Jürgen Liminski: Und mitgehört hat Manuela Schwesig, sie ist stellvertretende Parteivorsitzende und Ministerin für Soziales in Mecklenburg-Vorpommern. Guten Morgen, Frau Schwesig!
Manuela Schwesig: Guten Morgen, Herr Liminiski!
Liminski: Frau Schwesig: "Hätte, hätte – Fahrradkette", sagt Peer Steinbrück, und es bleibe bei dem Slogan. Ist da die Kette nicht abgesprungen, um im Bild zu bleiben? Kann man einen Slogan, der Schwung vermitteln soll, aber derart belastet ist, beibehalten?
Schwesig: Ich finde nicht, dass der Slogan belastet ist. Der Slogan, "Das Wir entscheidet", passt zu Peer Steinbrück, passt zu uns, passt zu unserer Idee, dass es darum geht, dass wieder mehr Solidarität in Deutschland eine Rolle spielen muss, mehr soziale Gerechtigkeit. Und dass es nicht sein kann, dass man Politik macht wie CDU und FDP, die nur Einzelinteressen dient. Und jetzt kennt wenigstens jeder den Slogan.
Liminski: Was soll denn der Slogan noch aussagen? Könnte er nicht auch auf CDU-Plakaten stehen?
Schwesig: Um Gottes willen, nein. Deutschland steht vor einer Richtungswahl und wir treten dafür an, besser und gerechter zu regieren. Die CDU macht es ja so, dass es nur um einzelne Interessen geht, dass sie nicht nutzt ... Dass wir dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg auch für alle Menschen nutzen. Die Menschen spüren, dass es zwar dem Land gut geht, dass aber vieles bei ihnen gar nicht ankommt. Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich zu weit geöffnet. Wir haben viele Menschen, die ja in Arbeit sind, aber ausgebeutet werden, allein 2,5 Millionen Menschen arbeiten für weniger als sechs Euro in der Stunde auf sozusagen zu Kosten, zulasten. Sie werden ausgebeutet, damit andere profitieren – das sind Dinge, da wollen wir einen Riegel vorschieben, zum Beispiel mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.
Liminski: Soziale Gerechtigkeit ist das Hauptthema jetzt für die SPD im Wahlkampf. Ist dieser Begriff nicht ein bisschen schwammig, zu wenig polarisierend? Zum Beispiel beim Thema Lebensrente geht die SPD hier doch im Gleichschritt mit der Union.
Schwesig: Ich finde nicht, dass der Begriff soziale Gerechtigkeit zu schwammig ist. Ich finde, dieser Begriff muss wieder mit Leben gefüllt werden. Und den muss die SPD ganz stark machen. Und da wissen auch die Menschen, das ist der Begriff, der die SPD auszeichnet, wo die SPD seit 150 Jahren für kämpft, mal mit mehr Erfolg, mal mit weniger. Aber wir wollen, dass das natürlich wieder erfolgreicher wird. Bleiben wir bei Ihrem Beispiel: Lebensleistungsrente. Frau von der Leyen hat erst einen Riesenaufriss gemacht in Deutschland, dass die Altersarmut droht – das stimmt auch. Aber sie hat diese Ängste um Altersarmut benutzt, anstatt dann zu liefern, wie es besser gehen kann. Und sie hat eine sogenannte Lebensleistungsanerkennungsrente vorgeschlagen, wo jemand, der sein ganzes Leben arbeitet, am Ende zehn, 20 Euro mehr hat, als wenn er nie gearbeitet hätte. Das ist ehrlich gesagt Zynismus. Jedenfalls sollte man das nicht Lebensleistungsanerkennung nennen. Wir schlagen vor, dass wir zunächst in Deutschland Löhne zahlen, sodass jemand am Ende mehr Rente hat, die natürlich über Grundsicherung liegt. Und für die Menschen, die nicht von guten Löhnen profitiert haben bisher – weil wir haben ja immer noch nicht den Mindestlohn, den CDU und FDP blockieren –, soll es eine Solidarrente geben von 850 Euro, die weit über der Grundsicherung liegt.
Liminski: Wenn Sie die Löhne so stark erhöhen wollen, gefährden Sie damit nicht die Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Verbund und überhaupt international?
