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Spähaffäre
Uhl: Untersuchungsausschuss zu NSA-Affäre denkbar

Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl signalisiert der Opposition Entgegenkommen bei einem möglichen Untersuchungsausschuss zur Spähaffäre. Man wolle "großzügig sein" und dies nicht an formalen Hürden scheitern lassen, sagte Uhl im DLF. Eine Vorladung des Informanten Snowden lehne er indes weiterhin ab.

02.01.2014
    Silvia Engels: Greifen wir die Ankündigung von Horst Seehofer auf: Er will die Forderung der Opposition nach einem NSA-Untersuchungsausschuss unterstützen. Am Telefon ist Hans-Peter Uhl, er ist innenpolitischer Experte der CSU im Bundestag. Guten Tag, Herr Uhl!
    Hans-Peter Uhl: Ja, grüß Sie Gott!
    Engels: Stimmt die CSU also in den nächsten Tagen im Bundestag für einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der NSA-Spähaffäre?
    Uhl: So weit sind wir noch nicht. Parteivorsitzender Seehofer hat nur gesagt, und da hat er sicher recht, dass wir in der großen Koalition uns nicht formalistisch an die Erfordernisse der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, nämlich 25 Prozent der Sitze zu haben, richten, halten sollten, sondern dass wir gegebenenfalls auch darüber hinwegsehen, dass die Opposition, die Grünen und die Linke, im deutschen Parlament eben nur 20 Prozent der Sitze haben.
    Engels: Gegebenenfalls hinwegsehen – das heißt, die Sache ist eigentlich schon abgenickt, das heißt, er kommt?
    Uhl: Wir sollten zunächst einmal klären, was denn der Untersuchungsauftrag, der Gegenstand eines solchen Untersuchungsausschusses sein soll. Da sollen die Grünen und die Linken uns das mal erklären, und dann schauen wir uns das an. Wenn dieser Auftrag einen Erkenntnisgewinn hat, wenn der Auftrag dazu führt, dass wir vernünftige Sätze machen, um die Dinge, die passiert sind, in deutschen Verwaltungsbehörden zu verbessern, dann habe ich damit überhaupt kein Problem. Wenn es aber sein sollte, dass die Grünen oder die Linken bei der NSA-Affäre den Präsidenten Obama vorladen wollen, dann hätte ich damit schon ein Problem, weil das wäre Klamauk und dazu wird es nicht kommen.
    Engels: Der Auftrag ist das eine, und, Sie haben es angedeutet, die zu vernehmenden Zeugen sind das andere. Sie hatten ja gerade in der Vergangenheit Probleme geäußert, wenn es darum ginge, Edward Snowden, den ehemaligen NSA-Mitarbeiter, zu laden beziehungsweise ihm im Zuge dessen freies Geleit oder gar ein Bleiberecht in Deutschland zu gewähren. Haben Sie da Ihre Meinung geändert?
    Uhl: Nein. Herr Snowden hat Material entwendet, das die ganze Welt aufgeweckt hat in Bezug auf einem überbordenden Ausspähverhalten der NSA, das wohl auch nicht genügend kontrolliert wird durch den amerikanischen Präsidenten. Das ist das weltweit beherrschende Thema. Jetzt den Herrn Snowden vorzuladen, der nach eigener Auskunft gegenüber Herrn Ströbele gar kein Material mehr hat, übrigens auch gar keine Erkenntnisse hat, wie das Material zu bewerten ist, weil er ja gar nie mit in der NSA war, sondern nur Systemadministrator, also eine externe Teilzeitkraft war, das macht keinen Sinn.
    Engels: Also ist man doch wieder dabei, dass man auf jeden Fall, wenn es schon nicht Präsident Obama wird, US-Experten braucht. Aber auch hier ist ja wohl bislang die Kooperation der Vereinigten Staaten nicht unbedingt auf dem Niveau, das man sich in Deutschland versprochen hatte, oder haben Sie hier neue Erkenntnisse?
    Uhl: Ich war unlängst in Washington und habe dort nicht den Eindruck gewonnen, dass man die deutsche Besorgnis in Bezug auf unsere Datenschutzvorstellungen teilt, sondern dass man ganz andere Vorstellungen von Datenschutz und Datensicherheit gegenüber ausländischen Daten hat. Das ist befremdlich, das muss gerügt werden, das habe ich auch getan. Das hat aber mit der Frage der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses wenig zu tun.
    Engels: Aber ist das nicht eine zwingende Geschichte? Wer soll denn da antworten?
    Uhl: Ja, eben. In einem Untersuchungsausschuss eines deutschen Parlaments können nur die Beamten von deutschen Behörden vorgeladen werden. Also die können doch nicht den Chef des amerikanischen Nachrichtendienstes einladen. Wir könnten ihn schon einladen, aber der wird natürlich nicht kommen. Das ist auch nicht die Aufgabe eines deutschen parlamentarischen Untersuchungsausschusses, ausländische Verwaltungseinheiten zu kontrollieren. Das geht so nicht.
    Engels: Das heißt, wir erleben am Ende, dass dieser NSA-Untersuchungsausschuss vielleicht eingerichtet wird, aber eigentlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist, oder wie würden Sie jetzt mit dem Anliegen umgehen?
