Dienstag, 16. April 2024

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SPD ist in einer "selten komfortablen Ausgangssituation im Verhältnis zur CDU"

Neuwahlen wären die sauberste Lösung für die Regierungskrise im Saarland, meint der SPD-Bundestagsabgeordnete Ottmar Schreiner. Doch zuvor wollen die Sozialdemokraten "ernsthaft und ergebnisoffen" mit der CDU sprechen.

Das Gespräch führte Tobias Armbrüster | 09.01.2012
    Tobias Armbrüster: Wir blicken auf die Politik im Saarland.

    O-Ton Patrick Döring: " Also zunächst muss man das Stilempfinden der Frau Ministerpräsidentin schon als merkwürdig empfinden. Unser Landesvorsitzender, der Kollege Luksic, befand sich bei der Entbindung seiner Frau im Kreissaal, der grüne Koalitionspartner war ebenfalls ausschließlich über SMS beziehungsweise die DPA-Meldung informiert worden. Das ist alles ein Umgang miteinander, der zeigt, dass ganz offensichtlich die Frau Ministerpräsidentin mit dem Managing einer Dreierkonstellation, wie es nun mal eine Jamaika-Koalition ist, heillos überfordert war."

    Armbrüster: So weit der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Bei der FDP im Saarland ist die Ernüchterung groß nach dem Platzen der Jamaika-Koalition im Landtag von Saarbrücken. Die Freien Demokraten sitzen dort ab heute auf der Oppositionsbank und bei Neuwahlen müssten sie sich Sorgen machen um einen Wiedereinzug ins Parlament. Die SPD dagegen verspürt Aufwind, Landeschef Heiko Maas hat schon übers Wochenende signalisiert, dass seine Partei jetzt grundsätzlich bereit sei für eine schwarz-rote Koalition. Alle Parteien im Saarbrücker Landtag haben am Vormittag über das weitere Vorgehen beraten.

    Mitgehört hat Ottmar Schreiner, SPD-Bundestagsabgeordneter aus dem Saarland. Schönen guten Tag, Herr Schreiner.

    Ottmar Schreiner: Ja, guten Tag, hallo.

    Armbrüster: Herr Schreiner, Sie sind bekannt als Parteilinker bei der SPD. Wie groß sind Ihre Bauchschmerzen bei einem Bündnis mit der Union?

    Schreiner: Von einem Bündnis mit der Union kann ja jedenfalls zurzeit nicht gesprochen werden. Wir haben uns darüber verständigt, im Landesvorstand jetzt am Wochenende, dass das Gesprächsangebot ernst genommen wird. Alles andere wäre auch Kinderei, wir sind hier nicht im Kindergarten mit Trotzreaktionen. Die Gespräche werden geführt und danach wird man weiter sehen.

    Armbrüster: Laut Umfragen liegt die SPD im Saarland ja vorn. Warum sollte Ihre Partei Juniorpartner werden?

    Schreiner: Die Frage kann ich Ihnen nicht so recht beantworten. Die SPD ist in einer selten komfortablen Ausgangssituation im Verhältnis zur CDU. Fangen wir bei der CDU an: Die CDU hat als denkbaren Koalitionspartner nur noch die SPD. Die SPD hat eine ganze Breite von denkbaren Koalitionspartnern und ist insoweit in einer deutlich günstigeren Situation. Die Umfragen, die wir zuletzt hatten, sahen die SPD vorne. Und insoweit müsste es schon ganz, ganz wichtige Gründe geben, wenn es im Rahmen dieser Wahlperiode zu einer Großen Koalition mit der SPD als Juniorpartner kommt. Ich sehe diese gewichtigen Gründe zurzeit jedenfalls noch nicht.

    Armbrüster: Was für Zugeständnisse fordern Sie denn von der Union?

    Schreiner: Das wird man bei uns beraten. Wir haben beschlossen am Wochenende, dass von Seiten des Präsidiums der SPD noch mal das Wahlprogramm durchgemustert wird. Inzwischen sind ja fast zweieinhalb Jahre ins Land gegangen, da wird das eine oder andere nicht mehr ganz so aktuell sein. Und dann werden im Laufe der Woche die einzelnen Positionen von uns konkretisiert werden.

    Armbrüster: Da gibt es noch keine genauen Punkte, die Sie uns heute nennen können hier im Deutschlandfunk?

    Schreiner: Es gibt keine definitiven Punkte, die ich jetzt zurzeit nennen könnte.

    Armbrüster: Nun lassen Sie uns mal spekulieren. Angenommen, Sie gehen in eine Koalition mit der Union ein, was ja jetzt nun wirklich nicht das unwahrscheinlichste Szenario ist. Was soll das für eine Koalition werden, wenn in zwei Jahren schon wieder gewählt wird? Das wäre doch ein Regierungsbündnis sozusagen im Dauerwahlkampf.