Schwesig: Nein. In vielen europäischen Ländern gibt es schon längst einen Mindestlohn. Und ich denke, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit damit stärken, denn Unternehmen, die faire Löhne zahlen, die sagen zu uns: Ja, wir zahlen zwar faire Löhne, rutschen dann aber bei Aufträgen weg, weil natürlich immer noch jemand ist, der das nach unten unterbietet. Und wir wollen aufhören, dass der Wettbewerb nach unten geht. Wir wollen, dass der Wettbewerb um gute Aufträge, um gute Löhne sich nach oben durchsetzt. Und worum es doch gehen muss, ist: Wenn wir ein Land sein wollen, was gerecht ist, was die Arbeit, was Fleiß belohnt, dann muss es so sein, dass jemand, der den ganzen Monat arbeiten geht, am Ende mehr hat, als wenn er nicht arbeiten geht. Und nicht noch zum Sozialamt gehen muss und sich seinen Lohn aufstocken lassen muss. 330.000 Menschen in unserem Land arbeiten den ganzen Monat. Und es reicht nicht für die Existenz. Und das ist eine Frage von Wert und Würde der Arbeit. Wir sind die Partei der fleißigen Leute: Wer sich in Deutschland anstrengt, der muss auch was davon haben. Es muss wieder mehr Aufstieg möglich sein.
Liminski: Die Leitung ist etwas schwach, vielleicht können Sie besser in den Hörer sprechen. Frau Schwesig, die CDU sagt, die beste soziale Gerechtigkeit besteht darin, Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn nun die Löhne erhöht werden, könnte es ja sein, dass viele Betriebe sagen: Ja, dann stelle ich eben weniger ein.
Schwesig: Das wird nicht passieren, denn die Betriebe haben ja längst Fachkräftemangel. Bleiben wir mal bei uns im Norden. Ich bin schon in Augsburg im tiefsten Süden, deswegen gebe ich mir Mühe, dass die Leitung noch ein bisschen besser genutzt wird, aber bleiben wir mal bei uns im hohen Norden – schauen wir uns an: die Tourismusbranche. Hier suchen doch die Hoteliers und Gastwirte händeringend nach Personal. Aber es herrscht immer noch ein Tarifvertrag, wo Leute in dieser Branche unter 8,50 Euro bezahlt werden. Trotzdem die Preise doch denen auch entsprechen von Ländern, wo längst besser bezahlt wird. Es gab sogar eine ermäßigte Mehrwertsteuer. Und das ist doch ein Zeichen: Die Leute suchen Personal und sie werden es auch nur kriegen, wenn es wenigstens so bezahlt wird, dass die Leute davon leben können. Noch mal: 8,50 Euro ist eine Lohnuntergrenze. Das kann nicht die Grenze sein, die Personal, was auch gut ausgebildet ist, bezahlt wird. Das muss besser gehen, insbesondere in den sozialen Berufen. Unser Sozialstaat verlässt sich darauf, dass es Menschen gibt, die im sozialen Bereich, zum Beispiel in der Pflege, für andere da sind, die Hilfe benötigen. Und bezahlt diese Menschen sehr schlecht. Und das muss auch aufhören. Wir können nicht Leute benutzen, die unseren Sozialstaat aufrechterhalten. Und nicht dafür sorgen, dass die anständig bezahlt werden. In der Pflege ist der Mindestlohn bei 8,75 Euro.
Liminski: Also der Mindestlohn wird ein großes Wahlkampfthema, wenn ich das so verstehe. Die CSU behauptet nun von sich, sie sei die Familienpartei in Deutschland und stehe für das Ehegattensplitting. Wird dieses Splitting, wird überhaupt die Familienpolitik auch zum Wahlkampfthema?
Schwesig: Die Familienpolitik ist zentrales Wahlkampfthema. Und ich freue mich wirklich, dass meine Partei, die SPD, und gerade mit Peer Steinbrück, dieses Thema so stark wie bisher noch nicht in einem Regierungsprogramm gemacht hat. Wir wollen, dass die Familien in Deutschland besser unterstützt werden. Und die CDU hat gerade unter Bundesfamilienministerin Schröder ja die Familienpolitik total vernachlässigt. Es wurde ja bei Familien gekürzt. Und wir erleben, dass gar nicht die Familien, die so bunt sind in unserem Land, in ihren unterschiedlichen Lebensformen unterstützt werden. Es reicht nicht aus, dass wir nur Paare, die verheiratet sind, unterstützen. Wir müssen auch Paare unterstützen, die sich für Kinder entschieden haben, aber eben nicht unbedingt den Trauschein wollen. Und wir müssen vor allem die vielen alleinerziehenden vor allem ja Frauen in unserem Land unterstützen, also auch Patchwork- und Regenbogenfamilien. Familien sind heute bunt. Und man muss sich in der Familienpolitik diesen bunten Familienformen stellen. Wir wollen nicht den Menschen vorschreiben, wie sie zusammenzuleben haben. Wir wollen sie unterstützen, wenn sie sich für Kinder entschieden haben oder wenn sie zum Beispiel auch sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern.
