Archiv


SPD-Finanzexperte für Mehrwertsteuer-Erhöhung

Der SPD-Finanzexperte und schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner hat sich dafür ausgesprochen, die Mehrwertsteuer von 16 auf bis zu 20 Prozent anzuheben. Mit den Einnahmen sollten vor allem die Lohnnebenkosten gesenkt werden, sagte Stegner. Er regte zudem an, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, etwa für Lebensmittel und Medikamente, von derzeit sieben Prozent auf fünf Prozent zu reduzieren.

    Christine Heuer: Die Mehrwertsteuer wird so oder so erhöht. Das wissen die Menschen. So spricht der SPD-Finanzexperte Ralf Stegner, neuerdings Innenminister der großen Koalition in Schleswig-Holstein. Und er ist nicht nur, weil er ehrlich sein möchte, sondern auch weil er es für notwendig hält, für diese Erhöhung der Mehrwertsteuer. Schlechte Nachricht für die Bürger! Trotzdem guten Morgen nach Kiel, Herr Stegner.

    Ralf Stegner: Schönen guten Morgen Frau Heuer.

    Heuer: Wie viel Prozentpunkte dürfen es denn sein bei der Mehrwertsteuer?

    Stegner: Wir liegen ja in Europa ganz am Ende, was die Mehrwertsteuer angeht. Nur Luxemburg hat noch eine niedrigere. Ich schlage vor, den Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent auf den europäischen Durchschnitt, das heißt auf 19 bis 20 Prozent anzuheben, allerdings - und insofern ist das keine schlechte Nachricht für die Bürger - strikt zu dem Zweck, die Lohnnebenkosten zu senken, das heißt unsere Strafsteuer auf Arbeit abzusenken, etwas konkret für Arbeitsplätze zu tun. Und nebenbei bemerkt den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, also den für Grundbedürfnisse, der bei sieben Prozent liegt, den würde ich sogar auf fünf Prozent absenken, so dass die Geringverdiener, diejenigen, die am wenigsten haben, am Ende mehr in der Tasche haben und nicht weniger.

    Also das ist keine schlechte Nachricht für die Bürger, sondern das ist endlich mal etwas Konkretes, wie ich meine, um etwas für Arbeitsplätze zu tun, und es ist im Übrigen auch eine klare Alternative dazu, dass man das so bewerkstelligt, wie Union und FDP das wollen, nämlich indem ich den Kündigungsschutz abbaue oder indem ich die Mitbestimmung zurückführe oder den Flächentarifvertrag beseitige. Das taugt alles nichts meiner Meinung nach. Dies ist ein konkreter Schritt und die meisten Wissenschaftler geben mir übrigens Recht. Ich sage das ja schon länger und fast immer kann man inzwischen lesen, dass es der richtige Weg eigentlich ist.

    Heuer: Ja, aber Herr Stegner viele wichtige Politiker auch in der Union sind sicher nicht so weit davon entfernt, Ihnen Recht zu geben, denn die wollen auch die Lohnnebenkosten senken und erwägen gleichfalls eine Erhöhung der Mehrwertsteuer?

    Stegner: Ja, aber die sagen das in Teilen nur und meinen etwas ganz anderes. Entweder wollen sie damit Löcher in den Haushalten stopfen - dann hat das keinen Struktureffekt -, oder sie wollen, wie Frau Merkel das gestern angedeutet hat, damit die Senkung des Spitzensteuersatzes finanzieren, denn sie hat ja gesagt, die Steuern sollen insgesamt nicht steigen, oder aber sie wollen ihre Kopfpauschale im Gesundheitsbereich finanzieren, wo wir ja für eine Bürgerversicherung sind. Also das ist alles etwas anderes und der Chor ist sehr vielstimmig in der CDU. Dass die Mehrwertsteuererhöhung kommt, das ist klar. Das wissen die Bürger auch. Die meisten trauen sich, das nur vor den Wahlen nicht zu sagen. Und wie gesagt die wenigsten wollen es dann wirklich dafür nehmen, tatsächlich etwas gegen die Arbeitslosigkeit zu tun. All diese Ideen, die ich eben wiedergegeben habe, die Sie bei Union und FDP finden, die finde ich unsozial. Ich glaube wir müssen es wirklich dafür einsetzen, etwas für Arbeitsplätze zu tun, denn wir haben ja momentan die Situation, dass wir praktisch diejenigen bestrafen, die Arbeitsplätze erhalten, und die belohnen, die sie abbauen. Große Unternehmen versteuern ihre hohen Gewinne im Ausland und machen ihre Verluste in Deutschland steuerlich geltend. Das kann ja nicht der richtige Weg sein, sondern wir müssen die belohnen, gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, die also Arbeitsplätze erhalten.

    Heuer: Ja und jetzt reden wir aber über die Mehrwertsteuer, Herr Stegner. Sie haben gesagt die meisten geben nicht zu, dass es eine Mehrwertsteuererhöhung geben wird. Hans Eichel gibt das auch nicht zu. Er schließt das kategorisch aus.

