Es gab wohl nur zwei ernste Gesichter bei der Hamburger SPD - gestern Abend um kurz nach 18 Uhr. Es waren die von Olaf Scholz und seiner Frau – als sie gemeinsam vor die wartenden SPD-Anhänger traten. Die jedenfalls kannten kein Halten mehr, denn Hamburg wird rot - wieder. Noch dazu ausschließlich. Das endgültige Ergebnis steht immer noch nicht fest – aber auch die vorläufigen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die SPD hat kräftig zugelegt – fuhr rund 50 Prozent der Stimmen ein – und wird wohl zukünftig alleine regieren. Das dürfte die SPD trotz der guten Prognosen überrascht haben. Die Grünen hat dieser Ausgang aber wahrscheinlich kalt erwischt.
Mit guten Umfragewerten von zeitweise bis zu 17 Prozent im Rücken, hatten sie die Koalition mit der CDU aufgekündigt. Das mag zwar hauptsächlich inhaltliche Gründe gehabt haben. Aber auch aus der Erwartung genährt gewesen sein: Wir werden in einer neuen Regierung ein noch stärkerer Partner sein. In der Tat haben sie ihr Ergebnis leicht verbessern können, sitzen damit aber wieder neben der CDU auf der Oppositionsbank.
Starke Emotionen sind bei der Wahlparty der Grünen kaum zu sehen. Als um 18 Uhr die ersten Zahlen über den Bildschirm flimmern, ist die Enttäuschung greifbar. Zwar hat die Grüne Alternative Liste zugelegt. Aber 11,2 Prozent reichen nicht. Die GAL hat gewonnen - aber dennoch verloren.
"Das ist ein ordentliches Ergebnis vor dem Hintergrund, dass wir bei der letzten Wahl 9,6 Prozent hatten. Wir sind leicht nach oben gegangen. Nichtsdestotrotz muss man sagen, dass unser Wahlziel – die Stadt nicht der SPD allein zu überlassen und auch gemeinsam Regierungsverantwortung wieder zu übernehmen mit der SPD – verfehlt worden ist."
Sagt Katharina Fegebank, die Landesvorsitzende der Hamburger Grünen. Die GAL wandert damit von der Regierungs- auf die Oppositionsbank. Anja Hajduk, die Spitzenkandidatin gibt sich kämpferisch:
"Wir werden eine Fraktion haben, die etwas größer ist als die jetzige. Und ich bin sicher, es wird eine Fraktion sein, die auch dieser SPD-Alleinregierung deutlich ihre Fehler aufzeigen wird. Also wir werden in eine Situation kommen aus der Opposition zu agieren. Das können wir Grüne auch."
Das Kalkül der Grünen, nach dem Bruch mit der CDU ein deutlich grün geprägtes neues Bündnis zu schmieden, ist nicht aufgegangen. Trotzdem - die meisten Mitglieder halten auch heute noch den vorzeitigen Ausstieg aus dem Pilotprojekt Schwarz-Grün für richtig – auch Katharina Fegebank:
"Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es die absolut richtige Entscheidung gewesen ist, im Herbst aus der Koalition herauszugehen. Wir wussten, dass sie sehr risikobehaftet sein wird."
Anja Hajduk, die damalige Stadtentwicklungssenatorin und Jens Kerstan, der Fraktionsvorsitzende waren die treibenden Kräfte, die Koalition mit der CDU im November aufzukündigen. Jens Kerstan am Mittag des 28. November:
"Die Arbeitsfähigkeit in der Koalition hat sich soweit verschlechtert, dass wir nicht mehr an eine gute, weitere erfolgreiche Zusammenarbeit glauben. Wir sehen nicht mehr, dass diese Koalition die Kraft hat, wichtige Zukunftsprojekte für Hamburg zu stemmen."
Wie sich zeigt, ist es ebenfalls nicht zu stemmen, sich nach diesem selbst verschuldeten Koalitionsbruch wieder für eine Regierungsbeteiligung zu empfehlen.
"Ja, Sachen gibt es."
Wundert sich Parteichefin Katharina Fegebank.
Mit dem gestrigen Ergebnis hat wohl niemand in dieser Form gerechnet: absolute Mehrheit für die SPD und das bei einem Fünf-Parteien-Parlament. Die Grünen sind in der Realität angekommen und müssen sich nach dem gestrigen Ergebnis eingestehen: Sie haben vom Wähler die Quittung gekriegt.
"Vielleicht macht sich jetzt auch bemerkbar, dass auch wir nicht ganz unbeschadet aus dieser Nummer herauskommen."
Bilanziert Katharina Fegebank. Doch Kritik hört man nur hinter vorgehaltener Hand, öffentlich zieht keiner die damalige Entscheidung infrage. Stattdessen ist so mancher überzeugt: Hätte man Schwarz-Grün weiter laufen lassen, hätte man gegebenenfalls noch schlechter abgeschnitten. Dass die Partei in Hamburg deutlich schwächer bleibt, als die Grünen im Bund, wundert nicht weiter. Hamburger Wahlen sind geprägt von originär Hamburger Themen. Wobei man sich gerade in den letzten Monaten fragen musste: Was sind denn die originär Hamburger Themen bei den Grünen? Anders als im Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl 2008 konnte die Öko-Partei nicht mit Erfolgen wuchern. Ganz im Gegenteil:
"Aus rechtlichen Gründen ist Vattenfall der Bau des Kraftwerks nicht zu versagen."
Anja Hajduk muss im September 2008 als Umweltsenatorin den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg genehmigen. Die erste Nagelprobe. Dann das Stichwort Elbvertiefung:
Hajduk: "Wir sind aus ökologischen Gründen nicht von der Elbvertiefung überzeugt, aber sagen sehr klar, und das war auch in der Koalition 2008 so: Wir können nicht die Erwartungen wecken, diesen Punkt zu verhindern. Er ist auch vom Bund zugesichert."
