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Sozialwissenschaftler sieht kaum Chancen für Ältere auf dem Arbeitsmarkt

Der Rentenexperte Winfried Schmähl hält die Diskussion über das längere Verbleiben im Erwerbsleben angesichts steigender Lebenserwartung zwar für verständlich. Ohne eine grundlegende Veränderung auf dem Arbeitsmarkt würden die Arbeitsmarktchancen für Ältere aber nicht besser sein als derzeit.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Am Telefon begrüße ich Professor Winfried Schmähl, Rentenexperte und Sozialwissenschaftler von der Universität Bremen. Nicht jeder kann länger arbeiten wie nicht das erste mal gefordert. Sollen denn die die Parks fegen, die dann eigentlich lieber auf den Bänken darin säßen?

    Winfried Schmähl: Insgesamt ist die Diskussion über das längere Verbleiben im Erwerbsleben angesichts steigender Lebenserwartung ja verständlich. Allerdings muss man sehen, dass so eine Maßnahme, selbst wenn man sie jetzt ankündigen würde wofür ja einiges spricht, müssten aber verschiedene Bedingungen erfüllt sein, unter anderem eine deutlich veränderte und verbesserte Lage auf dem Arbeitsmarkt, denn sonst ist eine Anhebung des Renteneintrittsalters, also der abschlagsfreien Rente, wo man die volle Rente bekommen kann, eigentlich nur ein weiteres Kürzungselement bei der ohnehin ja schon deutlich in ihrem Niveau in Zukunft sinkenden gesetzlichen Rente.

    Durak: Sie haben ja die jetzige Bundesregierung in ihren Anfangsjahren auch beraten in Sachen Rente. Sehen Sie irgendwelche Ihrer Vorschläge verwirklicht?

    Schmähl: Wir haben ja damals verschiedene Kritikpunkte auch geäußert im Hinblick auf die ursprünglichen Pläne der Bundesregierung, beispielsweise dass man versuchte die so genannte bedarfsorientierte Mindestsicherung, also ein Sozialhilfeelement in die Rentenversicherung zu integrieren, das ist beispielsweise nicht umgesetzt worden. Glücklicherweise. Und so könnte man vielleicht einige andere Punkte noch ansprechen.

    Durak: Glücklicherweise nicht umgesetzt worden - wieso?

    Schmähl: Das wäre im Grunde eine Vermischung gewesen von bedarfsgeprüften Elementen und der im Grunde auf Beitragszahlungen basierenden Rente. Wenn man praktisch Sozialhilfe und Rentenversicherung in einen Topf wirft, bedeutet das längerfristig auch aus Sicht Versicherten wahrscheinlich dann, dass sie gar nicht mehr erkennen können, was sie eigentlich mit einem Beitrag an Leistungen in Zukunft erwerben können.

    Durak: Sehen Sie irgendwo Licht am Horizont, was die Schaffung von Arbeitsplätzen für Alte angeht, die nicht in intellektuellen Berufen tätig sind?

    Schmähl: Da sieht es wohl doch sehr schwierig aus, denn wir haben ja gerade auch das Arbeitsmarktproblem im Bereich der Geringqualifizierten. Allerdings muss man für die Zukunft sehen, dass das Bildungsniveau der nachwachsenden Geburtsjahrgänge tendenziell besser ist als in früheren Zeiten aber dennoch würde ich sagen, ohne eine grundlegende Veränderung auf dem Arbeitsmarkt werden die Arbeitsmarktchancen für Ältere kaum besser sein als sie derzeit sind.

    Durak: Wenn Sie beide Programm der konkurrierenden Parteien miteinander vergleichen und abwägen, welche Partei hat das für Sie schlüssigste Rentenkonzept?

