels: Sie Sagen Sie müssen unter Umständen an die Leistungen heran. Welche könnten das im Einzelnen sein?

    Zöller: Wenn ich zum Beispiel sehe: in der Pflegeversicherung ist der große Block der ganzen Behandlungspflege. Diese Behandlungspflege gehört eigentlich von der Sache her zur gesetzlichen Krankenversicherung. Aber dann gehört es auch wieder zur Redlichkeit: Wenn ich die Behandlungspflege hier wegnehme, belaste ich dann wieder die gesetzliche Krankenversicherung. Es wäre also nur ein Verschieben von einer Versicherungsart in die andere. Während ich von Leistungseinschränkungen in der Pflegeversicherung nichts halte. Wir müssen der Bevölkerung klar machen, dass hier noch zusätzliche private Absicherungen notwendig sind.

    Engels: Erst recht, weil ja die Leistungen der Pflegeversicherung meistens Rentner treffen und die leiden derzeit ja sowieso, nicht zuletzt auch durch die Gesundheitsreform. Da wird ja gerade in der SPD kräftig bemängelt, dass nun pflichtversicherte Betriebsrentner beispielsweise den vollen Beitrag zu Kranken- und Pflegeversicherung tragen müssen. In der SPD gibt es Überlegungen, dies wieder aufzuschnüren. Was sagen Sie?

    Zöller: Ich warne vor dieser Diskussion, weil sie nicht redlich ist. Wenn Jemand zum Beispiel in diesem Bereich der Betriebsrenten eine Entlastung den Leuten verspricht, bleibt er die Antwort schuldig, wo er das Geld dann hernimmt. Wenn ich die Maßnahme nämlich als sozial ausgewogen ansehen will, muss ich überlegen: Wir haben auf der einen Seite die chronisch Kranken zusätzlich belastet - die waren früher von der Zuzahlung befreit - und das haben wir den Leuten zugemutet. Wir haben den Leuten jetzt auch zugemutet, dass sie zum Beispiel bei den Betriebsrenten den vollen Beitrag zahlen müssen. Das ist natürlich eine Zumutung für die Leute, aber ich glaube es ist einigermaßen sozial gerecht.

    Engels: Nun sagt aber Ihr eigener Parteifreund Horst Seehofer offenbar auch in der "Passauer Neuen Presse", dass man dort möglicherweise noch die Gesamtbelastung, die jetzt für die Rentner aufgetreten ist, korrigieren muss. Dort spricht er auch an, dass dieses Gesamtpaket, der volle Pflegeversicherungsbeitrag, aber auch die geplante Rentenbesteuerung und der Sonderbeitrag zur Finanzierung des Krankengeldes zu viel Belastung sei. Also doch noch mal ran?

    Zöller: Frau Engels, das ist ja das Problem. Wir haben damals bei dem Konsens in der Gesundheitsreform gesagt, wir dürfen nicht die Gesamtbetrachtung der Rentner aus den Augen verlieren. Jetzt haben wir in der gesetzlichen Krankenversicherung die Beiträge für die Versorgungsbezüge. Dann kommt für die Rentner demnächst noch der Zahnersatz ab 2005 hinzu und der Sonderbeitrag Krankengeld ab 2006. Das sind natürlich Leistungen, die die Rentner zusätzlich betreffen. Da wurde uns im Konsensgespräch von der Ministerin gesagt, dass man zusätzliche gesetzliche Maßnahmen natürlich im Rahmen der Gesamtbetrachtung sehen muss. Wenn ich jetzt sehe, dass Rot-Grün ein Gesetz gemacht hat und die Beiträge zur Pflegeversicherung zu 100 Prozent auf die Rentner mit 1,7 Prozent beschlossen hat, wenn ich weiterhin die Nullrunde für die Rentner sehe und, was jetzt zur Zeit in der Diskussion ist, das Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz, was auch wiederum die Rentner betrifft, und ab Januar kommenden Jahres die Besteuerung der Renten, diese Kumulation muss jetzt gesehen werden. Das hat aber mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz primär eigentlich nichts zu tun.

    Engels: Primär nicht, aber indirekt schon. Das heißt zum Teil kritisieren Sie jetzt die SPD für etwas, was Sie mitgetragen haben?

    Zöller: Ja, weil wir gesagt haben, eben in der Gesamtkumulation wird es für viele Rentner dort Probleme geben. Ich kann nicht nur ein Gesetz beschließen, Mehrausgaben oder Mehrbelastungen für Rentner, und sagen die anderen Gesetze gehen mich nichts an. Dann hätte man das in der Gesamtbetrachtung gleich von Anfang an mit aufnehmen müssen.

    Engels: Das heißt aber auch, was Rentenpläne angeht - Hans Eichel will ja nun das Prinzip der nachgelagerten Steuern einführen -, da trägt dann die Union nicht mehr mit?

    Zöller: Bei der nachgelagerten Besteuerung müssen wir dann auch sehen, wie kann man das sozialverträglich gestalten. Ich halte nichts davon, dass ab 1. Januar 2005 hier noch mal zusätzlich ich sage mal sehr hohe Belastungen auf die Rentner zukommen, weil das einfach dann nicht realisierbar sein wird.

    Engels: So weit diese Informationen von Wolfgang Zöller, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses von der CSU. Ich bedanke mich für das Gespräch.