"Mein Name ist Karin Kümmel, denke an den 22.09. und hoffe …" – "Ich auch!"
Da ist sie wieder, die Selbstironie – keine Fettnäpfchen mehr, kein Rumschnauzen – Peer Steinbrück lacht inzwischen auch über sich selbst, in diesem für die SPD doch so mühseligen Wahlkampf. Karin Kümmel aus dem rheinischen Hilden meint es aber jetzt ganz ernst:
"… hoffe, dass wir das gewinnen. Aber auf keinen Fall mit der Merkel zusammen, keine große Koalition, ich kann sie nicht mehr sehen!"
Karin Kümmels graue kleine Löckchen wippen wild durch die Luft. Die Sozialdemokratin ist eine von ein paar Hundert Rentnern, die morgens in der Stadthalle Hilden bei Wurst- und Käsebrötchen mit dem Kanzlerkandidaten diskutieren. Mindestlohn, Pflege, Energiewende und schließlich immer wieder die Frage nach den Machtoptionen der SPD. Peer Steinbrück nimmt es sportlich, er findet jetzt deutlicher als in den Monaten zuvor Gefallen am Wahlkampf.
"Johannes Rau hat mir eingebimst, ich bin ins Gelingen verliebt und nicht ins Scheitern."
Noch ein Genosse sitzt da vorne mit auf dem Podium und hält von einer großen Koalition nach der Bundestagswahl gar nichts:
"Ich hab das noch ein bisschen in der Großen Koalition miterlebt. Peer hat geklärt, was zu tun war, Merkel hat erklärt, wie das gehen soll",
sagt Franz Müntefering und guckt säuerlich. Es ist alles ein bisschen provinziell in Hilden. In der Stadthalle wird demnächst das Moskauer Katzentheater gastieren, und die Mikrofonanlage hat ihre besten Jahre hinter sich. Doch Peer Steinbrück und Franz Müntefering stört all das nicht, sie wollen hier - vor Ort in Steinbrücks Wahlkreis - Geschlossenheit demonstrieren: gemeinsam miteinander gegen Merkel.
"So ist das und es muss jetzt gut sein. Lass die nicht noch mal vier Jahre im Kreisverkehr in Deutschland rumrasen. Sie fährt schön vorsichtig, aber im Kreisverkehr, das reicht nicht …"
Für die SPD reicht es laut Umfragen aber auch nicht im Moment, erst recht nicht seit jener Blutgrätsche gegen die eigene Partei, mit der Müntefering neulich die Wahlkampagne der Genossen kritisierte. Da standen ihm noch die Haare zu Berge. Inzwischen war er beim Friseur, so frotzelt der Sauerländer nun an diesem Morgen. Die Botschaft. Alles geklärt. Der Ex-Parteichef will hier in Hilden ein bisschen was wieder gut machen:
"Ihm danke ich viel Unterstützung, Zuspruch, Motivation …"
So revanchiert sich Peer Steinbrück. Seinem Parteifreund Müntefering verdanke er vor allem
"sehr häufig einen sehr guten Rat, bis in jüngste Zeit. Herzlichen Dank."
Da hat sich also auch Müntefering mal ein Stück Beinfreiheit erlaubt, wer könnte das besser nachfühlen, als Peer Steinbrück.
Während der Kandidat sich nach einer Stunde Diskussion schließlich Autogramme schreibend durch die Menschenmenge zum Ausgang vorarbeitet, hält Müntefering hier noch ein Schwätzchen, und da einen Plausch. Dann kommt die Rede auf Sigmar Gabriel und plötzlich wird der Sauerländer schmallippig. Gibt es mit dem Parteichef auch noch gemeinsame Wahlkampftermine?
"Nein, hab ich nicht, nein … er ist ja auch als Parteivorsitzender unterwegs, an ganz vielen Stellen …"
Gefragt, ob er mit Gabriels Arbeit als Parteichef zufrieden sei, ist die Kürze der Antwort selbst bei einem Franz Müntefering bemerkenswert:
""Sind Sie denn eigentlich zufrieden mit Ihrem Parteichef?" – "Ja."
Volksfeststimmung dann am Abend auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz in Detmold, 200 Kilometer entfernt im Kreis Lippe. Der Kandidat ist schon wieder nicht allein. An seiner Seite der vielleicht stärkste Wahlkämpfer, den die SPD je hatte …
"Herzlich willkommen, Gerhard Schröder und Peer Steinbrück."