    Stegner: Ja. Ich glaube auch in unseren Reihen herrscht so ein bisschen Angst vor dem Wähler, weil das eben als unsozial gilt und weil es auch schwer zu vermitteln ist. Es heißt dann immer nur, man sei für Steuererhöhungen. Deswegen muss man eben auch klar differenzieren und sagen, wofür man es nehmen möchte, und muss deutlich machen, dass der Normalverdiener und der Geringverdiener, wenn man das so veranstaltet, wie ich es eben gesagt habe, am Ende mehr in der Tasche hat und nicht weniger und dass die, die teuere Dinge konsumieren, die sich ein Auto kaufen, das 60 - 70.000 Euro kostet, es sich auch leisten können, drei bis vier Prozent mehr Mehrwertsteuer darauf zu bezahlen.

    Heuer: Aber die Mehrwertsteuer, Herr Stegner, müssen alle bezahlen nicht nur für Luxusgüter. Das heißt sie würde doch auch die nicht so Wohlhabenden treffen?

    Stegner: Ja, aber nur, wenn Sie vergessen, dass wie ich sagte für die Grundbedürfnisse alles so bleibt wie bisher. Mieten sind beispielsweise weiterhin steuerfrei. Ich würde für Medikamente, für Lebensmittel den ermäßigten Mehrwertsteuersatz sogar reduzieren, so dass die, die am wenigsten haben, nicht getroffen werden. Im Übrigen wissen Sie, wenn man das nicht tut, dann kommen irgendwann die großen Rentenkürzungen. Das ist auch eine Art und Weise, die höheren Alterseinkommen zu beteiligen, als wir das jetzt tun und scheint mir sozialer zu sein. Nebenbei bemerkt: Ich glaube sowieso, man darf die Bürger nicht für dümmer halten als sie sind. Ehrlichkeit vor Wahlen zahlt sich eher aus und wenn die SPD überhaupt eine Chance haben will bei diesen Bundestagswahlen, dann meine ich muss sie die Unterschiede zu Schwarz-Gelb ganz besonders herausstellen. Das könnte eben einer sein zu sagen, wir wollen nicht die Rechte für Arbeitnehmer verschlechtern, sondern wir wollen für Arbeit auf diesem Wege etwas tun, indem wir die Mehrwertsteuererhöhung dazu nutzen, diese Strafsteuer auf Arbeit in Deutschland, die höher ist als irgendwo sonst in Europa, abzusenken.

    Heuer: Gut. Das sagen einzelne Köpfe in der Union ganz genauso wie Sie, Herr Stegner, aber ich lass das mal stehen. Sie sagen, die CDU redet nur so, handelt dann aber anders.
    Etwas, womit Sie sicher einen Kontrast zu Schwarz-Gelb herstellen können, ist die so genannte Reichen-Steuer. Auch dafür sind Sie. Was ist denn das?

    Stegner: Ich schlage vor, dass wir nicht weiter die Spitzensteuersätze senken und gleichzeitig die mit den kleinen Einkommen belasten über Praxisgebühr und so etwas, sondern dass man denjenigen, die 500.000 Euro und mehr im Jahr bekommen, fünf Prozent Zuschlag auf die Einkommenssteuer zumutet. Das können die sehr wohl tun. Wissen Sie, die SPD hat doch auch einen Denkzettel bekommen in den ganzen letzten Wahlen, zweistellige Verluste im Bereich von Arbeitnehmern und denen, die um ihren Arbeitsplatz fürchten. Das Gerechtigkeitsthema ist doch eines, das wir auch bedienen müssen, und es ist nicht gerecht, wenn die, die die höchsten Einkommen haben und wirklich mehr Lasten tragen könnten, dieses nicht tun oder, wie Schwarz-Gelb das jetzt sogar verspricht, noch weiter die Steuern gesenkt bekommen. Das kann nicht richtig sein. Wenn wir zu wählen hätten in der SPD, was unseren Kurs angeht, wollen wir zurück zu Lafontaine oder machen wir Agenda 2010 pur, dann finde ich beides nicht richtig. Wir müssen das Thema soziale Gerechtigkeit stärker in den Vordergrund rücken und dieses ist etwas, was immerhin eine Milliarde Euro bringen könnte, wenn man das macht. Davon ist wirklich niemand zu toll betroffen. Ich glaube die könnten sich das auch leisten.

    Heuer: Ja, eine Milliarde Euro. Im Vergleich dazu bringt die Mehrwertsteuererhöhung bis zu 80 Milliarden Euro. Ist diese Reichen-Steuer nicht bloß Augenwischerei?

    Stegner: Ich glaube nicht, denn wenn sie die Menschen mitnehmen wollen bei den Sozialreformen, die ja wirklich schwierig genug sind, also all das, was da getan werden muss, um unsere alternde Gesellschaft und das alles verkraften zu können, dann spielt Gerechtigkeit schon eine Rolle, egal was da fiskalisch bei heraus kommt. Und im Übrigen wissen Sie ja, dass wir nicht nur für diese Reichen-Steuer sind, wie Sie das nennen, also den Zuschlag auf die Einkommenssteuer, sondern auch für eine gerechtere Erbschaftssteuer. Das heißt, dass die, die am meisten haben, auch mehr beitragen müssen und nicht immer diejenigen, die eh schon viel haben, es noch dazu kriegen. Schauen Sie wenn man als Volkspartei Erfolg bei Wahlen haben will, dann müssen sie die Millionen Normal- und Geringverdiener in den Blick nehmen. Bei denen müssen sie Mehrheiten holen und nicht bei denen, die die höchsten Einkommen haben.

    Heuer: Ralf Stegner, Innenminister in Schleswig-Holstein, SPD-Finanzexperte. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Stegner.

    Stegner: Schönen Dank Frau Heuer.