    Schreiner: Das wäre möglicherweise ein Regierungsbündnis im Dauerwahlkampf. Deshalb, ich kann mich hier nur wiederholen. Es müsste äußerst gewichtige Gründe geben, so zu verfahren. Ich sehe diese Gründe zurzeit nicht. Ich habe aus meiner Meinung ja auch keinen Hehl gemacht, dass ich zwar Gespräche für vernünftig halte. Alles andere, haben wir auch nie gesagt, wäre ein kindisches Verhalten. Gleichwohl bin ich der Meinung, dass Neuwahlen die sauberste Lösung wären, weil die Bürgerinnen und Bürger dann die Chance hätten, an der Neugestaltung und Neuformierung der Politik hier an der Saar aktiv mitzuwirken.

    Armbrüster: Und dann würden Sie sich stark machen für ein rot-rot-grünes Bündnis in Saarbrücken?

    Schreiner: Na gut, welche Koalition dann in Frage kommt, hängt natürlich wesentlich auch vom Ergebnis ab. Da würde ich mich zurzeit sehr zurückhalten. Da müsste man schon den Wähler hinreichend respektieren, dass er dann das Sagen hat.

    Armbrüster: Na ja, gut. Aber eine Koalitionsaussage wäre ja zumindest hilfreich in so einem Wahlkampf.

    Schreiner: Gut. Die wird man aber jetzt nicht auf der grünen Wiese verkünden. Das wird man intern sehr sorgfältig beraten, je nachdem, wie man die Perspektiven sieht. Jetzt, wo noch nicht einmal mehr feststeht, ob und wann es eventuell zu Neuwahlen kommt, über den übernächsten Schritt zu spekulieren, halte ich nun für völlig verfrüht.

    Armbrüster: Wie viel Unterstützung glauben Sie, dass Sie für Ihre Position innerhalb der saarländischen SPD haben, Herr Schreiner?

    Schreiner: Meine Position ist ja keine isolierte Position. Wenn man es bei Lichte sieht, ist das im Augenblick eher der allgemeine Standpunkt. Man kann das in zwei Sätzen zusammenfassen: Wir wollen Gespräche führen, wir wollen diese Gespräche ernsthaft führen, wir wollen sie möglicherweise auch ergebnisoffen führen. Wenn aber die Gespräche zu keinen befriedigenden oder guten Ergebnissen führen, dann sind Neuwahlen unverzichtbar. Ich glaube, das ist eher die Generallinie der Partei. Deshalb könnte es zu Differenzen kommen in einer späteren Phase, dem will ich aber nicht vorgreifen, wenn es um die Bewertung der Gesprächsergebnisse geht. So weit sind wir aber noch nicht.

    Armbrüster: Das heißt, Sie sehen da auch keine Differenz zu Ihrem Landesvorsitzenden Heiko Maas, der ja schon offen signalisiert hat, dass er für ein Bündnis bereit ist?

    Schreiner: Ich weiß nicht, wo dieses Signal empfangen worden ist. Ich habe dieses Signal bisher so nicht gesehen oder gehört. Das war eben auch in der Kommentierung Ihres Senders etwas widersprüchlich, wenn gesagt worden ist, es steht in den Sternen, ob die Sondierungsgespräche zu einer Koalition führen, das stünde auf einem anderen Blatt, war dieses Zitat. Auf der anderen Seite wurde gesagt, dass der Landesvorsitzende der SPD zum Wohl des Landes zu einer Koalition bereit wäre. Beides zusammen kann nicht richtig sein. Ich verlasse mich mal auf die Positionen, wie sie in den Gremien formuliert worden sind. Ich habe keinen Zweifel, dass das so auch ist. Und nochmals: da ist gesagt worden, wir werden diese Gespräche führen, wir werden sie ernsthaft führen, wir werden sie ergebnisoffen führen, aber wenn sie zu keinem guten Ergebnis führen, dann stehen Neuwahlen auf der Agenda.

    Armbrüster: Das heißt, die CDU im Saarland muss sich jetzt erst mal warm anziehen?

    Schreiner: Die muss sich jetzt sehr, sehr warm anziehen. Warm anziehen alleine reicht bei den aktuellen Witterungsbedingungen nicht.

    Armbrüster: …, sagt der saarländische SPD-Bundestagsabgeordnete Ottmar Schreiner hier bei uns im Deutschlandfunk. Besten Dank, Herr Schreiner, für das Interview.

    Schreiner: Ja, bitte schön.

    Armbrüster: Auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.