Liminski: Noch mal zum konkreten Ehegattensplitting: Wird dieses Splitting zum Wahlkampfthema? Wollen Sie es abschaffen?
Schwesig: Wir haben mehrere Bausteine in unserem Programm für Familien. Das Hauptthema ist, dass wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen wollen. Wir wollen Ganztagskitas, Ganztagsschulen in Deutschland ausbauen, nicht nur von der Zahl, sondern vor allem von der Qualität. Das kostet Geld, das kostet 20 Milliarden Euro, eine Riesensumme. Dafür wollen wir für Spitzenverdiener ab 100.000 Euro den Spitzensteuersatz erhöhen. Und wir wollen innerhalb der Familienpolitik umbauen. Und da sprechen Sie das Ehegattensplitting an: Das Ehegattensplitting wird für die Ehen, wo es bisher besteht, nicht abgeschafft. Die Menschen, die bisher auf das Ehegattensplitting vertraut haben, werden auch weiter das Ehegattensplitting bekommen. Aber wir wollen in der Zukunft aus diesem Ehegattensplitting aussteigen. Warum? Nehmen Sie ein Paar heute, was keine Kinder hat. Das profitiert vom Ehegattensplitting mit viel Steuergeld. Aber Paare, die sich für Kinder entschieden haben, aber eben nicht verheiratet sind oder Alleinerziehende, kriegen keine Unterstützung. Das passt nicht mehr in die heutigen Familienformen. Und deswegen wollen wir aus dem Ehegattensplitting für die zukünftigen Ehen aussteigen und sagen: Dieses Geld ist doch besser angelegt in Ganztagskitas, Ganztagsschulen, das kommt allen Kindern zugute. Wie sieht unser Modell aus? Wir machen es in Zukunft so: Jeder, der ein Einkommen hat, versteuert sein Einkommen. Und diejenigen, die verheiratet sind, die kriegen auch aus verfassungsrechtlichen Gründen einen Partnerschaftstarif angerechnet, also einen kleineren Betrag als bisher für ihre Unterhaltsverpflichtung, die sie innerhalb der Ehe haben.
Liminski: Jetzt wird die Leitung doch ein bisschen wacklig. Die SPD vor dem morgigen Bundeswahlparteitag – das war die stellvertretende Vorsitzende der SPD, Manuela Schwesig. Besten Dank für das Gespräch, Frau Schwesig!
Schwesig: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Manuela Schwesig: Guten Morgen, Herr Liminiski!
Liminski: Frau Schwesig: "Hätte, hätte – Fahrradkette", sagt Peer Steinbrück, und es bleibe bei dem Slogan. Ist da die Kette nicht abgesprungen, um im Bild zu bleiben? Kann man einen Slogan, der Schwung vermitteln soll, aber derart belastet ist, beibehalten?
Schwesig: Ich finde nicht, dass der Slogan belastet ist. Der Slogan, "Das Wir entscheidet", passt zu Peer Steinbrück, passt zu uns, passt zu unserer Idee, dass es darum geht, dass wieder mehr Solidarität in Deutschland eine Rolle spielen muss, mehr soziale Gerechtigkeit. Und dass es nicht sein kann, dass man Politik macht wie CDU und FDP, die nur Einzelinteressen dient. Und jetzt kennt wenigstens jeder den Slogan.
Liminski: Was soll denn der Slogan noch aussagen? Könnte er nicht auch auf CDU-Plakaten stehen?
Schwesig: Um Gottes willen, nein. Deutschland steht vor einer Richtungswahl und wir treten dafür an, besser und gerechter zu regieren. Die CDU macht es ja so, dass es nur um einzelne Interessen geht, dass sie nicht nutzt ... Dass wir dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg auch für alle Menschen nutzen. Die Menschen spüren, dass es zwar dem Land gut geht, dass aber vieles bei ihnen gar nicht ankommt. Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich zu weit geöffnet. Wir haben viele Menschen, die ja in Arbeit sind, aber ausgebeutet werden, allein 2,5 Millionen Menschen arbeiten für weniger als sechs Euro in der Stunde auf sozusagen zu Kosten, zulasten. Sie werden ausgebeutet, damit andere profitieren – das sind Dinge, da wollen wir einen Riegel vorschieben, zum Beispiel mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.
Liminski: Soziale Gerechtigkeit ist das Hauptthema jetzt für die SPD im Wahlkampf. Ist dieser Begriff nicht ein bisschen schwammig, zu wenig polarisierend? Zum Beispiel beim Thema Lebensrente geht die SPD hier doch im Gleichschritt mit der Union.
