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SPD-Politiker Kelber: Bush bleibt Bremser beim Klimaschutz

SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber fürchtet, dass US-Präsident George W. Bush mit seinen Vorschlägen zum Klimaschutz nur auf Zeit spielen will. Es werde schwierig, beim G8-Gipfel in der nächsten Woche einen einheitlichen Beschluss zum Klimaschutz zu erreichen, sagte Kelber. Formelkompromisse würden in dieser entscheidenden Frage nicht weiter helfen.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Die Bundesregierung möchte den Ausstoß des Treibhausgases bis 2050 halbieren. Davon möchte der US-Präsident bislang nichts wissen. Insofern fragt man sich in Berlin schon, ob die Aufforderung zu einem Klimagipfel eine Einladung zu einem Ablenkungsmanöver sein sollte. ( MP3-Audio , Bericht von Gerhard Irmler)

    Am Telefon ist jetzt Ulrich Kelber (SPD), stellvertretender Fraktionschef und zuständig für die Umweltpolitik. Guten Tag!

    Ulrich Kelber: Guten Tag!

    Heinemann: Herr Kelber, wie bewerten Sie den Vorschlag des US-Präsidenten?

    Kelber: Es besteht die große Gefahr, dass es nichts anderes ist als ein Manöver, um Zeit zu schinden, sich nicht dieses Jahr festlegen zu müssen, sondern, Bush hat ja auch nur noch wenige Monat dann im nächsten Jahr als Präsident über diese Zeit zu gehen und eigentlich nichts tun zu müssen, denn er hat nichts anderes gesagt als "Lasst uns nächstes Jahr zusammensetzen und über konkrete Ziele verhandeln, anstatt nächste Woche zu entscheiden".

    Heinemann: Also klimapolitisch kein weißer Rauch aus dem Weißen Haus?

    Kelber: Kein weißer Rauch. Bush muss sich bewegen. Der Druck ist größer geworden in Amerika; das stimmt. Leider haben die amerikanischen Medien wenig über den Streit jetzt im Vorfeld des G8-Treffens berichtet. Er hat zumindest seinen Effekt wohl in einigen der Medien erzielt. Es entsteht dort der Eindruck, als sei er jetzt ein grüner Präsident, weil er diesen Vorstoß gemacht hat. Noch ist in Amerika nicht angekommen, dass er damit weiterhin der Bremser ist.

    Heinemann: Vertagung ist ja ein beliebtes Mittel, um Vorschläge zu torpedieren. Ist das das Ziel, oder geht es tatsächlich nur um ein Spiel auf Zeit?

    Kelber: Eine genaue Interpretation ist natürlich schwierig, aber der Eindruck erscheint so, als sei das genau das Ziel. Sowohl die Art wie der Inhalt als auch der Zeitpunkt des Vorstoßes weist darauf hin, dass er nicht konstruktiv gemeint ist, sondern nur versucht, jetzt Festlegungen schon in der nächsten Woche zu verhindern, dann Zeit zu gewinnen, und keiner kann voraussagen, wie dann die amerikanische Administration agieren würde. Bisher haben wir sie als brutal erlebt bis hin zum Fälschen von wissenschaftlichen Ergebnissen.

    Heinemann: Was heißt das jetzt für Heiligendamm?

    Kelber: Es wird schwierig werden, dort eine einheitliche Beschlusslage zum Thema Klimaschutz zu erreichen. Es werden vermutlich mit dieser amerikanischen Administration nur noch Formelkompromisse zu machen sein. Die helfen in dieser entscheidenden Frage nicht weiter. Dann sollte es lieber ohne Beschlusslagen bleiben, als dass sich später die Amerikaner auf nichts sagende Beschlüsse, die die anderen mit unterzeichnet haben, zurückziehen können.

    Heinemann: Herr Kelber, andererseits könnte man doch sagen, Bush ist jetzt wenigstens auf Kyoto-Linie. Er anerkennt, dass alle in einem Boot sitzen, und dazu war nicht einmal Präsident Clinton bereit.

    Kelber: Bush hat ja gesagt, wir setzen uns im nächsten Jahr zusammen als Industrienationen und Schwellenländer. Das heißt, er macht weiterhin die Aussage, dass auch Schwellenländer sich bereits verpflichten müssen, bevor die Amerikaner, die den weltweit größten Anteil haben, pro Kopf, ohnehin den größten Pro-Kopf-Ausstoß aller Industrienationen, bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Diese Methode unterscheidet sich doch ganz klar von dem, was die Europäer gemacht haben, nämlich zu sagen, wir werden auf jeden Fall um 20 Prozent reduzieren, unabhängig davon, was die anderen machen - das ist Teil unserer Verantwortung -, und wir bieten an, in einer konzertierten Aktion noch mehr zu machen. Das ist die richtige Vorgehensweise und davon ist Bush weit entfernt. Er ist nicht bereit zu multilateralen Verträgen, und er ist nicht bereit zu Zielvorgaben. Er sagt immer noch, man muss auf Maßnahmen sich einigen, Technologieausbau und Ähnliches, aber keine Reduktionsverpflichtung. Das ist das Einzige, was wirklich noch hilft, den Klimawandel aufzuhalten.