Das Ganze heißt Klartext Open Air Tour. Über 4000 Menschen tummeln sich entlang der kreisrunden Bühne. Es gibt Detmolder Landbier, Rostbratwurst mit ordentlich Senf und eine dicke Portion Solidarität vom Altkanzler für den umfragegeschwächten Steinbrück. 2005 sei es ihm auch so ergangen, erinnert sich Schröder, als alle sagten:
"Schröder, Du brauchst gar nicht mehr antreten, das ist doch gelaufen gegen euch. Genau wie jetzt. Deswegen sage ich: vorsichtig. Es sind noch vier Wochen Zeit. Und wenn Sie mir erlauben – auch nicht schlecht …"
Ein Gutes Timing der Kirchturmuhr - das gefällt Schröder. Gleich wird er gegen die Kanzlerin keilen und ihr vorwerfen, die Kosten der Eurokrise zu vertuschen. Für Steinbrück wählt Schröder dann ungewohnt poetische Worte, ein Gedicht von Heine.
"Und ich finde, Peer, du bist ein guter Tambur, also schlage die Trommel und fürchte Dich nicht … "
"Herzlichen Dank, Gerd!"
Schröder und Steinbrück geben ein gutes Gespann ab. Hände schüttelnd durch die Menge, der Altkanzler braun gebrannt im hellen Sommeranzug, der Kandidat im dunklen Zweiteiler. Als der Protest einiger Hartz IV-Gegner immer lauter wird, zeigt sich nun Steinbrück solidarisch:
"Pfeifen passen manchmal zu Pfeifen, da ist etwas dran."
Da feixt auch Gerhard Schröder, und noch einmal werfen er und Steinbrück sich schließlich beim Thema Steuern die Bälle zu.es bleibe dabei, die SPD wolle die Abgaben nicht für alle, aber für ein paar Bürger erhöhen …
"Davon sind 95 Prozent der Bürger nicht betroffen. Fünf Prozent, ja. Also Gerd und ich, ja. Was sagst Du, Du willst Schweiz?"- "Ich wähle trotzdem SPD." – "Gerhard Schröder sagt, er wählt trotzdem SPD … er kennt seine Verantwortung."
"An Tagen wie diesen" - der Abend endet mit den Toten Hosen. Eine Siegeshymne aus dem Jahr der letzten Fußball-EM. Vor dem Abpfiff dürfe jetzt kein Spieler, respektive Sozialdemokrat darüber nachdenken, ob er hinter her eine Dusche oder ein Vollbad nehme, so hat Franz Müntefering am Morgen mitgewarnt. Stattdessen will die SPD jetzt kämpfen, wenn möglich mit - und nicht gegeneinander.
Da ist sie wieder, die Selbstironie – keine Fettnäpfchen mehr, kein Rumschnauzen – Peer Steinbrück lacht inzwischen auch über sich selbst, in diesem für die SPD doch so mühseligen Wahlkampf. Karin Kümmel aus dem rheinischen Hilden meint es aber jetzt ganz ernst:
"… hoffe, dass wir das gewinnen. Aber auf keinen Fall mit der Merkel zusammen, keine große Koalition, ich kann sie nicht mehr sehen!"
Karin Kümmels graue kleine Löckchen wippen wild durch die Luft. Die Sozialdemokratin ist eine von ein paar Hundert Rentnern, die morgens in der Stadthalle Hilden bei Wurst- und Käsebrötchen mit dem Kanzlerkandidaten diskutieren. Mindestlohn, Pflege, Energiewende und schließlich immer wieder die Frage nach den Machtoptionen der SPD. Peer Steinbrück nimmt es sportlich, er findet jetzt deutlicher als in den Monaten zuvor Gefallen am Wahlkampf.
"Johannes Rau hat mir eingebimst, ich bin ins Gelingen verliebt und nicht ins Scheitern."
Noch ein Genosse sitzt da vorne mit auf dem Podium und hält von einer großen Koalition nach der Bundestagswahl gar nichts:
"Ich hab das noch ein bisschen in der Großen Koalition miterlebt. Peer hat geklärt, was zu tun war, Merkel hat erklärt, wie das gehen soll",
sagt Franz Müntefering und guckt säuerlich. Es ist alles ein bisschen provinziell in Hilden. In der Stadthalle wird demnächst das Moskauer Katzentheater gastieren, und die Mikrofonanlage hat ihre besten Jahre hinter sich. Doch Peer Steinbrück und Franz Müntefering stört all das nicht, sie wollen hier - vor Ort in Steinbrücks Wahlkreis - Geschlossenheit demonstrieren: gemeinsam miteinander gegen Merkel.