    Uhl: Eben, das ist nicht ausgeschlossen. Deswegen wollen wir uns den Untersuchungsauftrag, so wie die Linken und die Grünen ihn sich vorstellen, genau anschauen, ob er Sinn macht, ob es mit dem Gesetz über parlamentarische Untersuchungsausschüsse umsetzbar ist. Also wir wollen nicht formalistisch argumentieren und sagen, ihr habt keine 25 Prozent der Sitze im Parlament, ihr könnt keinen Untersuchungsausschuss einrichten, da wollen wir großzügig sein. Aber es muss in der Sache Sinn machen.
    Engels: Das heißt, Ihr Parteichef wirft mit seinem Entgegenkommen mal wieder Nebelkerzen?
    Uhl: Nein, das tut er nicht. Der sagt das, was ich Ihnen jetzt gerade auch gesagt habe. An der formalen Hürde wird der Untersuchungsausschuss nicht scheitern. Es wird zu klären sein, ob er inhaltlich Sinn macht.
    "Theaterdonner" der SPD in der Zuwanderungsdebatte
    Engels: Herr Uhl, bleiben wir bei der Innenpolitik, wechseln aber noch den Fokus: Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag ist kaum trocken, da liegen SPD und CSU im Clinch rund um das Stichwort Zuwanderung. Ein CSU-Papier für die Klausurtagung ist die Grundlage, da geht es darum, dass die Belastung deutscher Sozialkassen durch Zuwanderung aus ärmeren EU-Ländern wie Bulgarien oder Rumänien begrenzt werden soll, wenn Missbrauch vorliegt. Außenminister Steinmeier von der SPD hält hart dagegen. Er sagt, wer die Arbeitnehmerfreizügigkeit infrage stellt, der schadet Europa und schadet Deutschland. Was antworten Sie?
    Uhl: Ja, also das ist schon erstaunlich, das Verhalten der SPD vor allem, denn vor mir liegt ein Schreiben des Deutschen Städtetags, das ist knapp ein Jahr alt, vom 22. Januar, Positionspapier des Deutschen Städtetags zu den Fragen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien, und da wenden sich vor allem SPD-Oberbürgermeister von Städten wie Dortmund, Duisburg und so weiter an uns im Bund, wir sollen doch das Gefährdungspotenzial für den sozialen Frieden, das darin steckt, erkennen, das sei enorm, steht da wörtlich, und die Zuwanderung darf so unkritisch nicht mehr hingenommen werden. Und dieses wird noch verstärkt durch ein Schreiben, das auch vor mir liegt vom 17. Mai vergangenen Jahres, der SPD-Oberbürgermeister Christian Ude und seine Sozialreferentin haben in einem dringenden Appell sich an alle Münchner Bundestagsabgeordneten gewandt, wo sie sagen, wir wollen doch darauf achten, Bund, Land und die EU müssen schnell reagieren, da ab dem 1.1.2014 die Arbeitnehmerfreizügigkeit kommt. Dann wird eine weitere Zuwanderungsbewegung erwartet, schreiben die beiden SPD-Politiker.
    Engels: Aber bis jetzt ist es ja auch so, dass in der Tat diejenigen, die nach Deutschland kommen wollen, hier einen Arbeitsplatz haben müssen, sonst haben sie ohnehin erst mal keinen Anspruch auf Sozialleistungen – heißt: Verlangt die CSU hier einen neuen Gesetzentwurf, der darüber noch hinausgeht?
    Uhl: Also die Dinge sind hoch kompliziert, welche Sozialleistungen man bekommt in Deutschland, wenn man hier arbeitet oder auch nicht arbeitet, als Selbstständiger oder Scheinselbstständiger einen Arbeitsplatz hat und ihn dann wieder verliert, ob Kinder, die man hier hat oder nicht hier hat, Kindergeld bekommen, das ist alles hoch kompliziert.
    Engels: Wollen Sie nun ein neues Gesetz?
    Uhl: Ich warne davor, dieses alles in einen Topf zu werfen. Es gibt sogar Landessozialgerichte, die darüber streiten, weil sie unterschiedliche Auffassungen haben. Das wird alles zu entscheiden sein von den höchsten Gerichten, auch der Europäischen Union. Dieses alles wird zeigen, dass wir neue Gesetze natürlich brauchen, und deswegen haben wir das auch so im Koalitionsvertrag mit der SPD zusammen formuliert. Da heißt es: "Wir werden deshalb der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger entgegenwirken", Unterschrift der SPD, der CDU und der CSU, und das werden wir tun.
    Engels: Und warum nennt der Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth von der SPD diese CSU-Forderung nun "dumme Parolen"?
    Uhl: Ja, offensichtlich, weil er zurzeit etwas Theaterdonner inszenieren will und sich nicht mehr erinnern kann an diesen Satz, den ich Ihnen gerade vorgelesen habe aus dem Koalitionsvertrag.
    Engels: Könnte es auch sein, dass inhaltlich CSU und SPD gar nicht so weit auseinanderliegen und auch die CSU nun Stammwähler motivieren will?
    Uhl: Also wir können gar nicht auseinander liegen, weil die SPD-Bürgermeister haben das Problem vor einem Jahr dringenden Apellen an uns auf die Tagesordnung gesetzt, und wir müssen das Problem gemeinsam lösen und wir können es auch gemeinsam lösen und wir werden es auch gemeinsam lösen.
    Engels: Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl heute sowohl zum Thema Armutsmigration als auch zur neuen Debatte, ob es einen NSA-Untersuchungsausschuss geben darf. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Mittag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.