Dreßen: Guten Morgen, Frau Durak.
Durak: Herr Dreßen, wie weit geht denn die SPD-Linke, so weit wie die Gewerkschaft IG Metall beispielsweise, die heute morgen groß Demonstrationen gegen die Politik von Gerhard Schröder angekündigt hat?
Dreßen: Nein, so weit gehen wir sicherlich nicht. Man muss ja sehen, Gerhard Schröder hat versucht, eine Konzeption für die Zukunft vorzulegen. Dass die Gewerkschaften und auch bei uns einige große Probleme damit haben, insbesondere mit dem Streichen des Krankengeldes oder beim Kündigungsschutz kann man vielleicht akzeptieren, aber das andere Thema ist natürlich die Streichung beim Arbeitslosengeld. Dass man darüber nachdenkt, ob es vielleicht bessere Möglichkeiten gibt, dürfte wohl klar sein.
Durak: Worin könnte denn dieses Nachdenken münden, Herr Dreßen?
Dreßen: Wir müssen natürlich sehen, dass jetzt hier praktisch Arbeitslosengeldbezieher, also Menschen, die nicht viel Geld haben, geschröpft werden und wir müssen auf der anderen Seite sehen, dass beim Krankengeld Menschen getroffen werden, die das dringend zum Lebensunterhalt brauchen. Jetzt muss man sich vorstellen, dass es vielleicht bei den normalen Krankenkassen, wo man sich zusätzlich versichern kann, eine Versicherung gibt, ok. Wenn es so läuft, auf diesem Wege, könnte ich mir vorstellen, dass selbst auch wir da mitziehen können.
Durak: Der Kanzler hatte ja gesagt: es wird nicht mehr diskutiert, ob, es wird höchstens noch darüber beraten, wie. Welche Hoffnungen machen Sie sich denn, dass die Linken innerhalb der SPD, zu denen wir Sie ja zählen, durchsetzen?
Dreßen: Das wird jetzt ein Prozess wie bei jedem Gesetz. Es wird von der Regierung oder dem entsprechenden Ministerium ein Gesetzesentwurf gemacht, da gibt es Anhörungen und Diskussionen, es muss eingebracht werden. Dass es dabei sicherlich die ein oder andere Änderung gibt, ist für mich auch klar, denn da gilt auch das Strucksche Gesetz, dass ein Gesetz nie so rauskommt wie es am Anfang reingeht. Da hoffen wir schon, dass da noch das ein oder andere verändert werden kann.
Durak: Hoffnung allein genügt nicht, Herr Dreßen. Wie wollen Sie denn Druck auf den Kanzler ausüben?
Dreßen: Ich glaube, wir können so etwas nur gemeinsam machen. Ich will gar keine Dinge ankündigen wie jetzt die IG Metall mit Kundgebungen - es ist das gute Recht der Gewerkschaften, dass sie gegen Vorstellungen, die sie falsch findet, demonstriert - aber wir sind Parlamentarier und haben auf das Ganze zu schauen und deswegen finde ich, muss man in Gesprächen versuchen, etwas gemeinsam zu entwickeln, womit alle leben können.
Durak: Was ist denn, Herr Dreßen, von solchen Äußerungen zu halten, wie wir sie von Herrn von Larcher hören, der meint, er unterstütze die Position von Oskar Lafontaine und der liege eben nicht falsch mit seiner Einschätzung, dass es an das Eingemachte der Partei gehe.
Dreßen: Das halte ich ein wenig für überzogen, aber generell muss man schon sagen, dass es für uns wehtut. Aber auf der anderen Seite muss man sehen: wir brauchen auf diesem Gebiet Reformen, wir werden eine Gesellschaft, die einfach immer mehr alte Menschen hat und dem muss man Rechnung tragen. Das sehe ich auch, aber man muss auch schauen, dass die soziale Waage nicht verletzt wird und im Moment sehe ich die eben doch verletzlich und deswegen müssen wir mal schauen, was bei den ganzen Beratungen rauskommen wird. Wir werden jedenfalls dafür kämpfen, dass die soziale Gerechtigkeit nicht unter den Tisch fällt.
Durak: Könnte es nicht sein, Herr Dreßen, dass wenn Sie miteinander diskutieren unterdessen aber die Gewerkschaften auf die Straße gehen und die Leute mobilisieren, dass Ihnen das Ganze entgleitet?
Dreßen: Nein, das glaube ich nicht. Im Gegenteil, ich glaube, dass das unsere Verhandlungen erleichtert, wenn wir von außen noch Unterstützung bekommen. Das sehe ich so, aber dass es uns entgleitet glaube ich nicht. Wir müssen schauen, dass wir hier gemeinsam die gesamte SPD-Fraktion etwas hinbekommen, wo der Bürger dann auch sieht: Jawoll, die wollen reformieren, die wollen was verändern für die Zukunft und wenn das gelingt, meine ich, geht es auch mit der SPD wieder aufwärts.
