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SPD-Gesundheitsexperte befürwortet höhere Tabaksteuer

Friedbert Meurer: Die Deutschen rauchen weniger. Teils aus Einsicht, dass es schädlich und ungesund ist, aber wohl mehr noch, weil seit dem 1. März die Zigaretten teurer geworden sind. Dass weniger geraucht wird, hat auch zur Folge, dass weniger Tabaksteuern in den Staatssäckel fließen. Jetzt fordern selbst Abgeordnete der Regierungskoalition, doch besser darauf zu verzichten, Ende des Jahres und nächstes Jahr noch einmal die Tabaksteuer wie beschlossen anzuheben aus Angst dass dann noch weniger geraucht wird und noch weniger Steuern sprudeln. Am Telefon begrüße ich Klaus Kirschner, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Klaus Kirschner: Hallo, Herr Meurer.

    Meurer: Ist das nicht ziemlich bizarr, wenn sich Kollegen im Parlament wünschen, dass mehr geraucht wird?

    Kirschner: Es wird ja nicht weniger geraucht. Dieser Legende will ich gleich mal die Spitze nehmen. Was das Problem ist - und darauf wurde von den Gesundheitspolitikern von Anfang an hingewiesen -, ist, dass die Raucher - das gilt insbesondere für jüngere Menschen und für diejenigen mit niederen Einkünften - auf den so genannten Feinschnitt ausweichen. Der wird geringer besteuert, das ist das, wovon man die Zigaretten selber dreht. Es wird nicht weniger geraucht, sondern nur weniger fertige Zigaretten gekauft. Es wird auf Feinschnitt oder billigere Zigaretten ausgewichen.

    Meurer: Bedeutet das, dass das Ganze sogar ein doppelter Rückschlag ist? Es wird nicht weniger geraucht und es gibt trotzdem nicht mehr Steuer.

    Kirschner: Die Konsequenz ist folgende, ich will es jetzt mal sagen, da haben wir von Anfang an darauf hingewiesen und sind von Seiten der Gesundheitspolitik bei den Finanzpolitikern aller Fraktionen nicht auf Gehör gestoßen und das gilt dann für die Haushaltspolitiker genauso, dass wir gesagt haben, dass eine gleiche Besteuerung des Feinschnitts stattfinden muss. Und für mich als Gesundheitspolitiker - wenn es dazu führen würde, dass weniger geraucht würde, würde ich ja gerne in Kauf nehmen, dass die Steuereinnahmen sinken, denn man muss sich eines vorstellen, dass nach den Zahlen des deutschen Krebsforschungsinstituts ungefähr ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts Folgekosten von Rauchen sind. Nicht nur Todesfälle, sondern die gesamten Erkrankungen von Krebs bis Herz-Kreislauf-Erkrankungen und so weiter. Wenn man sich vorstellt, dass rund 100.000 Menschen vorzeitig, weil sie langjährige Raucher sind, sterben, dann macht das die Dimension deutlich. Deshalb muss in erster Linie versucht werden, dass die Menschen weniger rauchen und die Steuererhöhung soll ja dazu dienen, auch umzusteuern.

    Meurer: Wer genau stemmt sich denn dagegen, dass der Feinschnitt teurer wird?

    Kirschner: In erster Linie natürlich die Tabaklobby, die jetzt Feinschnitt herstellt. Es geschieht ja in dieser Republik nichts im luftleeren Raum, sondern hier geht es um massive Interessen. Das heißt, die Feinschnittindustrie profitiert davon, dass wir die Fertigzigaretten höher besteuert haben und jetzt wird das alles dazu genutzt, auch von der Tabaklobby, zu versuchen, diese geplanten Steuererhöhungen wieder zurückzudrehen.

    Meurer: Und die Lobby findet Gehör im Finanzausschuss und im Bundestag?

    Kirschner: Ich hoffe nicht und auch nicht, dass sie ausreichendes Gehör im Bundestag finden. Das wäre ein wirklicher Rückschlag für das Bemühen, dass wir die Menschen von diesem hohen Tabakkonsum ein Stück wegbekommen. Vor allen Dingen geht es um jüngere Menschen.

    Meurer: Sind Sie dafür, dass die Tabaksteuer wie vorgesehen am 1. Dezember und nächstes Jahr noch einmal im September angehoben wird?

    Kirschner: Selbstverständlich. Ohne wenn und aber. Und ich bin auch dafür, wenn dieser Trend sich abzeichnet, wie derzeit, deshalb muss die Diskussion wegkommen von der Frage der geringeren Steuereinnahmen sondern darauf gelenkt werden, dass mehr geraucht wird, insbesondere beim Feinschnitt, dann muss eben dementsprechend die Steuer dort erhöht werden.

    Meurer: War es eigentlich eine gute Idee gewesen, die Anhebung der Tabaksteuer daran zu koppeln, dass man dieses Geld für die Krankenkassen nehmen will und steht jetzt vor dem Problem, dass es auf einmal weniger Geld geworden ist?

    Kirschner: Wir haben es ja nicht direkt gekoppelt und es gibt keine zweckgebundenen Steuern, wir haben ausdrücklich im Gesetzestext festgelegt, dass eben klar und deutlich heißt, dieses Jahr eine Milliarde steigend bis 4,2 Milliarden und zwar unabhängig von den Tabaksteuereinkünften. Das heißt, wir haben eine unabhängige Kopplung und natürlich sind jetzt die Finanz- und Haushaltspolitiker, weil weniger Einnahmen reinkommen, auf dem Trip, jedenfalls teilweise, zu sagen, dass es wieder gekippt werden muss. Das wäre aus gesundheitspolitischer Sicht verheerend.

    Meurer: Und die Krankenkassen sollen ihr Geld bekommen?

    Kirschner: Natürlich, das ist auch Teil der Finanzierung.

    Meurer: Und wenn die Steuern nicht eingenommen werden, wo soll das Geld dann herkommen?

    Kirschner: Dann sage ich noch einmal: ich würde mich ja freuen, wenn wir weniger Steuereinnahmen hätten, wenn das mit weniger Rauchen gekoppelt wäre. Die Konsequenz ist dann die, dass eben der Feinschnitt höher besteuert werden muss.