Längst waren sie im Koalitionsvertrag mit der CDU unter von Beust einen Kompromiss eingegangen. Elbvertiefung gegen Primarschule. Doch auch das für die Grünen so wichtige Projekt, das längere gemeinsame Lernen bis Klasse 6 scheitert. Der Volksentscheid im Sommer war der Höhepunkt einer Pannenserie für die GAL. Während des Wahlkampfs erklärte Spitzenkandidat Olaf Scholz, dass es mit der SPD keine neue Stadtbahn geben wird, weil dafür das Geld fehlt. Und damit war auch das letzte grüne Projekt ad acta gelegt. Das Einzige, was bleibt: die Einführung des Fahrradleihsystems.
Olaf Scholz: "Und was mir daran am besten gefällt: Die Leihfahrräder sind auch noch rot gestrichen."
Die Grünen haben jetzt die Chance, in der Opposition wieder ihr Profil zu schärfen und den Wählern deutlich zu machen, wofür sie stehen. Doch für diesen Neustart sind auch personelle Änderungen notwendig. Wie die konkret aussehen können, das wird heute Abend hinter geschlossenen Türen besprochen. Anja Hajduk jedenfalls will ihr Bürgerschaftsmandat annehmen. Ob sie den Fraktionsvorsitz übernimmt, steht noch nicht fest. Denn da wird sie sich mit Jens Kerstan, dem bisherigen Fraktionsführer einigen müssen. Auch bei den Grünen hat das Gerangel um die wenigen Spitzenpositionen begonnen.
Zum Auftakt des Superwahljahres für die Grünen eher ein Schubs als ein Schub. Die SPD aber sonnt sich im Glanze des Hamburger-Erfolgs. 50 Prozent. In solche Höhen steigt die SPD schon lange nicht mehr auf. Bundesweit kommt die Partei in den Umfragen eher auf die Hälfte. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, ließ sich gar zu dem Satz hinreißen, diese Wahl werde die Partei beflügeln. Wie weit trägt aber der Hamburger Erfolg? Was bringt er den Wahlkämpfenden Genossen in den anderen Ländern, Zum Beispiel in Baden-Württemberg. Dort wird am 27. März gewählt. Dort müht sich die SPD eher bei 20 Prozent herum. Dort muss Spitzenkandidat Nils Schmid noch kräftig für den SPD-Erfolg arbeiten.
Im Gomaringer Schloss bei Tübingen füllen sich die Reihen. Der baden-württembergische SPD-Spitzenkandidat wird am Nachmittag wird der baden-württembergische SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid erwartet. Der Kreisseniorenrat Tübingen hat ihn eingeladen, Schmid wird mit anderen Politikern über das Leben im Alter diskutieren. Doch, im Moment interessieren sich die meist älteren Herrschaften nicht für die Zukunft, vielmehr ist die Gegenwart, der Wahlausgang in Hamburg, Thema:
"Solche Wahlergebnisse wie in Hamburg können wir hier nur erträumen. Leider."
"Na, ja, das hat man vorausgesehen, dass die SPD das macht."
Nach Hamburg ist vor Baden-Württemberg. Dort sind in fünf Wochen sind Landtagswahlen. Nils Schmid trifft in Gomaringen nahe Tübingen ein. Der Rückenwind aus dem hohen Norden beflügelt den 37-Jährigen sichtbar. Das grandiose Ergebnis von Scholz und der Hamburger SPD zeige, dass man mit Kompetenz, Seriosität und Argumentationsstärke die Menschen überzeugen kann, sagt der Landesparteichef auf dem Weg zu den Senioren:
"Wir sind in Baden-Württemberg die seriöse Alternative zu einer abgewirtschafteten CDU. Ähnlich wie in Hamburg haben die auf der Strecke ihren Ministerpräsidenten ausgetauscht und einen neuen gebracht, der kein Vertrauen bei den Menschen hat. Hamburg hat gezeigt, dass die SPD richtig liegt mit ihren Themen. Es geht um Arbeit, Wirtschaft, gerechte Bildung und Ausbau der Kinderbetreuung."
Makellos steht der promovierte Jurist da: schlank, groß, akkurater Kurzhaarschnitt, dunkler Anzug und Krawatte. Schmid lächelt dosiert, seine Worte setzt er unaufgeregt und verständlich. Nach 57 CDU Herrschaft sei Baden Württemberg nun reif für einen echten Politikwechsel, sagt er:
"Wir werden einen neuen Regierungsstil im Land einführen. Mappus hat gezeigt, dass er den Bürgern nicht auf Augenhöhe begegnet, sondern von oben herab sie behandelt."
Der Wechsel gelinge nur mit einer starken SPD und nicht mit einer Partei, die nur Bahnhof verstehe, betont Schmid. Er spielt auf die Grünen und das Bahnprojekt Stuttgart 21 an. Die Grünen hatten sich von Anfang an gegen das Bahnprojekt 21 ausgesprochen, was sich in Umfragewerten für die Partei bis zur Schlichtung positiv für die Grünen auswirkte. Die SPD war zunächst für Stuttgart 21, gab dann aber dem Druck der Straße nach und spricht sich mittlerweile für einen Volksentscheid aus. Ein Schlingerkurs, der der Partei im Wahlkampf zu schaffen machen kann. Denn, vor allem die Projektgegner werden wohl eine hohe Anzahl von Wählern mobilisieren, fürchtet nicht nur die SPD.
