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Olaf Scholz will Hartz IV nicht abschaffen

Die SPD debattiert über Hartz IV und ist dabei nicht immer derselben Meinung: Während Bundesfinanzminister Olaf Scholz an Hartz IV festhält, zeigen sich einige seiner Parteikollegen offen für das Konzept eines solidarischen Grundeinkommens. Beim Koalitionspartner Union überwiegt hingegen Skepsis.

Von Paul Vorreiter | 29.03.2018
    Bundesfinanzminister Scholz gibt im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zum Thema Haushalt und Finanzen ab.
    Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister, will Hartz IV behalten (Wolfgang Kumm/dpa )
    Die SPD hat Erwartungen geweckt, sie könne in dieser Wahlperiode das Ende von Hartz IV einleiten, nun signalisiert allerdings Vize-Kanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz, dass seine Partei nicht den großen Wurf machen wird.
    Der kommissarische SPD-Chef sagte den Zeitungen der "Funke Mediengruppe", für die Sozialdemokraten bleibe es beim Kernprinzip dieser Arbeitsmarktreform. Auch Herr Müller und Herr Stegner stellten das Prinzip des Förderns und Forderns nicht infrage", sagte er mit Blick auf seinen Stellvertreter und den Regierenden Bürgermeister von Berlin. Beide hatten die Debatte über Alternativen zu Hartz IV angetrieben.
    Müller plädiert für ein solidarisches Grundeinkommen. Dabei handelt es sich um staatliche, gemeinwohlorientierte, steuerfinanzierte Vollzeitjobs auf Mindestlohnniveau. Statt mit Hartz IV Langzeitarbeitslosigkeit zu verwalten, so argumentiert Müller, solle man sich diese Kosten lieber sparen und Betroffene sinnvolle Tätigkeiten machen lassen. Allerdings ist das ein freiwilliges Angebot. Wer es ablehnt, bekommt einfach weiterhin Hartz IV. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat sich das Konzept genauer angesehen. Finanzexperte Stefan Bach:
    "Wir rechnen mit Kosten von etwa 5000 Euro pro Jahr zusätzlich über alle staatlichen Ebenen saldiert. Das wären bei 100-tausend zusätzlichen Stellen Kosten von 500 Millionen Euro im Jahr. Das sollte sicherlich drin sein angesichts der Budget-Überschüsse, die wir haben."
    Hartz IV abschaffen?
    SPD-Parteivize Malu Dreyer unterstützt die Debatte über das solidarische Grundeinkommen und sieht bereits das Ende von Hartz IV kommen, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hält die Diskussion für notwendig und ist einem solchen Konzept ebenso aufgeschlossen.
    Beim Koalitionspartner Union überwiegt hingegen Skepsis. Uwe Schummer, Vorsitzender der Arbeitsnehmergruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:
    "Das, was mit dem solidarischen Grundeinkommen verlangt wird der richtige Weg ist, das sehe ich noch kritisch, weil da ist mir noch zu viel Paralleleinkommen, also Sonderwelten und abgeschottet vom ersten Arbeitsmarkt, sondern es muss immer Brücken geben zum ersten Arbeitsmarkt."
    Und dieser reguläre Arbeitsmarkt sei derzeit aufnahmefähig wie ein Schwamm. Das sagte der Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, Carsten Linnemann, der Zeitung "Die Welt". Er fände es geradezu grotesk, einen staatlich organisierten "Nebenarbeitsmarkt" schaffen zu wollen, erklärte der CDU-Politiker.
    Der Chef des christdemokratischen Arbeitnehmerflügels und nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl Josef Laumann, wird ebenso deutlich. Seiner Meinung nach müsse Hartz IV nicht reformiert oder abgeschafft werden und es brauche auch keinen neuen Namen.
    Doch auch die neue Große Koalition will bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit nicht alles beim Alten lassen. Ein sozialer Arbeitsmarkt soll geschaffen werden. Damit sollen etwa 150-tausend Langzeitarbeitslose in sozialversicherungspflichtige Jobs gebracht werden. Unterstützt durch Lohnkostenzuschüsse, Coaching und Beratung.
    1,6 Millionen Hartz-IV-Empfänger
    Die Details des vier Milliarden Euro teuren Projekts muss Bundesarbeitsminister Hubertus Heil noch ausarbeiten. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bezeichnete er diese Maßnahme als einen wichtigen Schritt auf dem Weg hin zu einem solidarischen Grundeinkommen.
    Allerdings kann dieses Konzept nicht allen Langzeitarbeitslosen helfen. Deren Zahl ist nämlich deutlich höher, sie liegt bei etwa einer Million. Insgesamt gibt es circa 1,6 Millionen Hartz-IV-Empfänger. Pascal Kober, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion bezeichnete Heils Pläne als Abschiebebahnhof für Arbeitslose.
    Grüne und Linke begrüßen unterdessen die Debatte, wie die Lage von Hartz-IV-Empfängern verbessert werden kann. Aber es gibt auch Skepsis, wie ernst es die SPD wirklich meint: Gesine Lötzsch, die stellvertretende Linken-Fraktionschefin, heute im ZDF-Morgenmagazin:
    "Ich glaube, dass die SPD sehr weit entfernt ist davon im Augenblick einen konkreten Vorschlag vorzulegen, denn die CDU - ihr Koalitionspartner - hat ja schon gesagt, da machen wir nicht mit. Und wir haben in den vergangenen Jahren der Großen Koalition erlebt, dass die SPD wirklich alles mitgetragen hat, was die CDU ihr diktiert hat."
    Am Mittag will sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf einer Pressekonferenz in Berlin zur Debatte äußern. Trotz der Absage von Olaf Scholz an eine grundsätzliche Reform, dürfte die Diskussion über Hartz IV damit noch lange weitergehen.