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SPD-Politiker begrüßt Minister-Kompromiss zum Bleiberecht

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernd Scheelen hat die Verständigung der Innenminister der Länder auf ein Bleiberecht für geduldete Ausländer als einen "ersten positiven Schritt" begrüßt. Er sei zuversichtlich, dass auch eine Regelung für jene Betroffenen gefunden wird, die bis September 2007 keinen Arbeitsplatz in Deutschland haben, sagte der kommunalpolitische Sprecher seiner Fraktion. Diese Gruppe wurde von dem Beschluss der Innenminister zunächst ausgenommen.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Guten Tag, Herr Scheelen!

    Bernd Scheelen: Guten Tag, Herr Breker!.

    Breker: Herr Scheelen, aus Ihrer Sicht ein guter Kompromiss, mit dem Sie gut leben können als kommunalpolitischer Sprecher und als Bürgermeister von Krefeld?

    Scheelen: Ich finde, dass das ein guter Kompromiss ist. Diese Frist bis September nächsten Jahres gibt ja denen, die den Duldungsstatus haben und Arbeit haben, zunächst eine Sicherheit ab Montag sozusagen ja schon direkt. Und für die anderen werden wir auf Bundesebene versuchen eine Lösung zu finden. Und wir als kommunalpolitisch Interessierte in der Bundestagsfraktion werden natürlich ein Augenmerk darauf haben, dass das auch ein fairer Kompromiss ist, den auch die Kommunen finanzieren können.

    Breker: Wir haben gehört, für 30.000 bis 50.000 Menschen trifft das zu, die ab Montag sozusagen einen gesicherten Aufenthalt in diesem Land haben. Für die anderen könnte es eng werden, denn zehn Monate ist knapp.

    Scheelen: Ja, das wird dann davon abhängen, wie schnell wir auf Bundesebene Anschlussregelungen finden. Ich glaube, dass das machbar ist. Wichtig an dem Kompromiss jetzt ist, dass die Kommunen mehr Sicherheit haben, in Fällen zu entscheiden. Es gab immer eine gewisse Grauzone in den Kommunen, Bleiberechte aussprechen konnten oder auch nicht in Fällen von drohender Abschiebung. Diese Grauzone ist jetzt deutlich verringert.

    Breker: Es droht die Zuwanderung in die Sozialsysteme, hieß es vor allen Dingen von Seiten der unionsgeführten Länder. Helfen Sie mir zu verstehen: Die, die Arbeit haben, die waren doch gar nicht im Sozialsystem. Und die, die keine Arbeit…

    Scheelen: Das sehe ich ähnlich wie Sie. Das Thema Zuwanderung in die Sozialsysteme ist aus meiner Sicht ein Popanz, der da aufgebaut worden ist. Wenn Sie sich allein vorstellen, dass ja sechs oder acht Jahre Aufenthalt im Land erforderlich sind, um überhaupt die Möglichkeit zu bekommen, ein Bleiberecht zu bekommen, ist es mit der Zuwanderung etwas schwierig. Die, die jetzt kämen, müssten ja dann erst mal sechs oder acht Jahre hier versuchen, einen Aufenthalt zu bekommen. Das ist ja nicht so einfach. Also ich glaube, das war eine politische Position, die aufgebaut worden ist, um diesen Kompromiss jetzt zu finden, insofern ist das in Ordnung. Mit dem Kompromiss können die Kommunen gut leben. Ich habe vor einiger Zeit heute eine Blitzabfrage gemacht bei den kommunalen Spitzenverbänden, auch in meiner Stadtverwaltung. Die Resonanz ist durchaus positiv.

    Breker: Diejenigen, die Arbeit vorweisen können, Herr Scheelen, da fragt man sich, wie das in der Praxis aussieht. Ist es nicht so, dass jeder, der hier geduldet ist, erst einmal, wenn er denn einen Arbeitsplatz hat, damit zum Arbeitsamt geht, und dann schaut das Arbeitsamt nach, ob nicht auch ein Deutscher diese Arbeit machen kann.