Schmid: "Wir waren immer für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke und werden den Grünen, im Falle einer Koalition anbieten, eine Volksbefragung oder eine Volksabstimmung zu machen, um neue Akzeptanz für dieses Projekt zu gewinnen. Die CDU hat einseitig auf Konfrontation gesetzt, das hat ihr nicht gut getan, das hat dem Land nicht gut getan und deshalb wird auch im Fall einer CDU-SPD Koalitionsregierung, das Thema Volksabstimmung wieder auf der Tagesordnung stehen."
Doch die Wähler bleiben skeptisch, die SPD befindet sich seit Jahren im freien Fall. Bereits bei der Landtagswahl 2006 kamen die Sozialdemokraten gerade mal auf rund 25 Prozent der Wählerstimmen. Nach dem desaströsen Abschneiden bei der Bundestagswahl - 2009 - die Südwest SPD schaffte es nur auf rund 19 Prozent - kündigte die damalige Landeschefin Ute Vogt ihren Rückzug an. Da war Vogt bereits bei zwei Landtagswahlen als Spitzenkandidatin gescheitert, an CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel. Mit ihm bildeten die Sozialdemokraten zwischen 1992 und 1996 eine große Koalition, von der nur die Christdemokraten profitierten. Damit nicht genug:
2005 wechselte Ulrich Maurer, einst wortstarker SPD-Landeschef im Südwesten, zur Linkspartei und könnte jetzt Wähler, darunter Gewerkschaftsmitglieder, an sich binden. Seitdem ist es ruhig um die Genossen in Baden-Württemberg. Der junge Landeschef und Spitzenkandidat, Nils Schmid, ist frisch im Amt und weitgehend unbekannt im Südwesten:
"Wir werden mit unseren Themen gute Arbeit, Sicherung des Wirtschaftsstandorts, gerechte Bildungschancen, in diesem Wahlkampf mehr Leute ansprechen können, als die Grünen, die im Wesentlichen Bahnhof verstehen."
Es könnte also eng werden für die Sozialdemokraten, mit grüner Hilfe können sie nicht rechnen. Fritz Kuhn, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, glaubt die SPD sei in Baden-Württemberg einfach nicht attraktiv für den Wähler. Die Grünen können ja jetzt nicht anfangen den roten Laden zu coachen, damit Rot-Grün attraktiver wird, sagt Kuhn wortwörtlich. Grünen Nachhilfeunterricht lehnt der SPD Spitzenkandidat Schmid ab:
"Die Grünen brauchen von uns keinen Nachhilfeunterricht, vielleicht in Hamburg, weiß ich nicht, aber wir brauchen auch keinen von ihnen. Jeder kämpft für seine politischen Vorstellungen. Es gibt eine große Schnittmenge, aber klar ist auch, ein echter Wechsel wird in Baden-Württemberg nur gelingen, wenn die SPD stark ist."
Wochenlang schien nun aber in Baden-Württemberg eine grün-rote Koalition machbar. Dieser Höhenflug in den Umfragen aber scheint vorbei. CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus kann wohl mit einer Fortsetzung seiner schwarz-gelben Koalition rechnen. Zumal sich sein Regierungspartner FDP in den Umfragen erholt und der CDU-Spitzenkandidat die SPD nicht einmal mehr als ernsthaften Gegner wahrnimmt, sondern in den Grünen den wahren Gegner sieht:
Die SPD aber hofft noch immer auf ein gutes Ergebnis. Oder auf ein schlechtes für die CDU. Das wäre das zweite historische Ereignis in diesem Jahr. Dann gäbe es vielleicht eine Gelegenheit, die CDU in Baden-Württemberg nach 57 Jahren an der Macht endlich abzulösen. Wenn dafür auch die Linke mit ins Boot müsste, sollte sie es denn in den Stuttgarter Landtag schaffen. Für Rot-Grün-Rot gäbe es in den Umfragen derzeit zumindest die Möglichkeit, Schwarz-Gelb zu übertrumpfen. Für die CDU wäre das die Katastrophe des Jahres. Das Hamburger Ergebnis sei aber nicht als Signal für die anderen Landtagswahlen zu sehen, sagte die Kanzlerin heute in Berlin. Sie machte einen Teil der Schuld für das schlechte Abschneiden beim zurückgetretenen Bürgermeister Ole von Beust aus. Eine viel größere Schuld treffe aber den Hamburger Ex-Koalitionspartner:
"Die Tatsache, dass die Grünen dann aus der Koalition weg- gegangen sind, hat die Lage noch einmal zugespitzt. Ich glaube, man hat am gestrigen Abend gesehen, dass dieser Schritt den Grünen auch nicht genutzt hat, und insoweit ist an dieser Stelle auch vielleicht das Kalkül der Grünen nicht aufgegangen."
Kurz vor der Sendung habe ich mit Professor Volker Kronenberg von der Universität Bonn gesprochen. Ihn habe ich gefragt: Wie viel Schuld am schlechten Abschneiden der CDU haben denn die Grünen?
Kronenberg: Man muss natürlich sehen, die Grünen haben die Koalition beendet. Die Grünen haben die Reißleine gezogen, weil sie sich letztendlich in ihren Kernanliegen nicht wirklich durchgesetzt haben; denken wir an Moorburg/Kohlekraftwerk und auf der anderen Seite natürlich die Schulreform, die dann im Volksentscheid niedergestimmt wurde und dann natürlich die Hoffnung auf Seiten der Grünen, die gestern bitter enttäuscht wurde. Der Ausstieg aus der Koalition und der Wechsel hin zu Rot-Grün. Die Rechnung ist nicht aufgegangen.
