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SPD-Linke gegen Steinbrücks Pläne zur Unternehmenssteuerreform

In der SPD-Bundestagsfraktion formiert sich Widerstand gegen die bisherigen Pläne zur Unternehmenssteuerreform. Dauerhaft um fünf Milliarden Euro niedrigere Staatseinnahmen pro Jahr, wie in einigen Berechnungen ausgewiesen, würden die Finanzpolitiker seiner Partei nicht mittragen, sagte Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der parlamentarischen Linken der SPD.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Im Parteirat der SPD soll es gestern ziemlich gekracht haben. Es gab Streit zwischen den Parteilinken und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Der gilt eigentlich als einer der Vorzeige-Sozialdemokraten, weil er kein Herr der Löcher ist, sondern sein Etat recht respektabel im Moment aussieht. Um die Wirtschaft weiter anzukurbeln will die Große Koalition eine Reform der Unternehmensbesteuerung. Das Wie dieser Reform scheint den SPD-Linken gegen den Strich zu gehen. Im Parteirat entzündete sich jedenfalls ein heftiger Disput. Und dabei soll der Finanzminister sogar mit seinem Rücktritt gedroht haben, was heute dementiert wird.

    Der SPD-Parteirat fordert also Nachbesserungen bei der Unternehmenssteuerreform. Die Union will nicht mitmachen, und auch der SPD-Finanzminister Steinbrück sagt, "nicht mit mir".

    Am Telefon begrüße ich Ernst Dieter Rossmann, den Sprecher der parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Rossmann!

    Ernst Dieter Rossmann: Schönen guten Tag!

    Meurer: Sie waren zwar nicht im Parteirat dabei, aber wie fanden Sie den Auftritt dem Hören nach des Bundesfinanzministers?

    Rossmann: Über Auftritte, die ich nicht selber miterlebt habe, werde ich mich nicht äußern. Dass Peer Steinbrück kompetent, kämpferisch, streitbar ist, das zeichnet ihn doch als Finanzminister aus, aber dazu braucht es nicht irgendwelche Auftritte vom Hörensagen.

    Meurer: Wie denken Sie denn über seine Pläne zur Unternehmenssteuerreform?

    Rossmann: Wir haben ja einen Ausgangspunkt, der im Koalitionsvertrag so umschrieben ist, wenn ich das mal zitieren darf aus der Seite 69: "Angesichts des bestehenden Konsolidierungsdrucks in allen öffentlichen Haushalten werden Nettoentlastungen kaum zu realisieren sein." Klare Aussage im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD.

    Meurer: Nicht ganz klar, kaum zu realisieren sein.

    Rossmann: Ja, aber acht Milliarden, das ist über ein Mehrwertsteuerpunkt. Da geht es schon ordentlich an die Substanz.

    Meurer: Der Finanzminister sagt, in Wirklichkeit sind es ja fünf Milliarden.

    Rossmann: Ja, und genau in diesem, was ist in Wirklichkeit, was ist in Erwartung, was ist die Substanz in der Gegenfinanzierung? Denn es hieß ja dann immer in dem legendären Beschluss aus dieser Drei-Uhr-Morgens-Sitzung vom 2. Juli 2006, es würde eine Substratverbreiterung geben, damit endlich die Firmen, die jetzt ihre Gewinne ins Ausland transferieren, ohne bei uns Steuern zu zahlen, sie auch bei uns wirklich zahlen. Das wird man sicher alles noch mal sehr genau angucken müssen und dürfen, und natürlich tun das auch die Länder, denn die Länder sind hier ja hochgradig an den Steuerausfällen mit belastet. Ich denke, dass das eine falsche Haltung wäre, jetzt in ein Gesetzgebungsverfahren nach dem Muster reinzugehen, das Kabinett hat beschlossen, es bleibt so, wie es ist. Das lässt sich eine selbstbewusste SPD, lassen sich selbstbewusste SPD-Finanzpolitiker garantiert nicht gefallen, und da wird man sich annähern müssen. Da wird man sich abarbeiten müssen. Die SPD hat zudem klar die Botschaft durch ihre Parteitage, durch die Parteiführung ausgegeben: Die Lücke muss kleiner werden. Sie kann nicht dauerhaft fünf Milliarden sein.

    Meurer: Solche Summen werden Sie in der Fraktion, im Bundestag und mit Ihnen andere Kollegen nicht billigen. Aber können Sie das damit dann auch zu Fall bringen?

    Rossmann: Was das zu Fall bringen angeht, geht das ja ganz offensichtlich nur über die guten Argumente und die Einsicht an den verschiedensten Stellen, dass man das Maß halten muss und dass dort auch Kalkulierbarkeit gegeben sein muss. Das sind die beiden Dinge, das richtige Maß finden und die Kalkulierbarkeit sicherstellen, dass wir dort nicht gewaltige negative Überraschungen erleben. Natürlich muss die SPD, jedenfalls ist mein Standpunkt so, sagen, wenn dort sich die CDU/CSU an einer solchen Stelle mit allergrößter Beharrlichkeit durchsetzen sollte, dann muss sich die SPD an einer anderen Stelle massiv mit durchsetzen. Es geht doch nicht, dass die einen erklären, es gibt eine dauerhafte Entlastung von acht Milliarden oder von fünf Milliarden, und die anderen sagen, das ist eine Anfangsentlastung. Nein, es muss schon zu der gleichen Reform die gleiche Botschaft, die gleiche Sprachregelung im Sinne, was ist damit wirklich bezweckt, nach außen gehen.

    Meurer: Das richtige Maß, was wäre das denn für Sie, Entschuldigung, Herr Rossmann?

