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SPD-Politiker: Das BAföG müsste erhöht werden

Der Bund steckt 650 Millionen zusätzlich in neue Studienplätze. Mehr als ein Drittel der Summe dafür nimmt Annette Schavan aus dem BAföG-Etat. Die Freibeträge der Eltern sollten um sieben Prozent erhöht werden, sagt SPD-Politiker Klaus Hagemann, damit mehr Studierende BAföG beziehen können und ein Studium anfangen.

Klaus Hagemann im Gespräch mit Sandra Pfister | 03.07.2012
    Sandra Pfister: Für Studierende hatte das Bundesbildungsministerium vergangene Woche eine gute und eine schlechte Nachricht parat. Verkündet hat es nur die gute: Der Bund steckt 650 Millionen zusätzlich in neue Studienplätze. Die schlechte Nachricht: Mehr als ein Drittel der Summe dafür, eine viertel Milliarde Euro nimmt Annette Schavan einfach aus dem BAföG-Etat. Der Bund setzt vor allem darauf, dass die Löhne steigen. Dann wären weniger Kinder anspruchsberechtigt, weil ihre Eltern zu gut verdienen, und es würden mehr Darlehen zurückbezahlt. Darüber sprechen wir mit dem SPD-Abgeordneten und Bildungspolitiker Klaus Hagemann. Guten Tag!

    Klaus Hagemann: Guten Tag, Frau Pfister, ich grüße Sie hier aus dem sonnigen Rheinhessen!

    Pfister: Da haben Sie uns was voraus, hier ist es bewölkt. Es ist ja nun nicht so, dass jemandem, dem BAföG zugesagt wurde, dass dem das Geld auf einmal jetzt gestrichen wird im nächsten Jahr. Die Kriterien dafür, dass jemand BAföG bekommt, die bleiben gleich. Annette Schavan glaubt bloß, dass in den kommenden Jahren weniger junge Menschen Anspruch auf BAföG überhaupt erheben werden. Das Geld würde dann ohnehin nicht abgerufen, sagt sie. Ist es dann nicht okay, Geld dahin zu transferieren, wo die Studierenden es im Moment dringender brauchen?

    Hagemann: Sie haben recht, und die Ministerin auch, dass bei den individuellen BAföG-Bedingungen nichts geändert wird. Aber wenn ich die Mittel wegnehme und sie für andere Zwecke umschichte, dann fehlen sie natürlich dem BAföG. Denn es wird keine Erhöhung vorgenommen, weder ist es für dieses Jahr vorgesehen noch für das kommende Jahr, und für die mittelfristige Finanzplanung auch nicht. Das richtet sich insbesondere auf die Freibeträge hin, denn die Freibeträge der Eltern, die regeln ja, wie viele Studierende überhaupt ins BAföG hineinkommen. Und wenn ich nichts ändere, dann ist es natürlich so, dass weniger Studierende oder nicht mehr Studierende hinzukommen als zu dem Bestand, der jetzt besteht.

    Pfister: Es war der Koalition noch nie ein besonders großes Anliegen, Kinder aus ärmeren Familien noch stärker an die Hochschulen zu holen. Hat Sie das wirklich überrascht?

    Hagemann: Nein. Überrascht hat mich das überhaupt nicht. Und auf der anderen Seite schwadroniert man, dass man Fachkräftemangel hat und dass insbesondere Spitzenpositionen fehlen. Wenn man überlegt, dass ein Arbeiteranteil an den Studierenden unter 15 Prozent liegt, dann wären eigentlich unsere Bemühungen und unsere Überlegungen richtig, gerade die Freibeträge deutlich zu erhöhen. Wir haben im vergangenen Jahr einen Antrag im Haushaltsausschuss eingebracht und auch im Deutschen Bundestag, die Freibeträge um sieben Prozent zu erhöhen, dass man genau diesen Bevölkerungsschichten die Möglichkeit gibt, BAföG zu erwerben und damit ein Studium anzufangen.

    Pfister: Wenn Sie die Freibeträge um sieben Prozent erhöht hätten, wie viele Studierende oder potenzielle Studierende wären dann mehr in den Genuss von BAföG gekommen?

    Hagemann: Das ist immer individuell sehr schwierig, weil die BAföG-Berechnung sehr schwierig ist, aber es wäre ein erhebliches Mehr an Zahl studienfähiger Studierender hinzugekommen, das kann ich jetzt nicht quantifizieren.

