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Sparkurs soll Staatsbankrott verhindern

Ein von der griechischen Regierung aufgelegtes Sparprogramm soll durch Brüssel kontrolliert werden. Der Vorsitzende des Sonderausschusses zur Wirtschafts- und Finanzkrise im Europäischen Parlament, Wolf Klinz (FDP), begrüßte diese Maßnahme. Es sei nicht mehr hinnehmbar, dass man sich von Griechenland täuschen lasse.

Wolf Klinz im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Mit falschen Angaben hat sich Griechenland die Euro-Teilnahme erschlichen und inzwischen ist das Land mit 300 Millionen Euro verschuldet - eine Gefahr auch für die gemeinsame Währung, den Euro. Das Haushaltsdefizit beträgt fast 13 Prozent und daraus sollen bis 2012 drei Prozent werden. Das geht nur mit einem drastischen Sparprogramm, dessen Einhaltung von Brüssel streng kontrolliert werden soll.

    Gestern hat die EU-Kommission Griechenland unter Kuratel gestellt. Das Sparprogramm stößt in Griechenland auf massiven Widerstand. Es sieht Gehaltskürzungen für Beamte zwischen sechs und 25 Prozent vor, einen Einstellungsstopp, höhere Steuern auf Alkohol, Tabak und Benzin. Heute traten in Athen Zoll- und Finanzbeamte in einen Warnstreik und weitere Streiks wurden von zwei großen Gewerkschaften angekündigt.

    Am Telefon in Brüssel ist nun der FDP-Europaabgeordnete Wolf Klinz, Vorsitzender des Sonderausschusses zur Wirtschafts- und Finanzkrise. Guten Tag, Herr Klinz.

    Wolf Klinz: Ich grüße Sie, guten Tag.

    Spengler: Herr Klinz, für wie streng und für wie gut halten Sie die Brüsseler Aufsicht über Athen?

    Klinz: Ich glaube, dass man hier den richtigen Weg beschritten hat. Es ist in der Tat nicht mehr länger hinnehmbar, dass man sich von Griechenland täuschen lässt. Und das Programm, das die griechische Regierung vorgeschlagen hat, ist in der Tat sehr anspruchsvoll, aber gerade deshalb ist es wichtig, dass es streng kontrolliert wird. Denn sonst, fürchte ich, kriegen wir zwischenzeitlich Meldungen, dass alles gut läuft, und in zwei, drei Jahren stellen wir fest, dass wir wieder getäuscht worden sind.

    Spengler: Hat denn die EU das Instrumentarium für eine strenge Kontrolle?

    Klinz: Ich glaube, wir müssen hier noch einen Sonderweg beschreiten. Ich selber würde vorschlagen und habe das auch in den letzten Tagen schon getan, dass man so etwas wie einen Special Envoy, würde man auf Englisch sagen, auf Deutsch vielleicht einen Hohen Beauftragten nach Griechenland schickt, der tatsächlich vor Ort die Regierung unterstützt in dem, was sie zu tun hat, um sicherzustellen, dass die Fortschritte tatsächlich sich einstellen.

    Spengler: Das wäre dann ja so eine Art Sparkommissar, der allerdings ziemlich zahnlos wäre, wenn er nur beraten kann?

    Klinz: Na ja, ich glaube, das ist schon mehr als ein zahnloser Tiger. Sie dürfen nicht vergessen: Das ist ja oder wäre eine Premiere. Und das ist sicherlich auch für Griechenland schwer zu schlucken, denn es würde das erste Mal passieren, dass ein souveräner Mitgliedsstaat der Europäischen Union und der Euro-Zone hier tatsächlich unmittelbar in der eigenen Regierung einen Aufpasser aus Brüssel hätte.

    Aber nach allem, was passiert ist, nach Jahren der Täuschung, nach Korruption, Steuerhinterziehung und dergleichen, sehe ich keine andere Möglichkeit. Die Griechen müssen endlich verstehen, dass sie nicht so weiterwursteln können wie bisher. Und das, was Sie gerade angedeutet haben, dass die Zöllner in den Streik treten, dass die Leute auf die Straßen gehen, scheint ja zu belegen, dass die Griechen es immer noch nicht verstanden haben.

    Wenn man einer Euro-Zone, die nach ganz klaren Spielregeln arbeitet, beitritt, dann kann man nicht sagen, wir treten bei, aber gleichzeitig wirtschaften wir so weiter wie in der Vergangenheit. Die Möglichkeit der Währungsabwertung in regelmäßigen Abständen gibt es nicht mehr.

    Spengler: Was macht denn die EU, wenn die Griechen ihren Haushalt trotzdem nicht in den Griff kriegen, einfach weil die Menschen nicht mitmachen?