Stefan Maas: Das heißt, die Grünen trifft vielleicht eine Teilschuld; was aber hat die CDU falsch gemacht?
Kronenberg: Hamburg ist im Grunde ein sozialdemokratisches Pflaster; über Jahrzehnte hinweg sozialdemokratisch geführt. Ole von Beust hat es geschafft, als Verkörperung des großstädtischen Milieus hier den Wechsel herbeizuführen, und als er im Grunde – heute wurde in der Presse auch gesagt, episodenhaft – zurückgetreten ist aus Amtsmüdigkeit, war das ein überaus fatales Signal und sein Nachfolger Christoph Ahlhaus war zwar als Senator schon in der Regierung, hat es aber in keiner Weise verstanden, vor allen Dingen an einer Popularität Ole von Beusts anzuknüpfen und dann - heute ist es auch ganz offensichtlich geworden – ist es der CDU eben nicht gelungen, die Kernwählerschaft an sich zu binden. Offenbar ist es der CDU eben nicht gelungen, CDU-Profil in dieser Schwarz-Grünen Koalition zeigen zu können.
Maas: Das heißt, Wahlen gewinnt man in der Mitte. Galt das in diesem Fall auch für Hamburg?
Kronenberg: Eindeutig ja! Der ganze Wahlkampf ist ja auch so angelegt worden. Ich will nur drei Beispiele nennen. Das eine ist: Er hat von Anfang an im Wahlkampf deutlich gemacht: Auf keinen Fall mit der Linken; in keiner Weise weder Tolerierung noch Regierung. Das Zweite ist, er hat sich auch von der potenziellen Koalitionspartei Grün sehr markant abgegrenzt; hat deutlich gemacht, mit ihm wird es die Elbvertiefung geben; das Stadtbahnprojekt wird es mit ihm nicht geben und ein Drittes – ich glaube, für Hamburger Verhältnisse psychologisch sehr wichtig - ihm ist es gelungen, den Präses der Handelskammer – einer sehr renommierten Hamburger Institution – Frank Horch, an seine Seite zu holen und als künftigen Senator sozusagen zu präsentieren, dass er überaus erfolgreich war. Er hat hier weit in CDU-Milieus einbrechen können und er hat im Grunde ja auch – schauen wir uns die Werte an – hohe Werte in puncto Wirtschaftskompetenz erreicht und liegt da vor der CDU. Das ist natürlich ein großer Erfolg.
Maas: Was kann die Bundes-SPD daraus lernen? Sich in Zukunft und bei den anderen Landtagswahlen nicht mit der Linken um den Platz ganz links zu kämpfen
Kronenberg: Man darf die Hamburger Wahl und die Hamburger Erfahrung nun auch nicht überbewerten. Schon die kommenden Wahlen jetzt am 20. März in Sachsen-Anhalt und darauf folgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden natürlich schwieriger, vor allen Dingen die beiden Erstgenannten für die SPD. Hier ist man in Umfragen auf dem dritten Platz. Das ist überaus prekär. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, diese 1,4 Millionen Stimmberechtigten in Hamburg haben natürlich im Grunde dem Agendaflügel, dem pragmatischen Flügel ein wenig auch dem konservativeren Flügel der SPD wieder Aufwind verliehen. Innerparteilich ist es heute auch spürbar geworden – und man kann natürlich aus Hamburg heraus das Signal auch ableiten, dass die SPD klug beraten ist, nicht nur nach links zu schielen und zu versuchen, hier mit der Linken um Wähler zu konkurrieren, sondern klug beraten ist, in der Mitte zu versuchen, Wahlen zu gewinnen. Die Grünen als Konkurrenz zu begreifen und vor allen Dingen natürlich auch die Union.
Maas: Aber was bedeutet das denn für die Bundes-CDU? Die Kanzlerin hat ja die Parole ausgegeben, die CDU soll wieder konservativer werden. Ist das Ihrer Meinung nach der richtige Schachzug?
Kronenberg: Darüber wird man streiten müssen. Es ist natürlich erklärbar vor dem Hintergrund dieser Landtagswahlen, wobei die entscheidende Wahl eben gestern in Hamburg war; die hat die CDU schon abgeschrieben gehabt in den Wochen zuvor. Die entscheidende Wahl für Frau Merkel und die CDU-Spitze ist natürlich die in Baden-Württemberg. Hier sind die Grünen natürlich zu einem ganz gefährlichen Konkurrenten erwachsen; und hier versucht man mit der "Dagegen-Partei-Strategie" natürlich Einhalt zu bieten. Die Rede von Angela Merkel von Hirngespinsten Schwarz-Grüner Bündnisse glaube ich, darf man nicht überbewerten. Ich glaube, nach den sieben Landtagswahlen wird sie das auch wieder nüchterner sehen, zumal muss man sehen, Ihre Vizin, Annette Schavan, und auch Andere sagen, natürlich Julia Klöckner die Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, die eben sagen: natürlich sind schwarz-grüne Bündnisse möglich auf Landesebene und letztlich müssen sie auch auf Bundesebene möglich sein. In meinen Augen trifft das zu. Die CDU muss in einem – wie man so sagt – fluiden Fünfparteiensystem auch mit den Grünen koalitionsfähig sein. Aber eindeutig ist es natürlich der Fall, dass man mit Blick gerade auf Baden-Württemberg versuchen muss, die sogenannten Stammwähler – auch die konservativeren Milieus, die vielleicht doch auch ein wenig durch den Modernisierungskurs gerade von Angela Merkel – sie hat ihn ja eingeleitet, sie hat die CDU ja auch geöffnet hin zu strategischen Bündnissen mit den Grünen. Diese Stammwählerschaft, diese etwas konservativere Klientel musste sie versuchen zu binden, gerade mit Blick auf den 27. März. Ich glaube, im Herbst dieses Jahres sieht die Welt koalitionspolitisch aus Sicht der CDU auch schon wieder anders, entspannter aus.
