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Spanien nach der Wahl
Scheitern Gespräche, droht die Krise

Noch immer ist unklar, wer Spanien künftig regieren wird. Monatelang haben sich die Parteichefs der Sozialisten und der neuen Linkspartei Podemos ignoriert oder beleidigt. Jetzt wollen sie zumindest miteinander reden. Scheitern die Gespräche, könnten sie die spanische Politik hingegen vollends in eine Krise stürzen.

Von Hans-Günter Kellner | 31.03.2016
    Der Parteichef der spanischen Sozialisten, Sanchez.
    Sozialistenführer Pedro Sánchez ist zuversichtlich, dass die Gespräche mit den Sozialisten zum Erfolg führen. (dpa/picture-alliance/Hugo Ortuño)
    Dieser Auftritt war lange erwartet worden: Wochenlang waren sie nur indirekt über die Medien in Kontakt – oft haben sich dabei beleidigt – doch jetzt sprechen sie auch miteinander. Sozialisten-Chef Pedro Sánchez hatte die nach Wählerstimmen fast ebenbürtige neue Linkspartei Podemos lange wie einen Juniorpartner behandelt. Und Pablo Iglesias, Generalsekretär von Podemos, konnte seinen Anspruch, der einzig legitime Anführer des linken Lagers in Spanien zu sein, kaum unterdrücken. Doch dann kündigte Iglesias im spanischen Parlament zur Überraschung aller an:
    "Wenn ich einer linken Regierung in Spanien im Weg stehe, dann muss ich nicht dabei sein. Für uns ist es das Wichtigste, die wirtschaftliche Lage Spaniens zu verbessern und soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Eine Koalitionsbeteiligung von Podemos würde das garantieren. Wenn ich dabei störe, trete ich zur Seite."
    Zuversicht trotz Hindernissen
    Sozialistenführer Pedro Sánchez klang zeitweise so zuversichtlich, als hätten die Koalitionsverhandlungen schon begonnen. Doch auch ihm ist klar, dass eine Einigung noch längst nicht in Sicht ist:
    "Wären die politischen Blöcke anders verteilt mit zwei großen Volksparteien hätten wir heute eine Regierung. Dem ist aber nicht so. Die Spanier haben uns gesagt: Wir müssen unsere Ideologien vermischen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
    Trotz aller Vorsicht: Herr Iglesias hat sich jetzt einverstanden gezeigt, dass wir drei Parteien miteinander verhandeln. Uns ist es ernst, der Partei Ciudadanos auch, warten wir auf Podemos."
    Unterstützung erforderlich
    Um im spanischen Parlament eine Mehrheit zu bekommen, wäre die Unterstützung einer dritten Partei nötig: die der neuen liberalen Partei "Ciudadanos" – zu deutsch: die Bürger. Mit ihnen haben die Sozialisten bereits ein Regierungsabkommen vereinbart. Dieser spanischen Version einer Ampelkoalition verweigerten sich aber bislang zwei der Beteiligten: Podemos und Ciudadanos. Politologe Pablo Simón vom Thinktank "Politikon" beschreibt die Situation so:
    "Die roten Linien, die niemand überschreiten will, überschneiden sich. Die Sozialisten wollen nicht mit den Separatisten verhandeln, Podemos will dagegen ein Stillhalteabkommen mit ihnen.
    Ciudadanos will nicht mit Podemos, aber mit der konservativen Volkspartei. Mit der Volkspartei wollen andererseits weder die Sozialisten noch Podemos sprechen. Die Hürden für ein Abkommen liegen einfach sehr hoch. Das liegt an unserem politischen System und am Wahlergebnis."
    Und an den Besonderheiten der spanischen Verfassung. Sie verschafft der Regierung eine starke Position. So kann sie eine Reihe von Gesetzen per Kabinettsbeschluss erlassen – ohne Zustimmung des Parlaments. Einmal gewählt, kann das Parlament dem Regierungschef auch nicht ohne Weiteres das Vertrauen entziehen:
    "Dazu müssten sich ganz unterschiedliche Parteien einigen, etwa die Volkspartei, Podemos und die Vereinigte Linke. Wenn Sánchez einmal Regierungschef ist, das ist Podemos klar, werden sie kaum eine absolute Mehrheit für ein Misstrauensvotum finden.
    Deshalb können die Sozialisten jetzt unterschreiben, was sie wollen. Podemos könnte höchstens versuchen, den Haushalt zu blockieren. Sie können nicht einfach sagen, Sánchez soll erst mal loslegen und später können wir ihn ja immer noch aus dem Amt jagen."
    Annäherungsversuche
    Jetzt wollen alle drei Parteien zumindest miteinander sprechen. Sozialisten-Chef Sánchez will die Gemeinsamkeiten in einem Koalitionsvertrag festhalten. Die starken programmatischen Widersprüche zwischen den beiden neuen Parteien – etwa bei Fragen des Arbeitsmarkts oder des Umgangs mit den katalanischen Separatisten, soll das Parlament offen ausdiskutieren, schlägt der Sozialdemokrat vor. Eine große Koalition schließt er hingegen aus. Dafür sind die spanischen Konservativen aus seiner Sicht zu stark in Korruptionsskandale verwickelt.
    Einigung in letzter Minute
    Trotz aller Schwierigkeiten glaubt der unabhängige Politologe Pablo Simón, dass es in allerletzter Minute doch zu einer Einigung kommen wird. Scheitern die Parteien, könnten sie die spanische Politik hingegen vollends in eine Krise stürzen:
    "Die Menschen haben bei der letzten Wahl ihre Stimme abgegeben. Sie glaubten, mit zwei neuen Parteien wird sich die politische Situation verbessern. Wenn sich nichts bessert, weil die Politiker immer noch nichts auf die Reihe bekommen, dann werden aus politisch interessierten und gut informierten Bürgern Zyniker."
    Zumindest würde den Umfragen zufolge die Wahlbeteiligung wieder sinken. Davon würde die Volkspartei mit ihren vielen treuen Stammwählern profitieren. Das sind die Hoffnungen des amtierenden Ministerpräsidenten Mariano Rajoy.