    Pfister: Nun kann man Frau Schavan nicht vorwerfen, dass sie nicht mit offenen Karten gespielt hätte, sie hat ja schon im Januar gesagt, mehr Kohle gibt es nicht für die Ausbildungsförderung. Sie hat sich im Regierungsbericht damals ganz bewusst und seit Jahren zum allerersten Mal nicht für die Erhöhung der BAföG-Sätze ausgesprochen. Insofern konnten Sie sich zumindest drauf einstellen.

    Hagemann: Ja, der 19. BAföG-Bericht liegt seit Jahresanfang, also ein halbes Jahr jetzt, vor, und es ist nichts geschehen, und das müssen wir ihr vorwerfen. Während auf der anderen Seite wieder jetzt – das sind zwar zahlenmäßig nicht dieselben Dimensionen, aber dass Deutschlandstipendium, das ja nun eine Elitenförderung ist, da wird kräftig draufgepackt, obwohl die Nachfrage gar nicht so groß ist und viel Geld dadurch wieder verloren geht. Wir meinen, das BAföG muss erhöht werden, um nicht nur eine Elitenförderung zu machen, sondern auch eine Breitenförderung durchzuführen. Und ich nehme noch mal das Stichwort auf, Fachkräftemangel gerade im Ingenieurbereich und im naturwissenschaftlichen Bereich ist dringend notwendig, und da sind alle Schichten der Bevölkerung eigentlich auch gefordert.

    Pfister: Nun ist es natürlich einfach, immer auf den Bund draufzuhauen, weil der nicht mehr fürs BAföG ausgibt, aber der Bund trägt auch nur einen Teil der BAföG-Kosten. Mehr als ein Drittel tragen die Länder selbst, und die kommen auch nicht in die Pötte.

    Hagemann: Ja, ich habe jetzt gerade gelesen, Frau Schavan habe erst letzte Woche die Länder angeschrieben und hier um Stellungnahme gebeten. Sie muss dafür kämpfen eigentlich, dass das BAföG erhöht wird, gemeinsam mit den Ländern, damit die Länderkultusminister sich auch gegenüber ihren Finanzministern durchsetzen können, und das ist Problem. Und noch mal eins: In der mittelfristigen Finanzplanung, die bis zum Jahre 2016 geht, sind ja auch die Mittel für den Bildungsbereich werden nicht erhöht, sondern sie gehen tendenziell leicht nach unten, genau so wie für das BAföG. Und wenn ich überlege, dass natürlich auch noch die Inflation mit einberechnet wird, so ist es für die Studierenden unter dem Strich eigentlich ein Minusgeschäft.

    Pfister: Stichwort Inflation. Das ist ein gutes Stichwort. Die 250 Milliarden, die im nächsten Jahr vom BAföG abgezweigt werden, um die mehr Studienplätzen zuzuleiten. Wie hätten Sie die eingesetzt? Indem Sie die Masse mehr fördern, also indem Sie mehr Studierende aufnehmen, oder indem Sie jedem der geförderten Studierenden mehr gegeben hätten, beispielsweise um die Inflation auszugleichen?

    Hagemann: Wir haben in unserem Vorschlag, den wir voriges Jahr vorgelegt haben, vorgesehen auch eine Erhöhung bei den Individualfällen, also eine leichte Erhöhung durchzuführen. Wir hatten drei Prozent vorgeschlagen. Und wir hatten sieben Prozent für die Freibeträge vorgeschlagen, damit mehr Studierende in die Gunst kommen, BAföG zu beziehen, und wir hatten natürlich auch eine Gegenfinanzierung vorgelegt, das ist selbstverständlich. Wir hatten insgesamt ein Bildungsförderprogramm vorgeschlagen über zwei Milliarden für jedes Jahr obendrauf, und da hätte man eben auch das steuerlich berücksichtigen müssen, dass hier der Bund und der Staat allgemein mehr Einnahmen hat, beispielsweise Finanztransaktionssteuer, zum Beispiel Vermögenssteuer und so weiter, dass sicher auch entsprechende Förderungen vorgenommen werden können.

    Pfister: Der Bund spart im kommenden Jahr etwa eine viertel Milliarde Euro an BAföG ein. Das kritisiert die Opposition bei uns in Gestalt des SPD-Abgeordneten Klaus Hagemann. Danke, Herr Hagemann!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.