Die Hamburg-Wahl und ihre Folgen für das Superwahljahr. Das war im Gespräch Professor Volker Kronenberg. Politologe an der Universität Bonn.
Mit guten Umfragewerten von zeitweise bis zu 17 Prozent im Rücken, hatten sie die Koalition mit der CDU aufgekündigt. Das mag zwar hauptsächlich inhaltliche Gründe gehabt haben. Aber auch aus der Erwartung genährt gewesen sein: Wir werden in einer neuen Regierung ein noch stärkerer Partner sein. In der Tat haben sie ihr Ergebnis leicht verbessern können, sitzen damit aber wieder neben der CDU auf der Oppositionsbank.
Starke Emotionen sind bei der Wahlparty der Grünen kaum zu sehen. Als um 18 Uhr die ersten Zahlen über den Bildschirm flimmern, ist die Enttäuschung greifbar. Zwar hat die Grüne Alternative Liste zugelegt. Aber 11,2 Prozent reichen nicht. Die GAL hat gewonnen - aber dennoch verloren.
"Das ist ein ordentliches Ergebnis vor dem Hintergrund, dass wir bei der letzten Wahl 9,6 Prozent hatten. Wir sind leicht nach oben gegangen. Nichtsdestotrotz muss man sagen, dass unser Wahlziel – die Stadt nicht der SPD allein zu überlassen und auch gemeinsam Regierungsverantwortung wieder zu übernehmen mit der SPD – verfehlt worden ist."
Sagt Katharina Fegebank, die Landesvorsitzende der Hamburger Grünen. Die GAL wandert damit von der Regierungs- auf die Oppositionsbank. Anja Hajduk, die Spitzenkandidatin gibt sich kämpferisch:
"Wir werden eine Fraktion haben, die etwas größer ist als die jetzige. Und ich bin sicher, es wird eine Fraktion sein, die auch dieser SPD-Alleinregierung deutlich ihre Fehler aufzeigen wird. Also wir werden in eine Situation kommen aus der Opposition zu agieren. Das können wir Grüne auch."
Das Kalkül der Grünen, nach dem Bruch mit der CDU ein deutlich grün geprägtes neues Bündnis zu schmieden, ist nicht aufgegangen. Trotzdem - die meisten Mitglieder halten auch heute noch den vorzeitigen Ausstieg aus dem Pilotprojekt Schwarz-Grün für richtig – auch Katharina Fegebank:
"Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es die absolut richtige Entscheidung gewesen ist, im Herbst aus der Koalition herauszugehen. Wir wussten, dass sie sehr risikobehaftet sein wird."
Anja Hajduk, die damalige Stadtentwicklungssenatorin und Jens Kerstan, der Fraktionsvorsitzende waren die treibenden Kräfte, die Koalition mit der CDU im November aufzukündigen. Jens Kerstan am Mittag des 28. November:
"Die Arbeitsfähigkeit in der Koalition hat sich soweit verschlechtert, dass wir nicht mehr an eine gute, weitere erfolgreiche Zusammenarbeit glauben. Wir sehen nicht mehr, dass diese Koalition die Kraft hat, wichtige Zukunftsprojekte für Hamburg zu stemmen."
Wie sich zeigt, ist es ebenfalls nicht zu stemmen, sich nach diesem selbst verschuldeten Koalitionsbruch wieder für eine Regierungsbeteiligung zu empfehlen.
"Ja, Sachen gibt es."
Wundert sich Parteichefin Katharina Fegebank.
Mit dem gestrigen Ergebnis hat wohl niemand in dieser Form gerechnet: absolute Mehrheit für die SPD und das bei einem Fünf-Parteien-Parlament. Die Grünen sind in der Realität angekommen und müssen sich nach dem gestrigen Ergebnis eingestehen: Sie haben vom Wähler die Quittung gekriegt.
"Vielleicht macht sich jetzt auch bemerkbar, dass auch wir nicht ganz unbeschadet aus dieser Nummer herauskommen."
Bilanziert Katharina Fegebank. Doch Kritik hört man nur hinter vorgehaltener Hand, öffentlich zieht keiner die damalige Entscheidung infrage. Stattdessen ist so mancher überzeugt: Hätte man Schwarz-Grün weiter laufen lassen, hätte man gegebenenfalls noch schlechter abgeschnitten. Dass die Partei in Hamburg deutlich schwächer bleibt, als die Grünen im Bund, wundert nicht weiter. Hamburger Wahlen sind geprägt von originär Hamburger Themen. Wobei man sich gerade in den letzten Monaten fragen musste: Was sind denn die originär Hamburger Themen bei den Grünen? Anders als im Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl 2008 konnte die Öko-Partei nicht mit Erfolgen wuchern. Ganz im Gegenteil:
"Aus rechtlichen Gründen ist Vattenfall der Bau des Kraftwerks nicht zu versagen."
Anja Hajduk muss im September 2008 als Umweltsenatorin den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg genehmigen. Die erste Nagelprobe. Dann das Stichwort Elbvertiefung:
Hajduk: "Wir sind aus ökologischen Gründen nicht von der Elbvertiefung überzeugt, aber sagen sehr klar, und das war auch in der Koalition 2008 so: Wir können nicht die Erwartungen wecken, diesen Punkt zu verhindern. Er ist auch vom Bund zugesichert."