    Rossmann: Das richtige Maß wäre für mich, wie es unser Parteivorsitzender sagt, eine deutlich geringere Ausfallerwartung als fünf Milliarden. Dass dies am Anfang dann etwas schwieriger zu realisieren sein wird als im weiteren Verlauf einer solchen Finanzreform, das ist auch klar, aber die fünf Milliarden können doch nicht das Maß der Dinge sein.

    Meurer: Sie sind aber grundsätzlich schon für eine Unternehmenssteuerreform?

    Rossmann: Es gibt ja genau diesen Skandal, dass gegenwärtig viele Gewinne über unechte Verluste, die bei uns auflaufen, und die Gewinne, die in steuergünstigen Staaten auflaufen, verschoben werden und dass wir dort gemeinsam rangehen, das ist doch ein richtiges gutes sozialdemokratisches Ziel. Natürlich, wir brauchen ja mehr Steuern von den Unternehmen, die bei uns satt gewinnen.

    Meurer: Und wenn das so viel mehr Steuern sind, dass Sie die fünf Milliarden Euro wieder ausgleichen, wie manche hoffen?

    Rossmann: Darum geht es, aber ob sie sie wirklich ausgleichen, ob das nachgewiesen werden kann, ob das Ausgleich ist dadurch, dass das Steuersubstrat verbreitert wird, oder ob es nachher Ausgleich dadurch ist, dass die Wirtschaft allgemein wächst. Aber wenn die Wirtschaft allgemein wächst, wäre das ja nicht die Aufkommensneutralität in der Gegenfinanzierung durch diejenigen, die wir jetzt endlich an den Kanthaken endlich nehmen wollen, sondern wäre ja eine Gegenfinanzierung aus allgemeiner Steuermehreinnahme und das kann es auch nicht sein. Es ist ja dort in der Nacht des 2. Juli vereinbart worden ein sehr konkreter Katalog, wo gesagt wird, dass man vor allen Dingen das Steuersubstrat verbreitern will, und dazu sind vier einzelne Module genannt worden, die genau dieses auch mit verwirklichen sollten. Die sind jetzt offensichtlich in Teilen umgesetzt worden, und das wird dann am Ende die fachliche Prüfung mit sein, aber auch der politische Kampf darum, dass hier nicht zu große Einnahmeausfälle zu keinem Zeitpunkt für die öffentliche Hand aufgehen. Was wollen wir denn den Kommunen erzählen, die jetzt mühsam dabei sind, den Wirtschaftsaufschwung über richtige, gute Investitionen im CO2-, Gebäudesanierungsbereich und anderem mitzumachen, denen wir aber andererseits gegebenenfalls 800 Millionen wegnehmen?

    Meurer: Den Kommunen wird doch beispielsweise erzählt, wir lassen euch ein bisschen mehr von der Gewerbesteuer, und das gleicht euere Verluste aus.

    Rossmann: Wenn das dann wirklich so kommt, dass die Kommunen sich wirklich dabei schadlos stehen in ihrer Investitionskraft, dann ist ja ein Punkt schon mal erreicht. Dann kommen die Länder, und dann werden die Länder sagen, wir sollen in Sachen Bildungsfinanzierung mehr leisten, wir sollen in Sachen Kinderbetreuung mehr leisten, wir sollen in Sachen Forschungsförderung mehr leisten, und die werden sich das auch angucken. Da geht es in einem Land, ich komme aus Schleswig-Holstein, darum, dass die mühsamst jetzt alles einsammeln, um 250 Millionen im Landeshaushalt als Lücke zusätzlich zu schließen. Mit einer solchen Unternehmenssteuerreform könnten genauso diese 250 Millionen als nächste Lücke voll wieder und gleich entstehen.

    Meurer: Nun scheint ja noch ein bisschen Zeit zu sein. Die Reform soll ja erst 2008 kommen. Wie soll es jetzt weitergehen?

    Rossmann: Der erste Schritt ist jetzt, dass das Kabinett einen Gesetzentwurf vorlegen muss, der möglichst deutlich macht, dass das Substrat so erweitert wird, Dass wir eine dauerhafte Mehreinnahme von den Unternehmen haben, die bisher sich der Steuerpflicht entzogen haben mit ihren Gewinnen. Das ist das Erste. Das Zweite: Es muss so realistisch sein, dass darin nicht Eckpunkte stehen, die miteinander nicht aufgehen, also ein zu niedriger Steuersatz und gleichzeitig eine dazu nicht passende Steuerentlastung, Steuerverzicht. Und das Dritte muss sein: Das muss dann parlamentarisch sehr, sehr genau und hart geprüft werden. Das sind die drei Punkte, die als nächstes anstehen. Da ist es selbstverständlich, dass eine SPD an der Stelle sehr hart aufpasst, weil wir ja wohl ein Interesse daran haben dürfen, leistungsfähige öffentliche Finanzen zu erhalten.

    Meurer: Und Sie zählen dabei auch zum Beispiel auf den Parteivorsitzenden Kurt Beck, dass er auf Ihrer Seite steht?

    Rossmann: Wir setzen darauf, dass Kurt Beck das umsetzt, was SPD-Parteitage als Maßstäbe beschlossen haben, nämlich weitestgehende Aufkommensneutralität und allenfalls Anfangsverluste. Das sind die Eckpunkte, die SPD-Parteitage dazu mit beschlossen haben.

    Meurer: Ernst Dieter Rossmann war das, der Sprecher der parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, zu den Plänen für eine Unternehmenssteuerreform, die 2008 kommen soll. Herr Rossmann, schönen Dank und auf Wiederhören,

    Rossmann: Dankeschön, Wiederhören, Tschüss.