    Scheelen: Ja, das ist bisher so. Dieser Drehtüreffekt, dass die Kommune den Bittstellern dann erstmal sagt, geht mal zum Arbeitsamt und besorgt euch eine Arbeitserlaubnis. Und das Arbeitsamt sagt, guckt erstmal, dass ihr ein Bleiberecht bekommt, weil natürlich der Vorrang der Deutschen bei der Besetzung von Arbeitsplätzen gilt. Aber das gilt halt nicht für alle Bereiche des Arbeitslebens. Es gibt ja auch Mangelsegmente in der Wirtschaft, und da werden dann schon mal Ausnahmen gemacht.

    Breker: Das heißt, daran wird sich erst einmal nichts ändern, das wird so bleiben.

    Scheelen: Ja, weil ja zunächst mal diejenigen, die Arbeit haben, diesen Status bekommen. Diejenigen, die Arbeit suchen, werden natürlich auch eine Chance haben müssen, dann Arbeitsplätze auch auszufüllen. Und das bedeutet, dass sie dann diesen Aufenthaltstitel haben müssen.

    Breker: Man rechnet damit, dass 30.000 bis 50.000, die jetzt eine Arbeit haben, davon profitieren und ab Montag eine gesicherte Bleibe in diesem Land haben. Die anderen haben Zeit bis zum September 2007. Das sind zehn Monate statt zwei Jahre. Zehn Monate, kann das reichen?

    Scheelen: Ich denke, das wird - ich sage es noch mal - davon abhängen, wie wir auf Bundesebene für die anderen Fälle, um die es da geht, die dann nach diesem September vor der Frage stehen, wie geht es weiter, ob wir für die dann gesetzlich eine Regelung finden. Ich bin da ganz zuversichtlich, dass das möglich ist.

    Breker: Also ist dieser Kompromiss eigentlich auch ein Zeitgewinn für den Großteil derer, die geduldet hier leben.

    Scheelen: Ja, das ist ein Zeitgewinn von zehn Monaten. Und Gesetzgebung ist auch in der Zeit möglich.

    Breker: Und die Verhandlungen dazu beginnen sozusagen auch ab Montag?

    Scheelen: Die werden ab Montag beginnen, ja.

    Breker: Und die Position der SPD?

    Scheelen: Wir haben ja diesen Kompromiss zunächst mal mit dem Koalitionspartner gefunden, eh dieser Kompromiss in die Konferenz der Landesinnenminister gegangen ist. Ich denke, dass wir versuchen werden, den Kompromiss, den wir mit CDU/CSU gefunden haben, dann so umzubauen, dass er gesetzlich das erbringt, was er ursprünglich bringen sollte.

    Breker: Und die Länder haben da wieder ein Mitspracherecht.

    Scheelen: Natürlich haben die Länder ein Mitspracherecht. Aber es geht ja letztlich immer um Kostenfragen. Es hat Erfolg bei der Frage, wer übernimmt Kosten in welcher Größenordnung.

    Breker: Das heißt, der Bund könnte, wenn er denn zu einem Kompromiss innerhalb der Großen Koalition kommt, diesen Kompromiss befördern, in dem er etwa den Kommunen offeriert, einen Teil der Kosten zu übernehmen.

    Scheelen: Ja, das passiert ja auch heute schon. Man muss halt sehen, wie sich Belastungen verschieben durch neue Regelungen. Und dann muss man da faire Lösungen finden. Der Bund ist ja auch nicht in der Lage, das Geld mit vollen Händen auszugeben. Das können die Kommunen auch nicht und die Länder auch nicht. Das heißt, wir müssen Lösungen finden, die finanziell für alle Ebenen tragbar sind.

    Breker: Und Ihre Zuversicht bleibt, auch angesichts dieser Fakten.

    Scheelen: Ich bin von Grund auf Optimist, und ich glaube, dass wir da zu einem guten Ergebnis kommen können. Ich finde, die Einigung heute ist ein erster positiver Schritt in diese Richtung. Und jetzt liegt es an uns, auf der Bundesebene das fortzusetzen.

    Breker: Im Deutschlandfunk in den "Informationen am Mittag" war das der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernd Scheelen. Herr Scheelen, danke für dieses Gespräch.

    Scheelen: Gerne, Herr Breker.