Längst waren sie im Koalitionsvertrag mit der CDU unter von Beust einen Kompromiss eingegangen. Elbvertiefung gegen Primarschule. Doch auch das für die Grünen so wichtige Projekt, das längere gemeinsame Lernen bis Klasse 6 scheitert. Der Volksentscheid im Sommer war der Höhepunkt einer Pannenserie für die GAL. Während des Wahlkampfs erklärte Spitzenkandidat Olaf Scholz, dass es mit der SPD keine neue Stadtbahn geben wird, weil dafür das Geld fehlt. Und damit war auch das letzte grüne Projekt ad acta gelegt. Das Einzige, was bleibt: die Einführung des Fahrradleihsystems.
Olaf Scholz: "Und was mir daran am besten gefällt: Die Leihfahrräder sind auch noch rot gestrichen."
Die Grünen haben jetzt die Chance, in der Opposition wieder ihr Profil zu schärfen und den Wählern deutlich zu machen, wofür sie stehen. Doch für diesen Neustart sind auch personelle Änderungen notwendig. Wie die konkret aussehen können, das wird heute Abend hinter geschlossenen Türen besprochen. Anja Hajduk jedenfalls will ihr Bürgerschaftsmandat annehmen. Ob sie den Fraktionsvorsitz übernimmt, steht noch nicht fest. Denn da wird sie sich mit Jens Kerstan, dem bisherigen Fraktionsführer einigen müssen. Auch bei den Grünen hat das Gerangel um die wenigen Spitzenpositionen begonnen.
Zum Auftakt des Superwahljahres für die Grünen eher ein Schubs als ein Schub. Die SPD aber sonnt sich im Glanze des Hamburger-Erfolgs. 50 Prozent. In solche Höhen steigt die SPD schon lange nicht mehr auf. Bundesweit kommt die Partei in den Umfragen eher auf die Hälfte. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, ließ sich gar zu dem Satz hinreißen, diese Wahl werde die Partei beflügeln. Wie weit trägt aber der Hamburger Erfolg? Was bringt er den Wahlkämpfenden Genossen in den anderen Ländern, Zum Beispiel in Baden-Württemberg. Dort wird am 27. März gewählt. Dort müht sich die SPD eher bei 20 Prozent herum. Dort muss Spitzenkandidat Nils Schmid noch kräftig für den SPD-Erfolg arbeiten.
Im Gomaringer Schloss bei Tübingen füllen sich die Reihen. Der baden-württembergische SPD-Spitzenkandidat wird am Nachmittag wird der baden-württembergische SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid erwartet. Der Kreisseniorenrat Tübingen hat ihn eingeladen, Schmid wird mit anderen Politikern über das Leben im Alter diskutieren. Doch, im Moment interessieren sich die meist älteren Herrschaften nicht für die Zukunft, vielmehr ist die Gegenwart, der Wahlausgang in Hamburg, Thema:
"Solche Wahlergebnisse wie in Hamburg können wir hier nur erträumen. Leider."
"Na, ja, das hat man vorausgesehen, dass die SPD das macht."
Nach Hamburg ist vor Baden-Württemberg. Dort sind in fünf Wochen sind Landtagswahlen. Nils Schmid trifft in Gomaringen nahe Tübingen ein. Der Rückenwind aus dem hohen Norden beflügelt den 37-Jährigen sichtbar. Das grandiose Ergebnis von Scholz und der Hamburger SPD zeige, dass man mit Kompetenz, Seriosität und Argumentationsstärke die Menschen überzeugen kann, sagt der Landesparteichef auf dem Weg zu den Senioren:
"Wir sind in Baden-Württemberg die seriöse Alternative zu einer abgewirtschafteten CDU. Ähnlich wie in Hamburg haben die auf der Strecke ihren Ministerpräsidenten ausgetauscht und einen neuen gebracht, der kein Vertrauen bei den Menschen hat. Hamburg hat gezeigt, dass die SPD richtig liegt mit ihren Themen. Es geht um Arbeit, Wirtschaft, gerechte Bildung und Ausbau der Kinderbetreuung."
Makellos steht der promovierte Jurist da: schlank, groß, akkurater Kurzhaarschnitt, dunkler Anzug und Krawatte. Schmid lächelt dosiert, seine Worte setzt er unaufgeregt und verständlich. Nach 57 CDU Herrschaft sei Baden Württemberg nun reif für einen echten Politikwechsel, sagt er:
"Wir werden einen neuen Regierungsstil im Land einführen. Mappus hat gezeigt, dass er den Bürgern nicht auf Augenhöhe begegnet, sondern von oben herab sie behandelt."
Der Wechsel gelinge nur mit einer starken SPD und nicht mit einer Partei, die nur Bahnhof verstehe, betont Schmid. Er spielt auf die Grünen und das Bahnprojekt Stuttgart 21 an. Die Grünen hatten sich von Anfang an gegen das Bahnprojekt 21 ausgesprochen, was sich in Umfragewerten für die Partei bis zur Schlichtung positiv für die Grünen auswirkte. Die SPD war zunächst für Stuttgart 21, gab dann aber dem Druck der Straße nach und spricht sich mittlerweile für einen Volksentscheid aus. Ein Schlingerkurs, der der Partei im Wahlkampf zu schaffen machen kann. Denn, vor allem die Projektgegner werden wohl eine hohe Anzahl von Wählern mobilisieren, fürchtet nicht nur die SPD.
Schmid: "Wir waren immer für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke und werden den Grünen, im Falle einer Koalition anbieten, eine Volksbefragung oder eine Volksabstimmung zu machen, um neue Akzeptanz für dieses Projekt zu gewinnen. Die CDU hat einseitig auf Konfrontation gesetzt, das hat ihr nicht gut getan, das hat dem Land nicht gut getan und deshalb wird auch im Fall einer CDU-SPD Koalitionsregierung, das Thema Volksabstimmung wieder auf der Tagesordnung stehen."
