Oliver Thoma: Walter Kolbow war bei Rot-Grün Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Jetzt ist er stellvertretender SPD-Fraktionschef im Bundestag und dort unter anderem zuständig für Äußeres und Verteidigung. Das passt aber sehr gut zum Thema. Schönen guten Morgen, Herr Kolbow!
Walter Kolbow: Guten Morgen!
Thoma: Morgen die große Libanon-Konferenz in Rom mit den versammelten Außenministern. Auch sonst laufen die diplomatischen Anstrengungen auf Hochtouren. Wie weit sind denn Israel und Libanon noch von einer Waffenruhe entfernt?
Kolbow: Ich denke, dass die diplomatischen Bemühungen endlich in ein Stadium getreten sind innerhalb der internationalen Gemeinschaft, die von einer Bewegung sprechen können. Jetzt kommt es sehr darauf an, die beiden dazu zu bringen, den Vorschlägen der internationalen Gemeinschaft auf der Grundlage des Annan-Plans Rechnung zu tragen und dann für Zustimmung hier auch einzutreten. Wichtig ist aber, dass wir sofort einen Versorgungskorridor zur humanitären Hilfe bekommen. Denn im Libanon ist es eine sehr schwierige und für die Menschen nicht hinnehmbare Situation mehr.
Thoma: Aber möglicherweise kommt es dann nicht zur Waffenruhe, weil die Einsicht so groß ist, sondern weil die Israelis bald ihr Ziel erreicht haben, nämlich die Hisbollah reduziert, wie das in der Militärsprache so schön heißt?
Kolbow: Ja, das ist die militärische Antwort auf die Nichtverwirklichung der Resolution 1559, nämlich die Entwaffnung der Hisbollah. Die hat dann natürlich durch die Aktion der Hisbollah im Libanon zu dieser Situation geführt, und die militärische Antwort ist ja auch von der Völkergemeinschaft akzeptiert, aber in einer Art und Weise, die natürlich auch die Zivilbevölkerung mehr als hinnehmbar in Anspruch nimmt und belastet und deswegen so schnell wie möglich eine Feuerpause auch, um hier den Menschen zunächst zu helfen und dann zur politischen Lösung zu kommen. Frank-Walter Steinmeier arbeitet ja an den Bedingungen, die andere stellen. Wir wären für eine unbedingte Einstellung der Waffenhandlungen und für einen sofortigen Waffenstillstand, aber der lässt sich offensichtlich im Moment jedenfalls nicht erreichen.
Thoma: Gibt es einen Dissens zur offiziellen Linie der Bundesregierung und einen Dissens möglicherweise auch zur Haltung der USA bei vielen in der SPD, auch bei Ihnen, die eine sofortige Waffenruhe wollten?
Kolbow: Ja nun, wir haben auch unterschiedliche Aufgaben. Unsere Diplomaten, die Bundesregierung bewegt sich im internationalen Geleitzug. Sie muss natürlich auf der Basis dessen, was geht, sich verhalten und hat die volle Unterstützung aus der SPD-Bundestagsfraktion. Wir in der SPD-Bundestagsfraktion müssen die Streitparteien darauf hinweisen und auf sie einwirken, dass sie sofort die Waffen schweigen lassen. Das probieren wir natürlich auch mit unserer Stimme. Und das soll auch Unterstützung sein für die Bundesregierung, die natürlich im diplomatischen, politischen Geleitzug die Möglichkeiten auslotet wie jetzt in Rom auf der Konferenz, um eine sofortige Einstellung zu bewerkstelligen. Aber dazu gehören eben mehrere.
Thoma: Und dann soll eine Truppe kommen mit einem robusten Mandat. Die müssen also eingreifen können auch mit Waffen, um den Frieden zu sichern. Daran gibt es wohl keinen Zweifel mehr. Mit UN-Mandat aus EU-Staaten und sozusagen operated by NATO, wenn man so will. Wie hat man sich das eigentlich in der Praxis vorzustellen?
