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SPD-Politiker: Vereinbarung über den Fiskalpakt ist ein Riesenerfolg

Die Regierung hat sich mit der Einigung im Fiskalpaktstreit deutlich bewegt, sagt der SPD-Politiker Klaus Barthel. Nun müsse aber beobachtet werden, wie hoch die Verbindlichkeit der Vereinbarung sei. Es komme letzten Endes darauf an, was tatsächlich umgesetzt werde.

Klaus Barthel im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 21.06.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Zunächst aber wird es gehen um die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition zum Fiskalpakt und zum Euro-Rettungsschirm ESM heute im Kanzleramt. Es ging um die Frage, ob SPD und Grüne im Bundestag zustimmen werden oder nicht. Die Koalition braucht für beides in Bundestag und Bundesrat bekanntlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Inzwischen haben beide Seiten eine Einigung bekannt gegeben.

    Am Telefon begrüße ich Klaus Barthel von der SPD, er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) und stellvertretender Vorsitzender der parlamentarischen Linken. Schönen guten Tag.

    Klaus Barthel: Schönen guten Tag, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Barthel, die Regierung kommt der Opposition entgegen. Sind Sie jetzt glücklich?

    Barthel: Also, ich bin auf jeden Fall sehr zufrieden damit, dass sich die Regierung ganz deutlich bewegt hat. Das ist sicher ein Erfolg jetzt auch unserer Kritik und unseres Drucks, den Charakter des Fiskalpakts zu verändern.

    Heckmann: Das heißt, Sie werden dann nächste Woche dem Fiskalpakt und dem ESM zustimmen?

    Barthel: Ja, da muss ich noch Fragezeichen dahinter setzen, weil das, was wir jetzt lesen, ist ja erst einmal eine Vereinbarung und es kommt jetzt meiner Ansicht nach auf zwei Dinge an, nämlich einmal auf die Frage, welchen Charakter hat jetzt diese Vereinbarung, wie verbindlich ist das und wie kann der Deutsche Bundestag sich auch dazu verhalten und die Verbindlichkeit erhöhen, und die zweite Frage ist natürlich – und das muss man ja vom Zeitablauf auch sehen, dass das Extra so gelegt worden ist -, was davon kann jetzt die Bundesregierung auch auf dem Gipfel am kommenden Donnerstag, dem 28., durchsetzen, denn ich meine, wir haben dieses Doppelspiel schon oft erlebt, das was ich nicht will, dem stimme ich hier in Deutschland zu und blockiere es dann oder hintertreibe es dann in Europa und umgekehrt.

    Heckmann: Das heißt, Sie trauen der Bundesregierung nicht in diesem Punkt?

    Barthel: Wir haben einfach zu viele schlechte Erfahrungen und deswegen müssen wir vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen natürlich sehen, wie hoch die Verbindlichkeit dessen ist, was die SPD jetzt erreicht hat.

    Heckmann: Wie wollen Sie diese Verbindlichkeit denn dann noch erhöhen?

    Barthel: Nun, zuerst mal müssen wir sehen, was dem Deutschen Bundestag dann tatsächlich schwarz auf weiß vorgelegt wird und was es an schwarz auf weiß dokumentierten Vereinbarungen geben wird am kommenden Donnerstag.

    Heckmann: Frank-Walter Steinmeier hat aber der Fraktion empfohlen, zuzustimmen. Trauen Sie also auch Ihrem Fraktionschef dann nicht?

    Barthel: Nein. Auch die Fraktionsführung – und darüber haben wir auch gerade noch mal gesprochen – wird sich darum bemühen, dem Ganzen einen verbindlichen Charakter zu verleihen, weil ich denke, es geht wirklich nicht, es muss uns wirklich darum gehen, dass in der Substanz eine Veränderung der europäischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik stattfindet.

    Heckmann: Kommen wir mal zur Finanztransaktionssteuer, das war ja ein wichtiger Aspekt, eine wichtige Forderung, die SPD und Grüne erhoben hatten. Das Gesetzgebungsverfahren, das soll laut diesem Dokument möglichst bis Ende 2012 abgeschlossen werden. Möglichst – das ist allerdings ein dehnbarer Begriff.

    Barthel: Ja, und man findet auch noch die eine oder andere einschränkende Formulierung. Ich will jetzt da eben gar nicht großartig spekulieren, sondern einfach sagen, wir warten mal ab, was auf den Tisch kommt, denn die Versuche, das kleinzureden, die kann man in Brüssel überall hören, die kann man auch in der zweiten und dritten Reihe der Koalition hören, und gerade deswegen ist größte Vorsicht geboten. Aber ich sage trotzdem noch mal: Es ist ein Riesenerfolg, dass sich die Bundesregierung überhaupt zu dieser Position jetzt herbeigelassen hat.

    Heckmann: Aber wenn Sie misstrauisch sind und sagen, möglicherweise kommt dabei gar nichts raus, weil es völlig unverbindlich ist, wo ist dann der Erfolg?

    Barthel: Na, ich weiß ja noch gar nicht, ob es unverbindlich ist. Ich sage nur, wir werden sehen, was nächste Woche auf den Tisch kommt. Es ist jetzt eine Vereinbarung getroffen worden und die müssen wir beim Wort nehmen. Wie gesagt, wir kennen ja alle auch europäische Gipfeldiplomatie und europäische Politik und wir kennen auch diese Bundesregierung, und da kommt es letzten Endes nicht darauf an, was in irgendwelchen Erklärungen und Beschlüssen steht, sondern es kommt letzten Endes darauf an, was gemacht wird.

    Heckmann: In dem Dokument steht auch drin, dass negative Auswirkungen so weit wie möglich ausgeschlossen werden sollen, nämlich für Kleinanleger und für den Finanzplatz Deutschland. Ein mögliches Hintertürchen für die FDP?

    Barthel: Das könnten manche so sehen, und gerade deswegen müssen wir da sehr genau drauf schauen und wir müssen natürlich auch schauen, dass diese Finanztransaktionssteuer, so wie es ja auch in dem Beschluss festgehalten ist, ein entsprechend großes Volumen hat, um die Ziele, die damit beabsichtigt werden, zum Beispiel eben auch die Reduzierung der Staatsverschuldung, ob das auch tatsächlich erreicht werden kann.

    Heckmann: Der Chef der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) der SPD, Klaus Barthel, war das. Danke Ihnen für das Gespräch.

    Barthel: Ich danke Ihnen!


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