Doch die Wähler bleiben skeptisch, die SPD befindet sich seit Jahren im freien Fall. Bereits bei der Landtagswahl 2006 kamen die Sozialdemokraten gerade mal auf rund 25 Prozent der Wählerstimmen. Nach dem desaströsen Abschneiden bei der Bundestagswahl - 2009 - die Südwest SPD schaffte es nur auf rund 19 Prozent - kündigte die damalige Landeschefin Ute Vogt ihren Rückzug an. Da war Vogt bereits bei zwei Landtagswahlen als Spitzenkandidatin gescheitert, an CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel. Mit ihm bildeten die Sozialdemokraten zwischen 1992 und 1996 eine große Koalition, von der nur die Christdemokraten profitierten. Damit nicht genug:
2005 wechselte Ulrich Maurer, einst wortstarker SPD-Landeschef im Südwesten, zur Linkspartei und könnte jetzt Wähler, darunter Gewerkschaftsmitglieder, an sich binden. Seitdem ist es ruhig um die Genossen in Baden-Württemberg. Der junge Landeschef und Spitzenkandidat, Nils Schmid, ist frisch im Amt und weitgehend unbekannt im Südwesten:
"Wir werden mit unseren Themen gute Arbeit, Sicherung des Wirtschaftsstandorts, gerechte Bildungschancen, in diesem Wahlkampf mehr Leute ansprechen können, als die Grünen, die im Wesentlichen Bahnhof verstehen."
Es könnte also eng werden für die Sozialdemokraten, mit grüner Hilfe können sie nicht rechnen. Fritz Kuhn, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, glaubt die SPD sei in Baden-Württemberg einfach nicht attraktiv für den Wähler. Die Grünen können ja jetzt nicht anfangen den roten Laden zu coachen, damit Rot-Grün attraktiver wird, sagt Kuhn wortwörtlich. Grünen Nachhilfeunterricht lehnt der SPD Spitzenkandidat Schmid ab:
"Die Grünen brauchen von uns keinen Nachhilfeunterricht, vielleicht in Hamburg, weiß ich nicht, aber wir brauchen auch keinen von ihnen. Jeder kämpft für seine politischen Vorstellungen. Es gibt eine große Schnittmenge, aber klar ist auch, ein echter Wechsel wird in Baden-Württemberg nur gelingen, wenn die SPD stark ist."
Wochenlang schien nun aber in Baden-Württemberg eine grün-rote Koalition machbar. Dieser Höhenflug in den Umfragen aber scheint vorbei. CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus kann wohl mit einer Fortsetzung seiner schwarz-gelben Koalition rechnen. Zumal sich sein Regierungspartner FDP in den Umfragen erholt und der CDU-Spitzenkandidat die SPD nicht einmal mehr als ernsthaften Gegner wahrnimmt, sondern in den Grünen den wahren Gegner sieht:
Die SPD aber hofft noch immer auf ein gutes Ergebnis. Oder auf ein schlechtes für die CDU. Das wäre das zweite historische Ereignis in diesem Jahr. Dann gäbe es vielleicht eine Gelegenheit, die CDU in Baden-Württemberg nach 57 Jahren an der Macht endlich abzulösen. Wenn dafür auch die Linke mit ins Boot müsste, sollte sie es denn in den Stuttgarter Landtag schaffen. Für Rot-Grün-Rot gäbe es in den Umfragen derzeit zumindest die Möglichkeit, Schwarz-Gelb zu übertrumpfen. Für die CDU wäre das die Katastrophe des Jahres. Das Hamburger Ergebnis sei aber nicht als Signal für die anderen Landtagswahlen zu sehen, sagte die Kanzlerin heute in Berlin. Sie machte einen Teil der Schuld für das schlechte Abschneiden beim zurückgetretenen Bürgermeister Ole von Beust aus. Eine viel größere Schuld treffe aber den Hamburger Ex-Koalitionspartner:
"Die Tatsache, dass die Grünen dann aus der Koalition weg- gegangen sind, hat die Lage noch einmal zugespitzt. Ich glaube, man hat am gestrigen Abend gesehen, dass dieser Schritt den Grünen auch nicht genutzt hat, und insoweit ist an dieser Stelle auch vielleicht das Kalkül der Grünen nicht aufgegangen."
Kurz vor der Sendung habe ich mit Professor Volker Kronenberg von der Universität Bonn gesprochen. Ihn habe ich gefragt: Wie viel Schuld am schlechten Abschneiden der CDU haben denn die Grünen?
Kronenberg: Man muss natürlich sehen, die Grünen haben die Koalition beendet. Die Grünen haben die Reißleine gezogen, weil sie sich letztendlich in ihren Kernanliegen nicht wirklich durchgesetzt haben; denken wir an Moorburg/Kohlekraftwerk und auf der anderen Seite natürlich die Schulreform, die dann im Volksentscheid niedergestimmt wurde und dann natürlich die Hoffnung auf Seiten der Grünen, die gestern bitter enttäuscht wurde. Der Ausstieg aus der Koalition und der Wechsel hin zu Rot-Grün. Die Rechnung ist nicht aufgegangen.
Stefan Maas: Das heißt, die Grünen trifft vielleicht eine Teilschuld; was aber hat die CDU falsch gemacht?