    Heinemann: Gleichwohl muss man doch den jungen Staaten, den Schwellenländern klar machen, dass sie die Fehler der alten nicht wiederholen können?

    Kelber: Nicht klar machen, sondern ihnen zeigen, wie es geht. Man darf sich da keine Täuschung machen. Dort kommen Vorschläge, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer sich stark beschränken sollen, auch so an, als würde man versuchen, ihnen die Entwicklung zu versagen. Das heißt, gerade Europa und Nordamerika müssen vorleben, dass Wohlstand und Klimaschutz vereinbar ist. Deswegen müssen diese Länder, die auch für die Emission der Treibhausgase bisher historisch verantwortlich waren, das als Vorreiter demonstrieren. Dann kann man sagen, auch ihr müsst Grenzen in eurer Entwicklung akzeptieren. Aber mal ein Vergleich: Ein Amerikaner ist noch für mehr als 20 Tonnen Treibhausgas-Emissionen im Jahr verantwortlich, ein Inder im Schnitt noch für unter 1 Tonne.

    Heinemann: Gleichwohl ist doch die US-Klimapolitik unter Umständen besser als ihr Ruf. Der Emissionshandel zum Beispiel ist eine amerikanische Erfindung.

    Kelber: Der Emissionshandel ist eine amerikanische Idee. Nur, die amerikanische Bundesebene beteiligt sich nicht daran. Es kommt viel Initiative von Seiten der Bundesstaaten, die jetzt einen eigenen Emissionshandel aufziehen, auch aus Kalifornien. Es ist einiges in Bewegung, und der Bremsstein in den USA ist die Administration unter Präsident Bush. Dahinter passiert viel, und alle ernst zu nehmenden Kandidaturen für die Präsidentschaft 2008 haben angekündigt, deutlich mehr im Klimaschutz machen zu wollen.

    Heinemann: Herr Kelber, beim Klimaschutz, da sollte es eigentlich keine Zuschauer geben. Könnten Klimaziele nicht bei den Bürgern den Eindruck erwecken, nun könnte jeder weiter machen wie bisher, wenn Politiker irgendwelche abstrakten Zahlen jonglieren. Geht es eigentlich auch ohne persönliche Einschränkung, ohne weniger Pkw-Verkehr zum Beispiel?

    Kelber: Wir brauchen eine industrielle Revolution mit neuen Technologien, sehr viel effizienter mit Ressourcen umgehen und den totalen Umschwenk auf erneuerbare Energien und erneuerbare Rohstoffe noch in diesem Jahrhundert. Es werden sich aber auch Verhaltensweisen ändern müssen. Zu glauben, dass der Jetset-Teil der Bevölkerung, was ja nur ein kleiner Teil ist, 10-, 15-mal im Jahr mit dem Flugzeug verreisen kann, das wird auch das effizienteste Flugzeug, das mit Biokraftstoffen angetrieben ist, nicht leisten können, dass da die Menge von Treibhausgasen, die ausgestoßen worden sind, verträglich für das Weltklima sind. Das heißt, man muss Lebensqualität auch etwas anders definieren, aber der Großteil wird schon über die Technologie kommen müssen. Weil: Verzicht zu predigen, klappt nur bei einem Teil der hiesigen Bevölkerung, und gegenüber armen Bauern in China oder Indien werden sie mit dieser Methode kaum weit vorankommen.

    Heinemann: Im Zusammenhang mit dem Klima, mit der Klimadiskussion wird ja G8 an sich schon kritisiert. Die Wiege von Heiligendamm stand ja in Rambouillet. Dort fand 1975 der erste Weltwirtschaftsgipfel statt. G8 hat ja mit den damaligen G6 nicht mehr sehr viel zu tun. Wie sinnvoll ist Ihrer Meinung nach eine Veranstaltung, bei der ja die Schlusserklärungen schon quasi vorher gedruckt sind?

    Kelber: Beim Klimaschutz ist klar, dass an einer Vereinbarung auf Ebene der Vereinten Nationen nichts vorbei geht. Das ist die Grundvoraussetzung, um weltweit agieren zu können. Aber das Thema ist so wichtig, dass wir viele Gemeinschaften, Gruppen von Ländern brauchen, die vorangehen mit bestimmten Technologien, mit bestimmten Zielen, mit Hilfen für die Dritte Welt, und auch die G8 wird ihren Bestandteil leisten müssen, nämlich mit der G8 und den großen Schwellenländern, die hinzukommen, sitzen zwei Drittel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen an einem Tisch. Wenn von dort ein Signal ausgeht, wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, dann ist das der beste Treibsatz für ein Funktionieren der UN-Konferenz im nächsten Jahr.

    Heinemann: Und wird es dazu kommen?

    Kelber: Wenn es nicht dazu kommt, ist das eine Hypothek, ganz klar. Die Europäer haben in bewundernswerter Klarheit als eine Gruppe von 27 Ländern einen Beschluss gefasst auf dem Frühjahrsgipfel, indem sie gesagt haben, in Europa wird es einen verstärkten Klimaschutz geben, egal was andere Länder machen. Dieses Signal ist angekommen in China, in Indien und in weiten Teilen der USA auch. Nur dieser Präsident ignoriert es wissentlich.

    Heinemann: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Kelber: Auf Wiederhören.