Kolbow: Für die Entsendung einer internationalen Truppe, wie sie dann am Ende auch zusammengesetzt sein wird, müssen zunächst die Rahmenbedingungen stimmen. Notwendig ist eben der schon angesprochene Waffenstillstand, die Zustimmung der Konfliktparteien und ein entsprechender Beschluss der Vereinten Nationen. Erst wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt sind und geklärt ist, welches Mandat eine solche Truppe haben soll, dann kann über eine jetzt auch immer wieder diskutierte und auch streitig diskutierte deutsche Beteiligung entschieden werden.
Thoma: Da sagt ja Verteidigungsminister Jung, auch wenn er gestern ein bisschen zurückgerudert ist, wenn man uns bittet, dann können wir uns dem nicht entziehen. Das scheint ein bisschen allgemeine Sprachregelung zu sein. Auf der anderen Seite sagte der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor gestern, Deutsche gerade an der israelischen Grenze, das ist noch zu früh, das kann er sich nicht vorstellen. Wie sehen Sie das?
Kolbow: Das ist ja auch in der politischen Debatte sehr umstritten. Oppositionsstimmen sagen von vornherein nein. Es gibt auch kritische Stimmen, die aus dem Zentralrat der Juden in Deutschland zum Beispiel kommen. Die Frage ist, richtet man eine Bitte, eine Anforderung an uns von Seiten auch der israelischen Politik? Dann müssen wir Teil der Problemlösung und nicht Teil des Problems sein. Auch die historischen Gewichte müssen eingebracht werden, und deswegen ist es schwierig. Am Ende muss ja der Deutsche Bundestag darüber befinden, wenn das - und das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen - in einer Kampfabstimmung entschieden werden würde. Hier brauchen wir eine große Übereinstimmung in der deutschen Politik, auch in der deutschen Bürgerschaft. Da muss Akzeptanz vorhanden sein, wie es ja bei den Einsätzen der Bundeswehr war. Im Übrigen müssen wir auch die Kapazitätsfrage stellen und die militärische Führung auch natürlich um Rat fragen, ob wir das im Zusammenhang mit dem, was wir schon alles jetzt tun und akzeptiert tun, noch können.
Thoma: Ein Deutschlandfunk-Gespräch mit Walter Kolbow - schön, dass es noch geklappt hat -, dem stellvertretenden SPD-Fraktionschef im Bundestag. Einen schönen Tag noch, Herr Kolbow.
Kolbow: Danke.
Walter Kolbow: Guten Morgen!
Thoma: Morgen die große Libanon-Konferenz in Rom mit den versammelten Außenministern. Auch sonst laufen die diplomatischen Anstrengungen auf Hochtouren. Wie weit sind denn Israel und Libanon noch von einer Waffenruhe entfernt?
Kolbow: Ich denke, dass die diplomatischen Bemühungen endlich in ein Stadium getreten sind innerhalb der internationalen Gemeinschaft, die von einer Bewegung sprechen können. Jetzt kommt es sehr darauf an, die beiden dazu zu bringen, den Vorschlägen der internationalen Gemeinschaft auf der Grundlage des Annan-Plans Rechnung zu tragen und dann für Zustimmung hier auch einzutreten. Wichtig ist aber, dass wir sofort einen Versorgungskorridor zur humanitären Hilfe bekommen. Denn im Libanon ist es eine sehr schwierige und für die Menschen nicht hinnehmbare Situation mehr.
Thoma: Aber möglicherweise kommt es dann nicht zur Waffenruhe, weil die Einsicht so groß ist, sondern weil die Israelis bald ihr Ziel erreicht haben, nämlich die Hisbollah reduziert, wie das in der Militärsprache so schön heißt?
Kolbow: Ja, das ist die militärische Antwort auf die Nichtverwirklichung der Resolution 1559, nämlich die Entwaffnung der Hisbollah. Die hat dann natürlich durch die Aktion der Hisbollah im Libanon zu dieser Situation geführt, und die militärische Antwort ist ja auch von der Völkergemeinschaft akzeptiert, aber in einer Art und Weise, die natürlich auch die Zivilbevölkerung mehr als hinnehmbar in Anspruch nimmt und belastet und deswegen so schnell wie möglich eine Feuerpause auch, um hier den Menschen zunächst zu helfen und dann zur politischen Lösung zu kommen. Frank-Walter Steinmeier arbeitet ja an den Bedingungen, die andere stellen. Wir wären für eine unbedingte Einstellung der Waffenhandlungen und für einen sofortigen Waffenstillstand, aber der lässt sich offensichtlich im Moment jedenfalls nicht erreichen.