Schwesig: Ich finde nicht, dass der Begriff soziale Gerechtigkeit zu schwammig ist. Ich finde, dieser Begriff muss wieder mit Leben gefüllt werden. Und den muss die SPD ganz stark machen. Und da wissen auch die Menschen, das ist der Begriff, der die SPD auszeichnet, wo die SPD seit 150 Jahren für kämpft, mal mit mehr Erfolg, mal mit weniger. Aber wir wollen, dass das natürlich wieder erfolgreicher wird. Bleiben wir bei Ihrem Beispiel: Lebensleistungsrente. Frau von der Leyen hat erst einen Riesenaufriss gemacht in Deutschland, dass die Altersarmut droht – das stimmt auch. Aber sie hat diese Ängste um Altersarmut benutzt, anstatt dann zu liefern, wie es besser gehen kann. Und sie hat eine sogenannte Lebensleistungsanerkennungsrente vorgeschlagen, wo jemand, der sein ganzes Leben arbeitet, am Ende zehn, 20 Euro mehr hat, als wenn er nie gearbeitet hätte. Das ist ehrlich gesagt Zynismus. Jedenfalls sollte man das nicht Lebensleistungsanerkennung nennen. Wir schlagen vor, dass wir zunächst in Deutschland Löhne zahlen, sodass jemand am Ende mehr Rente hat, die natürlich über Grundsicherung liegt. Und für die Menschen, die nicht von guten Löhnen profitiert haben bisher – weil wir haben ja immer noch nicht den Mindestlohn, den CDU und FDP blockieren –, soll es eine Solidarrente geben von 850 Euro, die weit über der Grundsicherung liegt.
Liminski: Wenn Sie die Löhne so stark erhöhen wollen, gefährden Sie damit nicht die Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Verbund und überhaupt international?
Schwesig: Nein. In vielen europäischen Ländern gibt es schon längst einen Mindestlohn. Und ich denke, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit damit stärken, denn Unternehmen, die faire Löhne zahlen, die sagen zu uns: Ja, wir zahlen zwar faire Löhne, rutschen dann aber bei Aufträgen weg, weil natürlich immer noch jemand ist, der das nach unten unterbietet. Und wir wollen aufhören, dass der Wettbewerb nach unten geht. Wir wollen, dass der Wettbewerb um gute Aufträge, um gute Löhne sich nach oben durchsetzt. Und worum es doch gehen muss, ist: Wenn wir ein Land sein wollen, was gerecht ist, was die Arbeit, was Fleiß belohnt, dann muss es so sein, dass jemand, der den ganzen Monat arbeiten geht, am Ende mehr hat, als wenn er nicht arbeiten geht. Und nicht noch zum Sozialamt gehen muss und sich seinen Lohn aufstocken lassen muss. 330.000 Menschen in unserem Land arbeiten den ganzen Monat. Und es reicht nicht für die Existenz. Und das ist eine Frage von Wert und Würde der Arbeit. Wir sind die Partei der fleißigen Leute: Wer sich in Deutschland anstrengt, der muss auch was davon haben. Es muss wieder mehr Aufstieg möglich sein.
Liminski: Die Leitung ist etwas schwach, vielleicht können Sie besser in den Hörer sprechen. Frau Schwesig, die CDU sagt, die beste soziale Gerechtigkeit besteht darin, Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn nun die Löhne erhöht werden, könnte es ja sein, dass viele Betriebe sagen: Ja, dann stelle ich eben weniger ein.
Schwesig: Das wird nicht passieren, denn die Betriebe haben ja längst Fachkräftemangel. Bleiben wir mal bei uns im Norden. Ich bin schon in Augsburg im tiefsten Süden, deswegen gebe ich mir Mühe, dass die Leitung noch ein bisschen besser genutzt wird, aber bleiben wir mal bei uns im hohen Norden – schauen wir uns an: die Tourismusbranche. Hier suchen doch die Hoteliers und Gastwirte händeringend nach Personal. Aber es herrscht immer noch ein Tarifvertrag, wo Leute in dieser Branche unter 8,50 Euro bezahlt werden. Trotzdem die Preise doch denen auch entsprechen von Ländern, wo längst besser bezahlt wird. Es gab sogar eine ermäßigte Mehrwertsteuer. Und das ist doch ein Zeichen: Die Leute suchen Personal und sie werden es auch nur kriegen, wenn es wenigstens so bezahlt wird, dass die Leute davon leben können. Noch mal: 8,50 Euro ist eine Lohnuntergrenze. Das kann nicht die Grenze sein, die Personal, was auch gut ausgebildet ist, bezahlt wird. Das muss besser gehen, insbesondere in den sozialen Berufen. Unser Sozialstaat verlässt sich darauf, dass es Menschen gibt, die im sozialen Bereich, zum Beispiel in der Pflege, für andere da sind, die Hilfe benötigen. Und bezahlt diese Menschen sehr schlecht. Und das muss auch aufhören. Wir können nicht Leute benutzen, die unseren Sozialstaat aufrechterhalten. Und nicht dafür sorgen, dass die anständig bezahlt werden. In der Pflege ist der Mindestlohn bei 8,75 Euro.