Kronenberg: Hamburg ist im Grunde ein sozialdemokratisches Pflaster; über Jahrzehnte hinweg sozialdemokratisch geführt. Ole von Beust hat es geschafft, als Verkörperung des großstädtischen Milieus hier den Wechsel herbeizuführen, und als er im Grunde – heute wurde in der Presse auch gesagt, episodenhaft – zurückgetreten ist aus Amtsmüdigkeit, war das ein überaus fatales Signal und sein Nachfolger Christoph Ahlhaus war zwar als Senator schon in der Regierung, hat es aber in keiner Weise verstanden, vor allen Dingen an einer Popularität Ole von Beusts anzuknüpfen und dann - heute ist es auch ganz offensichtlich geworden – ist es der CDU eben nicht gelungen, die Kernwählerschaft an sich zu binden. Offenbar ist es der CDU eben nicht gelungen, CDU-Profil in dieser Schwarz-Grünen Koalition zeigen zu können.
Maas: Das heißt, Wahlen gewinnt man in der Mitte. Galt das in diesem Fall auch für Hamburg?
Kronenberg: Eindeutig ja! Der ganze Wahlkampf ist ja auch so angelegt worden. Ich will nur drei Beispiele nennen. Das eine ist: Er hat von Anfang an im Wahlkampf deutlich gemacht: Auf keinen Fall mit der Linken; in keiner Weise weder Tolerierung noch Regierung. Das Zweite ist, er hat sich auch von der potenziellen Koalitionspartei Grün sehr markant abgegrenzt; hat deutlich gemacht, mit ihm wird es die Elbvertiefung geben; das Stadtbahnprojekt wird es mit ihm nicht geben und ein Drittes – ich glaube, für Hamburger Verhältnisse psychologisch sehr wichtig - ihm ist es gelungen, den Präses der Handelskammer – einer sehr renommierten Hamburger Institution – Frank Horch, an seine Seite zu holen und als künftigen Senator sozusagen zu präsentieren, dass er überaus erfolgreich war. Er hat hier weit in CDU-Milieus einbrechen können und er hat im Grunde ja auch – schauen wir uns die Werte an – hohe Werte in puncto Wirtschaftskompetenz erreicht und liegt da vor der CDU. Das ist natürlich ein großer Erfolg.
Maas: Was kann die Bundes-SPD daraus lernen? Sich in Zukunft und bei den anderen Landtagswahlen nicht mit der Linken um den Platz ganz links zu kämpfen
Kronenberg: Man darf die Hamburger Wahl und die Hamburger Erfahrung nun auch nicht überbewerten. Schon die kommenden Wahlen jetzt am 20. März in Sachsen-Anhalt und darauf folgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden natürlich schwieriger, vor allen Dingen die beiden Erstgenannten für die SPD. Hier ist man in Umfragen auf dem dritten Platz. Das ist überaus prekär. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, diese 1,4 Millionen Stimmberechtigten in Hamburg haben natürlich im Grunde dem Agendaflügel, dem pragmatischen Flügel ein wenig auch dem konservativeren Flügel der SPD wieder Aufwind verliehen. Innerparteilich ist es heute auch spürbar geworden – und man kann natürlich aus Hamburg heraus das Signal auch ableiten, dass die SPD klug beraten ist, nicht nur nach links zu schielen und zu versuchen, hier mit der Linken um Wähler zu konkurrieren, sondern klug beraten ist, in der Mitte zu versuchen, Wahlen zu gewinnen. Die Grünen als Konkurrenz zu begreifen und vor allen Dingen natürlich auch die Union.
Maas: Aber was bedeutet das denn für die Bundes-CDU? Die Kanzlerin hat ja die Parole ausgegeben, die CDU soll wieder konservativer werden. Ist das Ihrer Meinung nach der richtige Schachzug?
Kronenberg: Darüber wird man streiten müssen. Es ist natürlich erklärbar vor dem Hintergrund dieser Landtagswahlen, wobei die entscheidende Wahl eben gestern in Hamburg war; die hat die CDU schon abgeschrieben gehabt in den Wochen zuvor. Die entscheidende Wahl für Frau Merkel und die CDU-Spitze ist natürlich die in Baden-Württemberg. Hier sind die Grünen natürlich zu einem ganz gefährlichen Konkurrenten erwachsen; und hier versucht man mit der "Dagegen-Partei-Strategie" natürlich Einhalt zu bieten. Die Rede von Angela Merkel von Hirngespinsten Schwarz-Grüner Bündnisse glaube ich, darf man nicht überbewerten. Ich glaube, nach den sieben Landtagswahlen wird sie das auch wieder nüchterner sehen, zumal muss man sehen, Ihre Vizin, Annette Schavan, und auch Andere sagen, natürlich Julia Klöckner die Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, die eben sagen: natürlich sind schwarz-grüne Bündnisse möglich auf Landesebene und letztlich müssen sie auch auf Bundesebene möglich sein. In meinen Augen trifft das zu. Die CDU muss in einem – wie man so sagt – fluiden Fünfparteiensystem auch mit den Grünen koalitionsfähig sein. Aber eindeutig ist es natürlich der Fall, dass man mit Blick gerade auf Baden-Württemberg versuchen muss, die sogenannten Stammwähler – auch die konservativeren Milieus, die vielleicht doch auch ein wenig durch den Modernisierungskurs gerade von Angela Merkel – sie hat ihn ja eingeleitet, sie hat die CDU ja auch geöffnet hin zu strategischen Bündnissen mit den Grünen. Diese Stammwählerschaft, diese etwas konservativere Klientel musste sie versuchen zu binden, gerade mit Blick auf den 27. März. Ich glaube, im Herbst dieses Jahres sieht die Welt koalitionspolitisch aus Sicht der CDU auch schon wieder anders, entspannter aus.
Die Hamburg-Wahl und ihre Folgen für das Superwahljahr. Das war im Gespräch Professor Volker Kronenberg. Politologe an der Universität Bonn.