Thoma: Gibt es einen Dissens zur offiziellen Linie der Bundesregierung und einen Dissens möglicherweise auch zur Haltung der USA bei vielen in der SPD, auch bei Ihnen, die eine sofortige Waffenruhe wollten?
Kolbow: Ja nun, wir haben auch unterschiedliche Aufgaben. Unsere Diplomaten, die Bundesregierung bewegt sich im internationalen Geleitzug. Sie muss natürlich auf der Basis dessen, was geht, sich verhalten und hat die volle Unterstützung aus der SPD-Bundestagsfraktion. Wir in der SPD-Bundestagsfraktion müssen die Streitparteien darauf hinweisen und auf sie einwirken, dass sie sofort die Waffen schweigen lassen. Das probieren wir natürlich auch mit unserer Stimme. Und das soll auch Unterstützung sein für die Bundesregierung, die natürlich im diplomatischen, politischen Geleitzug die Möglichkeiten auslotet wie jetzt in Rom auf der Konferenz, um eine sofortige Einstellung zu bewerkstelligen. Aber dazu gehören eben mehrere.
Thoma: Und dann soll eine Truppe kommen mit einem robusten Mandat. Die müssen also eingreifen können auch mit Waffen, um den Frieden zu sichern. Daran gibt es wohl keinen Zweifel mehr. Mit UN-Mandat aus EU-Staaten und sozusagen operated by NATO, wenn man so will. Wie hat man sich das eigentlich in der Praxis vorzustellen?
Kolbow: Für die Entsendung einer internationalen Truppe, wie sie dann am Ende auch zusammengesetzt sein wird, müssen zunächst die Rahmenbedingungen stimmen. Notwendig ist eben der schon angesprochene Waffenstillstand, die Zustimmung der Konfliktparteien und ein entsprechender Beschluss der Vereinten Nationen. Erst wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt sind und geklärt ist, welches Mandat eine solche Truppe haben soll, dann kann über eine jetzt auch immer wieder diskutierte und auch streitig diskutierte deutsche Beteiligung entschieden werden.
Thoma: Da sagt ja Verteidigungsminister Jung, auch wenn er gestern ein bisschen zurückgerudert ist, wenn man uns bittet, dann können wir uns dem nicht entziehen. Das scheint ein bisschen allgemeine Sprachregelung zu sein. Auf der anderen Seite sagte der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor gestern, Deutsche gerade an der israelischen Grenze, das ist noch zu früh, das kann er sich nicht vorstellen. Wie sehen Sie das?
Kolbow: Das ist ja auch in der politischen Debatte sehr umstritten. Oppositionsstimmen sagen von vornherein nein. Es gibt auch kritische Stimmen, die aus dem Zentralrat der Juden in Deutschland zum Beispiel kommen. Die Frage ist, richtet man eine Bitte, eine Anforderung an uns von Seiten auch der israelischen Politik? Dann müssen wir Teil der Problemlösung und nicht Teil des Problems sein. Auch die historischen Gewichte müssen eingebracht werden, und deswegen ist es schwierig. Am Ende muss ja der Deutsche Bundestag darüber befinden, wenn das - und das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen - in einer Kampfabstimmung entschieden werden würde. Hier brauchen wir eine große Übereinstimmung in der deutschen Politik, auch in der deutschen Bürgerschaft. Da muss Akzeptanz vorhanden sein, wie es ja bei den Einsätzen der Bundeswehr war. Im Übrigen müssen wir auch die Kapazitätsfrage stellen und die militärische Führung auch natürlich um Rat fragen, ob wir das im Zusammenhang mit dem, was wir schon alles jetzt tun und akzeptiert tun, noch können.
Thoma: Ein Deutschlandfunk-Gespräch mit Walter Kolbow - schön, dass es noch geklappt hat -, dem stellvertretenden SPD-Fraktionschef im Bundestag. Einen schönen Tag noch, Herr Kolbow.
Kolbow: Danke.