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Gröhe: Koalitionsbruch hat sich für Grüne nicht gelohnt

Die Flucht der Grünen aus der Koalitionsverantwortung ist für CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ein Grund für das schlechte Abschneiden seiner Partei bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen. Hinzu käme "eine Fülle von Gründen, vor allem in der Lokalpolitik."

Hermann Gröhe im Gespräch mit Dirk Müller | 21.02.2011
    Dirk Müller: Ein historisches Ergebnis für die Sozialdemokraten in Hamburg, diesmal zum Guten für die SPD, dagegen eine historische Niederlage für die CDU in der Hansestadt.
    Fast 20 Prozent Verlust für die CDU in Hamburg, das hat es bei Landtagswahlen und sonst bei Wahlen noch nie gegeben in der Bundesrepublik. Darüber reden wollen wir nun mit CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Guten Morgen!

    Hermann Gröhe: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Gröhe, was ist schief gelaufen?

    Gröhe: Nun, ich denke, es sind eine Fülle von Gründen, vor allem in der Lokalpolitik. Die beginnen mit dem Bürgermeisterwechsel, vor allen Dingen aber mit der Flucht der Grünen aus der Koalitionsverantwortung. Da hatte Christoph Ahlhaus kaum Zeit, sich stark zu präsentieren als Bürgermeister, und insofern sind wir dann nicht mehr in ausreichender Weise in der Lage gewesen, die erfolgreiche Bilanz, auf die wir stolz sein können, nach vorne zu tragen. Also eine Fülle von Gründen vor allen Dingen lokalpolitischer Natur, aber natürlich stehen wir an der Seite unserer Freundinnen und Freunde in Hamburg, die toll gekämpft haben.

    Müller: Aber jetzt könnte man umgekehrt sagen, Koalitionsbruch lohnt sich.

    Gröhe: Nein, er lohnt sich ja erkennbar nicht.

    Müller: Für die Grünen zumindest.

    Gröhe: Er hat sich auch für die Grünen nicht gelohnt, die dachten, sie hätten es in der Hand, einfach zu wechseln und zu sagen, wir bleiben immer in der Regierung. Und offensichtlich war ja es auch die Erfahrung grüner Unzuverlässigkeit, die Menschen hat sagen lassen, Stabilität schaffen wir, wenn wir auf eine starke Volkspartei, in dem Fall die SPD setzen, und man gerade Scholz ohne die Grünen wollte. Insofern hat sich auch das Wegrennen aus der Verantwortung durch die Grünen für diese Partei nicht gelohnt.

    Müller: Jetzt haben ja viele gestern auch analysiert, auch heute Morgen Sigmar Gabriel selbst – klar, der musste das so tun -, er hat gesagt, wir haben auch auf Wirtschaftskompetenz gesetzt und haben die sogar in Hamburg zugewiesen bekommen. Heißt das, wenn die SPD wieder mehr wirtschaftsfreundlich agiert, wird sie gefährlich für die CDU?

    Gröhe: Die SPD hat natürlich gerade in Hamburg eine sehr spezifische Ausrichtung immer gehabt, sozusagen auch die Kaufmannschaft über die Entwicklung des Hafens etc. anzusprechen. Es hat geschickte Personalvorschläge von Herrn Scholz in diesem Zusammenhang gegeben. Nur was heißt das für Herrn Gabriel und die Bundes-SPD? Die steuern seit einem Jahr einen konsequenten Linkskurs und können sich doch nun wahrlich nicht auf scholzsches Bemühen um Wirtschaftsfreundlichkeit berufen. Wenn Scholz etwas zeigt, dann vielleicht in der SPD, dass Herr Gabriel mit seinem Linkskurs die falsche Richtung eingeschlagen hat.

    Müller: Dann würden Sie Gabriel jetzt empfehlen, geh auch in Richtung Mitte?

    Gröhe: Ich glaube, dass jeder spüren würde, das ist die Fortsetzung eines unglaubwürdigen Zickzack-Kurses.

    Müller: Wir haben den SPD-Chef gestern gehört. Nicht gehört haben wir die CDU-Chefin, die Kanzlerin. Kommentiert Angela Merkel nur Wahlerfolge?

    Gröhe: Nein, sondern es ist gute Tradition bei uns, dass die Parteivorsitzende gemeinsam mit dem Spitzenkandidat nach den Gremiensitzungen heute Mittag selbstverständlich diese Wahl in Hamburg kommentiert. Das hat bei uns Tradition, am Wahlabend Erfolg oder Misserfolg kommentiert durch die Spitzenkandidaten vor Ort, durch den Generalsekretär in Berlin, heute nach dem Bundesvorstand Angela Merkel und Christoph Ahlhaus gemeinsam vor der Berliner Presse.

    Müller: Herr Gröhe, haben Sie schon über Konsequenzen nachgedacht?