Durak: Das ist also so eine Art konzertierte Aktion, abgesprochen oder unabgesprochen. Die SPD-Linke versucht es mit guten Worten und die Gewerkschaften mit Druck von der Straße.
Dreßen: So kann man das vielleicht sehen, ja.
Durak: Wie groß ist denn der Kreis innerhalb der SPD-Bundestagsabgeordneten und darüber hinaus, die wir zu den so genannten Linken zählen sollen oder dürfen?
Dreßen: Das ist unterschiedlich, es ist vielleicht auch verkehrt, dass man sagt 'die Linken', es gibt auch manchmal bei Dachthemen Abgeordnete, die mit uns gemeinsam was machen. Ich würde schon sagen, dass es ein gutes Drittel der Fraktion ist, die sich zu dieser Linie rechnet.
Durak: Droht die Spaltung der Fraktion, wenn es ernst wird?
Dreßen: Das glaube ich nicht, nein. Wir haben signalisiert, dass wir hier gemeinsam etwas machen wollen, deswegen bin ich überzeugt, dass wir zusammenbleiben. Alles andere wäre ja auch tödlich für uns.
Durak: Sind Sie denn zufrieden mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden, der ja eigentlich ein Gegenpart wäre zum Reformkanzler, sich aber inzwischen anders äußert?
Dreßen: Ich weiß nicht, ob man einen Gegenpart zum Kanzler braucht. Der Kanzler hat uns die Richtung vorgegeben und jetzt müssen wir versuchen, das auszubauen und für alle etwas hinzubekommen, hinter dem wir stehen können. Wenn nur einer sagt: So geht es, nicht anders und da wird nichts mehr geändert, wird es sicherlich schwierig werden. Franz Müntefering versucht natürlich, die ganze Fraktion mitzunehmen, das ist auch seine Pflicht, zu versuchen, alle in ein Boot zu bekommen.
Durak: Das war Peter Dreßen, SPD-Bundestagsabgeordneter. Herzlichen Dank für das Gespräch.
Dreßen: Bitteschön.
Link: Mehr zum Thema
Link: Interview als RealAudio
Durak: Herr Dreßen, wie weit geht denn die SPD-Linke, so weit wie die Gewerkschaft IG Metall beispielsweise, die heute morgen groß Demonstrationen gegen die Politik von Gerhard Schröder angekündigt hat?
Dreßen: Nein, so weit gehen wir sicherlich nicht. Man muss ja sehen, Gerhard Schröder hat versucht, eine Konzeption für die Zukunft vorzulegen. Dass die Gewerkschaften und auch bei uns einige große Probleme damit haben, insbesondere mit dem Streichen des Krankengeldes oder beim Kündigungsschutz kann man vielleicht akzeptieren, aber das andere Thema ist natürlich die Streichung beim Arbeitslosengeld. Dass man darüber nachdenkt, ob es vielleicht bessere Möglichkeiten gibt, dürfte wohl klar sein.
Durak: Worin könnte denn dieses Nachdenken münden, Herr Dreßen?
Dreßen: Wir müssen natürlich sehen, dass jetzt hier praktisch Arbeitslosengeldbezieher, also Menschen, die nicht viel Geld haben, geschröpft werden und wir müssen auf der anderen Seite sehen, dass beim Krankengeld Menschen getroffen werden, die das dringend zum Lebensunterhalt brauchen. Jetzt muss man sich vorstellen, dass es vielleicht bei den normalen Krankenkassen, wo man sich zusätzlich versichern kann, eine Versicherung gibt, ok. Wenn es so läuft, auf diesem Wege, könnte ich mir vorstellen, dass selbst auch wir da mitziehen können.
Durak: Der Kanzler hatte ja gesagt: es wird nicht mehr diskutiert, ob, es wird höchstens noch darüber beraten, wie. Welche Hoffnungen machen Sie sich denn, dass die Linken innerhalb der SPD, zu denen wir Sie ja zählen, durchsetzen?
Dreßen: Das wird jetzt ein Prozess wie bei jedem Gesetz. Es wird von der Regierung oder dem entsprechenden Ministerium ein Gesetzesentwurf gemacht, da gibt es Anhörungen und Diskussionen, es muss eingebracht werden. Dass es dabei sicherlich die ein oder andere Änderung gibt, ist für mich auch klar, denn da gilt auch das Strucksche Gesetz, dass ein Gesetz nie so rauskommt wie es am Anfang reingeht. Da hoffen wir schon, dass da noch das ein oder andere verändert werden kann.