    Schmähl: Das ist eine sehr schwierige Frage, im Prinzip unterscheiden sich die Parteien in der Grundströmung eigentlich nicht so fundamental, was ich einerseits bedaure, denn beide Parteien sehen die Gesetze zur Rentenversicherung auf dem Weg in eine wie es oft heißt Basisrente, also ein deutlich reduziertes Leistungsniveau. Man muss sich klarmachen, dass das, was jetzt ja schon gesetzliche Grundlage ist aufgrund der Beschlüsse 2001 und 2004 im Prinzip dazu führen wird, dass längerfristig die Leistungen in der Rentenversicherung um etwa ein Viertel niedriger sein werden. Wenn man das heute schon realisiert hätte, würde eine Rente von 1000 Euro dann 750 Euro sein und ich sehe auch nicht, dass die Opposition im Grunde an dieser Strategie etwas grundlegend ändern will. Insofern geht es in der Diskussion jetzt auch sehr viel um Technik, aber die Grundfragen als solche unterscheiden sich nicht so stark, wobei man bei der SPD natürlich nicht weiß, welcher Flügel in Zukunft stärkeres Gewicht erhalten wird. Es gibt ja dort auch sehr starke Bestrebungen, die gesetzliche Rentenversicherung noch stärker zu einem Umverteilungsinstrument zu machen, also immer weniger Leistungs-Gegenleistungsbeziehung herzustellen.

    Durak: Das Loch in den Rentenkasse aktuell soll noch größer sein als bisher angenommen. Die Bundesregierung bemüht sich schon seit einiger Zeit, kreativ Mittel aufzutreiben und zuzuschießen. Was glauben Sie, wie groß ist das tatsächliche Rentenloch?

    Schmähl: Das kann ich so nicht beantworten, weil ich einfach die Berechnungen jetzt nicht kenne. Man muss einfach sehen, dass es eigentlich eine unverantwortlich niedrige Rücklage ist, die der Gesetzgeber dort vorgesehen hat und dass das Loch in der Rentenkasse, wie es immer so schön heißt, natürlich sehr viel mit dem Arbeitsmarkt zu tun hat, aber darüber hinaus auch durch politische Weichenstellungen mitbedingt ist, beispielsweise die Nutzung der beitragsfreien Entgeltumwandlung, dass man also einen Teil seines Bruttolohns ohne Beitragszahlung in eine betriebliche Alterssicherung umwandeln kann, was natürlich auch zu Mindereinnahmen bei den Sozialversicherungsträgern führt.

    Durak: Das freut aber den Zahler.

    Schmähl: Den einzelnen, ja, er erwirbt weniger Ansprüche in den Rentenversicherung, hat die Betriebsrente, dann kommt es natürlich dann darauf an, welche Leistungen er einmal bekommen wird. Nur mein Hinweis war, dass die Einnahmeschwäche in der Rentenversicherung natürlich viele Gründe hat, nicht nur eine Frage der Arbeitsmarktlage ist.

    Durak: Was macht eigentlich den Unterscheid aus, was kann wirklich passieren, wenn wirklich nur noch für ein oder zwei Tage die Rentenkassen gedeckt sind, im Gegensatz zu vorher. Da war es ja ein Vierteljahr Reserve. Was kann da passieren?

    Schmähl: Es muss jetzt hier im Grunde vom Bund Mittel zur Deckung der Liquidität bereitgestellt werden. Das kann man natürlich tun, solange der Bundeshaushalt noch über Mittel verfügt, sei es über Steuereinnahmen oder Kredite, ist das im Prinzip eigentlich nicht das gravierende Problem. Das sehe ich eigentlich darin, dass durch diese Situation permanent eine Diskussion über die Rentenversicherung ausgelöst wird, die Finanzkrise, die dann zu ständig neuen Vorschlägen führt, was man alles tun könnte und zu einer ständigen weiteren Verunsicherung und damit im Grunde auch zu einem Abbau von Akzeptanz überhaupt dieser wichtigen Einrichtung in der Bevölkerung beiträgt.