    Gröhe: Ich glaube, wir sollten die Hamburger Freunde jetzt unterstützen, in klarer Weise den Oppositionsauftrag anzunehmen, dass nicht verspielt wird leichtfertig, was an tollen Dingen für die Stadt im letzten Jahrzehnt erreicht wurde. Zum anderen haben wir allen Anlass, auf die jeweilige Situation in den einzelnen Bundesländern zu schauen, in denen jetzt Wahlen anstehen. Dort zeigt sich die Lage völlig anders. Wir gehen jetzt mit ganzer Kraft an die Arbeit, unsere Freunde in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu unterstützen, und sind sicher, dass wir dort mit starken Chancen in die Wahlen gehen.

    Müller: Inwieweit, Herr Gröhe, ist aber das Ergebnis von gestern, Auftakt Superwahljahr 2011, ein Menetekel für die Christdemokraten?

    Gröhe: Wir haben durch alle Befragungen erfahren, dass weit über 80 Prozent der Menschen in Hamburg dies als eine lokale Entscheidung ansehen. Schon seit Wochen haben wir ein Auseinandergehen der sich verbessernden Umfragen der CDU auf Bundesebene, der sich erfreulich entwickelnden Umfragen in den genannten Bundesländern, in denen Landtagswahlen vor der Tür stehen. Insofern: Dieses ist die Ausgangslage, die vor uns liegt, und darüber hinaus sollte man jetzt auch nicht so tun, als sei das eine Vorentscheidung für kommende Wahlen gewesen.

    Müller: Wird Karl Theodor zu Guttenberg ein Menetekel für die CDU?

    Gröhe: Karl Theodor zu Guttenberg ist ein überaus beliebter und erfolgreicher Verteidigungsminister, der in Person und Sache die Solidarität der Union hat.

    Müller: Und die ganzen Vorwürfe gegen ihn fechten Sie nicht an?

    Gröhe: Die Äußerungen von Karl Theodor zu Guttenberg und das Verfahren, das dafür vorgesehen ist, weisen jetzt den Weg, dass die Fragen der Doktorarbeit zu bearbeiten sind in der Universität Bayreuth. Die wird das in angemessener Weise zu tun haben und tun. Da habe ich gar keinen Zweifel. Wir sind gefordert, politisch zu bewerten, und wir bewerten die Arbeit von Karl Theodor zu Guttenberg als überaus wichtig für unser Land und als erfolgreich, und deswegen stehen wir zu dieser Person.

    Müller: Und das andere ist jetzt nicht so wichtig?

    Gröhe: Nein, das andere ist kein politischer Bewertungsvorgang, und die Universität Bayreuth würde sich zurecht verbitten, wenn andere jetzt sich an ihre Stelle setzen. Das gilt für uns, das gilt erst recht für die Opposition, wo ja lauter wandelnde Promotionskomitees jetzt durch die Gegend rennen. Karl Theodor zu Guttenberg hat eine klare Erklärung abgegeben und es ist Aufgabe der Uni Bayreuth, die wissenschaftliche Arbeit zu bewerten, und Vorverurteilungen, schon gar von Menschen, die dazu wissenschaftlich nicht berufen sind, sollten unterbleiben.

    Müller: Herr Gröhe, da kann ich Sie auch noch mal fragen: Waren Sie denn mit der Erklärung des Verteidigungsministers zufrieden am Freitag?

    Gröhe: Er hat klar zu den Vorwürfen Stellung genommen und er hat vor allen Dingen gesagt, selbstverständlich stellt er sich dem Verfahren, das dafür vorgesehen ist. Insofern ist das eine gute Erklärung.

    Müller: Und die Journalisten außen vor zu lassen, war auch in Ordnung?

    Gröhe: Wissen Sie, ich kommentiere jetzt nicht die Pressearbeit, sondern es geht um Vorwürfe, die ja zunächst eine Universitätsarbeit betreffen. Da wird es Klarheit geben durch das, was die Universität schafft. Das ist für mich entscheidend. Für uns als politische Partei ist wichtig, welche politische Arbeit leistet Karl Theodor zu Guttenberg. Er bringt in dieser Woche die Bundeswehrreform nach vorne, er ist ein starker Verteidigungsminister, das ist die Grundlage unserer Solidarität mit ihm.

    Müller: Und die Glaubwürdigkeit des Verteidigungsministers ist wie angeschlagen?

    Gröhe: Sie versuchen, mich letztlich jetzt doch zu einer fachlichen Bewertung zu verleiten. Dafür sind nicht politische Prozesse verantwortlich, eine Doktorarbeit wissenschaftlich zu bewerten. Die Frage der Glaubwürdigkeit hängt im letzten natürlich mit der wissenschaftlichen Bewertung zusammen, und insofern warten wir jetzt ab. Ich gehe davon aus, dass die Universität Bayreuth erstens ein Interesse hat, die Dinge zügig zu entscheiden, zweitens selbstverständlich ohne Ansehung der Person auch ihren Ruf als Universität im Blick hat, und dann können die Erklärungen gewichtet werden. Jetzt gilt die Unschuldsvermutung und ein geordnetes Verfahren.

    Müller: CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Gröhe: Vielen Dank, Herr Müller.