Durak: Hoffnung allein genügt nicht, Herr Dreßen. Wie wollen Sie denn Druck auf den Kanzler ausüben?
Dreßen: Ich glaube, wir können so etwas nur gemeinsam machen. Ich will gar keine Dinge ankündigen wie jetzt die IG Metall mit Kundgebungen - es ist das gute Recht der Gewerkschaften, dass sie gegen Vorstellungen, die sie falsch findet, demonstriert - aber wir sind Parlamentarier und haben auf das Ganze zu schauen und deswegen finde ich, muss man in Gesprächen versuchen, etwas gemeinsam zu entwickeln, womit alle leben können.
Durak: Was ist denn, Herr Dreßen, von solchen Äußerungen zu halten, wie wir sie von Herrn von Larcher hören, der meint, er unterstütze die Position von Oskar Lafontaine und der liege eben nicht falsch mit seiner Einschätzung, dass es an das Eingemachte der Partei gehe.
Dreßen: Das halte ich ein wenig für überzogen, aber generell muss man schon sagen, dass es für uns wehtut. Aber auf der anderen Seite muss man sehen: wir brauchen auf diesem Gebiet Reformen, wir werden eine Gesellschaft, die einfach immer mehr alte Menschen hat und dem muss man Rechnung tragen. Das sehe ich auch, aber man muss auch schauen, dass die soziale Waage nicht verletzt wird und im Moment sehe ich die eben doch verletzlich und deswegen müssen wir mal schauen, was bei den ganzen Beratungen rauskommen wird. Wir werden jedenfalls dafür kämpfen, dass die soziale Gerechtigkeit nicht unter den Tisch fällt.
Durak: Könnte es nicht sein, Herr Dreßen, dass wenn Sie miteinander diskutieren unterdessen aber die Gewerkschaften auf die Straße gehen und die Leute mobilisieren, dass Ihnen das Ganze entgleitet?
Dreßen: Nein, das glaube ich nicht. Im Gegenteil, ich glaube, dass das unsere Verhandlungen erleichtert, wenn wir von außen noch Unterstützung bekommen. Das sehe ich so, aber dass es uns entgleitet glaube ich nicht. Wir müssen schauen, dass wir hier gemeinsam die gesamte SPD-Fraktion etwas hinbekommen, wo der Bürger dann auch sieht: Jawoll, die wollen reformieren, die wollen was verändern für die Zukunft und wenn das gelingt, meine ich, geht es auch mit der SPD wieder aufwärts.
Durak: Das ist also so eine Art konzertierte Aktion, abgesprochen oder unabgesprochen. Die SPD-Linke versucht es mit guten Worten und die Gewerkschaften mit Druck von der Straße.
Dreßen: So kann man das vielleicht sehen, ja.
Durak: Wie groß ist denn der Kreis innerhalb der SPD-Bundestagsabgeordneten und darüber hinaus, die wir zu den so genannten Linken zählen sollen oder dürfen?
Dreßen: Das ist unterschiedlich, es ist vielleicht auch verkehrt, dass man sagt 'die Linken', es gibt auch manchmal bei Dachthemen Abgeordnete, die mit uns gemeinsam was machen. Ich würde schon sagen, dass es ein gutes Drittel der Fraktion ist, die sich zu dieser Linie rechnet.
Durak: Droht die Spaltung der Fraktion, wenn es ernst wird?
Dreßen: Das glaube ich nicht, nein. Wir haben signalisiert, dass wir hier gemeinsam etwas machen wollen, deswegen bin ich überzeugt, dass wir zusammenbleiben. Alles andere wäre ja auch tödlich für uns.
Durak: Sind Sie denn zufrieden mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden, der ja eigentlich ein Gegenpart wäre zum Reformkanzler, sich aber inzwischen anders äußert?
Dreßen: Ich weiß nicht, ob man einen Gegenpart zum Kanzler braucht. Der Kanzler hat uns die Richtung vorgegeben und jetzt müssen wir versuchen, das auszubauen und für alle etwas hinzubekommen, hinter dem wir stehen können. Wenn nur einer sagt: So geht es, nicht anders und da wird nichts mehr geändert, wird es sicherlich schwierig werden. Franz Müntefering versucht natürlich, die ganze Fraktion mitzunehmen, das ist auch seine Pflicht, zu versuchen, alle in ein Boot zu bekommen.
Durak: Das war Peter Dreßen, SPD-Bundestagsabgeordneter. Herzlichen Dank für das Gespräch.
Dreßen: Bitteschön.
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