    Klinz: Ich glaube, dass der Druck jetzt so stark geworden ist, dass die Griechen alles daran setzen werden, sich selber aus dem Schlamassel zu holen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Griechenland das Image erleiden möchte, der erste und bisher einzige Staat zu sein, der quasi nachweislich und nachhaltig sich nicht für die Euro-Zone qualifiziert. Ich glaube, das würde auch den Stolz der Griechen zu sehr verletzen, sodass sie alles anstellen werden.

    Was ich nicht ausschließe, ist, dass die Griechen ihr anspruchsvolles Programm, was ja gestern grundsätzlich gebilligt worden ist, nicht in dem vorgesehenen Zeitraum umsetzen können. Das wäre zwar schade, aber ich würde mal sagen, das wäre weniger schlimm, als wenn sie von vornherein einfach die Hände heben und sagen, wir sind bankrott, wir schaffen es nicht.

    Spengler: Herr Klinz, jetzt könnte uns Griechenland ja herzlich egal sein, hätten wir nicht eine gemeinsame Währung.

    Klinz: Richtig, genau das!

    Spengler: Machen Sie sich Sorgen um den Euro?

    Klinz: Eigentlich nicht, denn rein wirtschaftlich betrachtet müssen wir ja schon einsehen, dass Griechenland für die Bedeutung der Euro-Zone nur einen relativ kleinen Prozentsatz darstellt. Mit anderen Worten: Es ist mehr eine psychologische Frage, denn eine real wirtschaftliche Frage. Das ist verglichen mit dem Rest der 330 Millionen Bürger, die in der Euro-Zone sich zusammengeschlossen haben, eine Art Skontogröße. Es wäre also so, als wenn der Staat New Jersey Not leidend wäre. Was anderes ist es, wenn der Staat Kalifornien Not leidend ist.

    Spengler: Nun sagt zum Beispiel der angesehene New Yorker Wirtschaftsprofessor Rubini, die Währungsunion wird auseinanderbrechen, weil es nicht bei Griechenland bleiben wird, sondern Irland dazu kommt, Portugal, vielleicht Spanien.

    Klinz: Na gut, die Währungsunion ist ja von einer Reihe von namhaften US-Ökonomen schon für tot erklärt worden, bevor sie überhaupt ins Leben gerufen wurde. Insofern soll man das auch nicht überschätzen. Aber der Herr Rubini hat in einem Punkt recht, und gerade deshalb ist es so entscheidend, dass wir ganz stark sind im Verhältnis zu Griechenland und uns nicht ausbremsen lassen und schon gar nicht mit Argumenten wie Solidarität und so weiter. Wir müssen am Fall Griechenland zeigen, dass wir auf der Einhaltung unserer Kriterien bestehen und dass nur ein sauberes Verhalten tatsächlich die Rechtfertigung dafür ist, dass man in die Euro-Zone kommt und dort bleibt. Denn sonst, wenn wir bei Griechenland nachgeben, dann - da hat Rubini recht - können die Dämme brechen und dann kommen natürlich auch die Iren und die Portugiesen und ich weiß nicht wer noch und sagen, warum Griechenland und nicht wir.

    Spengler: Hatten im Rückblick betrachtet jene Wirtschaftswissenschaftler recht, die immer gegen die Abschaffung der D-Mark gewettert haben, weil wir ja doch in Haftung genommen werden für unverantwortliche Politik anderswo?

    Klinz: Das wird die Zukunft zeigen, ob sie recht hatten, aber mit Sicherheit waren ihre Befürchtungen nicht völlig ungerechtfertigt und mit Sicherheit war es auch richtig, den Finger zu heben und zu sagen, Leute, wir brauchen tatsächlich eine solide Basis.

    Man hat ja geglaubt, mit dem Maastrichter Stabilitäts- und Wachstumspakt und den Maastrichter Kriterien tatsächlich diese Basis zu schaffen. Das ist natürlich schwer, eine einheitliche Geldpolitik, die der Stabilität verpflichtet ist, einzuführen und gleichzeitig die Fiskalpolitik und die Wirtschaftspolitik im Wesentlichen bei den Mitgliedsstaaten zu lassen. Das wird auf Dauer, fürchte ich, auch nicht so bleiben können.

    Ich glaube, auch wenn es vielen Mitgliedsstaaten nicht passt, dass wir in fünf, zehn oder meinetwegen auch 15 Jahren eine sehr viel engere Verzahnung auch der Wirtschaftspolitiken und möglicherweise auch der Fiskalpolitiken haben werden.

    Spengler: Danke schön!

    Klinz: Ich danke Ihnen! Einen schönen Tag.

    Spengler: Das war der FDP-Europaabgeordnete Wolf Klinz im Deutschlandfunk.