Liminski: Also der Mindestlohn wird ein großes Wahlkampfthema, wenn ich das so verstehe. Die CSU behauptet nun von sich, sie sei die Familienpartei in Deutschland und stehe für das Ehegattensplitting. Wird dieses Splitting, wird überhaupt die Familienpolitik auch zum Wahlkampfthema?
Schwesig: Die Familienpolitik ist zentrales Wahlkampfthema. Und ich freue mich wirklich, dass meine Partei, die SPD, und gerade mit Peer Steinbrück, dieses Thema so stark wie bisher noch nicht in einem Regierungsprogramm gemacht hat. Wir wollen, dass die Familien in Deutschland besser unterstützt werden. Und die CDU hat gerade unter Bundesfamilienministerin Schröder ja die Familienpolitik total vernachlässigt. Es wurde ja bei Familien gekürzt. Und wir erleben, dass gar nicht die Familien, die so bunt sind in unserem Land, in ihren unterschiedlichen Lebensformen unterstützt werden. Es reicht nicht aus, dass wir nur Paare, die verheiratet sind, unterstützen. Wir müssen auch Paare unterstützen, die sich für Kinder entschieden haben, aber eben nicht unbedingt den Trauschein wollen. Und wir müssen vor allem die vielen alleinerziehenden vor allem ja Frauen in unserem Land unterstützen, also auch Patchwork- und Regenbogenfamilien. Familien sind heute bunt. Und man muss sich in der Familienpolitik diesen bunten Familienformen stellen. Wir wollen nicht den Menschen vorschreiben, wie sie zusammenzuleben haben. Wir wollen sie unterstützen, wenn sie sich für Kinder entschieden haben oder wenn sie zum Beispiel auch sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern.
Liminski: Noch mal zum konkreten Ehegattensplitting: Wird dieses Splitting zum Wahlkampfthema? Wollen Sie es abschaffen?
Schwesig: Wir haben mehrere Bausteine in unserem Programm für Familien. Das Hauptthema ist, dass wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen wollen. Wir wollen Ganztagskitas, Ganztagsschulen in Deutschland ausbauen, nicht nur von der Zahl, sondern vor allem von der Qualität. Das kostet Geld, das kostet 20 Milliarden Euro, eine Riesensumme. Dafür wollen wir für Spitzenverdiener ab 100.000 Euro den Spitzensteuersatz erhöhen. Und wir wollen innerhalb der Familienpolitik umbauen. Und da sprechen Sie das Ehegattensplitting an: Das Ehegattensplitting wird für die Ehen, wo es bisher besteht, nicht abgeschafft. Die Menschen, die bisher auf das Ehegattensplitting vertraut haben, werden auch weiter das Ehegattensplitting bekommen. Aber wir wollen in der Zukunft aus diesem Ehegattensplitting aussteigen. Warum? Nehmen Sie ein Paar heute, was keine Kinder hat. Das profitiert vom Ehegattensplitting mit viel Steuergeld. Aber Paare, die sich für Kinder entschieden haben, aber eben nicht verheiratet sind oder Alleinerziehende, kriegen keine Unterstützung. Das passt nicht mehr in die heutigen Familienformen. Und deswegen wollen wir aus dem Ehegattensplitting für die zukünftigen Ehen aussteigen und sagen: Dieses Geld ist doch besser angelegt in Ganztagskitas, Ganztagsschulen, das kommt allen Kindern zugute. Wie sieht unser Modell aus? Wir machen es in Zukunft so: Jeder, der ein Einkommen hat, versteuert sein Einkommen. Und diejenigen, die verheiratet sind, die kriegen auch aus verfassungsrechtlichen Gründen einen Partnerschaftstarif angerechnet, also einen kleineren Betrag als bisher für ihre Unterhaltsverpflichtung, die sie innerhalb der Ehe haben.
Liminski: Jetzt wird die Leitung doch ein bisschen wacklig. Die SPD vor dem morgigen Bundeswahlparteitag – das war die stellvertretende Vorsitzende der SPD, Manuela Schwesig. Besten Dank für das Gespräch, Frau Schwesig!
Schwesig: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.