"So ist das und es muss jetzt gut sein. Lass die nicht noch mal vier Jahre im Kreisverkehr in Deutschland rumrasen. Sie fährt schön vorsichtig, aber im Kreisverkehr, das reicht nicht …"
Für die SPD reicht es laut Umfragen aber auch nicht im Moment, erst recht nicht seit jener Blutgrätsche gegen die eigene Partei, mit der Müntefering neulich die Wahlkampagne der Genossen kritisierte. Da standen ihm noch die Haare zu Berge. Inzwischen war er beim Friseur, so frotzelt der Sauerländer nun an diesem Morgen. Die Botschaft. Alles geklärt. Der Ex-Parteichef will hier in Hilden ein bisschen was wieder gut machen:
"Ihm danke ich viel Unterstützung, Zuspruch, Motivation …"
So revanchiert sich Peer Steinbrück. Seinem Parteifreund Müntefering verdanke er vor allem
"sehr häufig einen sehr guten Rat, bis in jüngste Zeit. Herzlichen Dank."
Da hat sich also auch Müntefering mal ein Stück Beinfreiheit erlaubt, wer könnte das besser nachfühlen, als Peer Steinbrück.
Während der Kandidat sich nach einer Stunde Diskussion schließlich Autogramme schreibend durch die Menschenmenge zum Ausgang vorarbeitet, hält Müntefering hier noch ein Schwätzchen, und da einen Plausch. Dann kommt die Rede auf Sigmar Gabriel und plötzlich wird der Sauerländer schmallippig. Gibt es mit dem Parteichef auch noch gemeinsame Wahlkampftermine?
"Nein, hab ich nicht, nein … er ist ja auch als Parteivorsitzender unterwegs, an ganz vielen Stellen …"
Gefragt, ob er mit Gabriels Arbeit als Parteichef zufrieden sei, ist die Kürze der Antwort selbst bei einem Franz Müntefering bemerkenswert:
""Sind Sie denn eigentlich zufrieden mit Ihrem Parteichef?" – "Ja."
Volksfeststimmung dann am Abend auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz in Detmold, 200 Kilometer entfernt im Kreis Lippe. Der Kandidat ist schon wieder nicht allein. An seiner Seite der vielleicht stärkste Wahlkämpfer, den die SPD je hatte …
"Herzlich willkommen, Gerhard Schröder und Peer Steinbrück."
Das Ganze heißt Klartext Open Air Tour. Über 4000 Menschen tummeln sich entlang der kreisrunden Bühne. Es gibt Detmolder Landbier, Rostbratwurst mit ordentlich Senf und eine dicke Portion Solidarität vom Altkanzler für den umfragegeschwächten Steinbrück. 2005 sei es ihm auch so ergangen, erinnert sich Schröder, als alle sagten:
"Schröder, Du brauchst gar nicht mehr antreten, das ist doch gelaufen gegen euch. Genau wie jetzt. Deswegen sage ich: vorsichtig. Es sind noch vier Wochen Zeit. Und wenn Sie mir erlauben – auch nicht schlecht …"
Ein Gutes Timing der Kirchturmuhr - das gefällt Schröder. Gleich wird er gegen die Kanzlerin keilen und ihr vorwerfen, die Kosten der Eurokrise zu vertuschen. Für Steinbrück wählt Schröder dann ungewohnt poetische Worte, ein Gedicht von Heine.
"Und ich finde, Peer, du bist ein guter Tambur, also schlage die Trommel und fürchte Dich nicht … "
"Herzlichen Dank, Gerd!"
Schröder und Steinbrück geben ein gutes Gespann ab. Hände schüttelnd durch die Menge, der Altkanzler braun gebrannt im hellen Sommeranzug, der Kandidat im dunklen Zweiteiler. Als der Protest einiger Hartz IV-Gegner immer lauter wird, zeigt sich nun Steinbrück solidarisch:
"Pfeifen passen manchmal zu Pfeifen, da ist etwas dran."
Da feixt auch Gerhard Schröder, und noch einmal werfen er und Steinbrück sich schließlich beim Thema Steuern die Bälle zu.es bleibe dabei, die SPD wolle die Abgaben nicht für alle, aber für ein paar Bürger erhöhen …
"Davon sind 95 Prozent der Bürger nicht betroffen. Fünf Prozent, ja. Also Gerd und ich, ja. Was sagst Du, Du willst Schweiz?"- "Ich wähle trotzdem SPD." – "Gerhard Schröder sagt, er wählt trotzdem SPD … er kennt seine Verantwortung."
"An Tagen wie diesen" - der Abend endet mit den Toten Hosen. Eine Siegeshymne aus dem Jahr der letzten Fußball-EM. Vor dem Abpfiff dürfe jetzt kein Spieler, respektive Sozialdemokrat darüber nachdenken, ob er hinter her eine Dusche oder ein Vollbad nehme, so hat Franz Müntefering am Morgen mitgewarnt. Stattdessen will die SPD jetzt kämpfen, wenn möglich mit - und nicht gegeneinander.