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SPD-Politiker zu USA und Nordkorea
Mützenich: Trumps Druck-Diplomatie beruht auf "Fehlwahrnehmung"

Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich hegt Zweifel an der Nordkorea-Politik von Donald Trump. Maximalen Druck zu eigenen Bedingungen aufzubauen, funktioniere nicht, so Mützenich im Dlf. Diplomatie brauche ein langsames Aufbauen von Vertrauen.

Rolf Mützenich im Gespräch mit Jasper Barenberg | 17.05.2018
    Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich
    Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich (dpa / picture-alliance / Michael Kappeler)
    Jasper Barenberg: Die Welt staunt. So unerwartet waren die Zeichen der Annäherung im Konflikt zwischen Nord- und Südkorea. Keine Atomwaffen mehr auf der koreanischen Halbinsel – plötzlich schien diese Aussicht gar nicht mehr ganz unmöglich. Und jetzt, Pjöngjangs Herrscher Kim Jong Un sagt erst ein hochrangiges Treffen mit Südkorea ab, und dann droht er, den Gipfel mit Donald Trump in vier Wochen platzen zu lassen. Ist das Tauwetter also schon wieder vorbei? Und in welchem Licht erscheint jetzt die Politik der Härte von Donald Trump und seinen Falken im Weißen Haus? Darüber können wir in den nächsten Minuten mit dem SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sprechen. Schönen guten Morgen!
    Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Barenberg!
    Barenberg: Herr Mützenich, ist Donald Trump jetzt schon entzaubert?
    Mützenich: Nein, das will ich nicht sagen, was zumindest die Nordkorea-Verhandlungen betrifft. Aber ich glaube schon, er sieht, dass offensichtlich seine Methode, die Methode der Administration, maximalen Druck zu eigenen Bedingungen aufzubauen, auf der Gegenseite, und das ist nun mal in diesem Fall Nordkorea, nicht funktioniert.
    Barenberg: Oder kann man sagen, aus Pjöngjang, das ist vor allem eines, nämlich ein Bluff?
    Mützenich: Ich blicke natürlich, genau wie viele andere wahrscheinlich, auch nicht in dieses Regime und das unmittelbare Motiv hinein. Aber ich glaube schon, in diesem Fall, dass wir feststellen können, dass Dinge, die insbesondere von dem engeren Umfeld, auch von Trump jetzt gesagt worden sind in Richtung Nordkorea, zu den Bedingungen Libyen – das muss man sich ja mal vor Augen führen, Libyen, das einen Teil seiner damaligen Mittel der Atomwaffen abgerüstet hat, und dann noch der Regimesturz, dass das das Vorbild für Nordkorea ist -, das kann ja wohl offensichtlich dann nicht überraschen, wenn in Nordkorea solche Reaktionen sind. Und auf der anderen Seite gab es ja die Freilassung von drei US-Bürgern und zumindest das Zugeständnis, das Testgelände auch zu zerstören. Und ich glaube, hier ist durchaus erwartet worden in Pjöngjang, dass es dann auch Gegenangebote, und nicht Gegenangebote wie zum Beispiel Libyen, gibt.
    "Grenze dieser Methode"
    Barenberg: Aber die Unsicherheit ist wieder zurück nach all der Zuversicht?
    Mützenich: Definitiv. Und ich glaube, es gab auch niemals Sicherheit in diesem Zusammenhang, weil Twitter-Diplomatie führt ja auch nicht zu Sicherheit. Und ich glaube, das ist auch letztlich die Grenze dieser Methode. Diplomatie braucht ein langsames Aufbauen von Vertrauen, braucht die Frage auch insbesondere von Empathie, also die Vorstellung, dass man sich in den anderen hineinversetzt, und das funktioniert an dieser Stelle offensichtlich in Washington nicht.
    Barenberg: Hat Donald Trump denn den Mund schon zu voll genommen, wenn wir jetzt zum Beispiel uns daran erinnern, dass er ja schon mit dem Friedensnobelpreis kokettiert hat.
    Mützenich: Das überrascht mich ja auch immer, wenn solche Dinge vorkommen. Den Mund zu voll genommen – ich glaube, er hat eine klare Strategie, dass er insbesondere in Asien das Problem Nordkorea versucht, mit seinen Mitteln letztlich zu lösen, um auch Bewegungsfreiheit insbesondere im Nahen und Mittleren Osten zu haben. Und ich glaube, er hat vielleicht auch unterschätzt, dass die Kündigung des Iran-Abkommens, zumindest das, was die USA beitragen sollten, auch natürlich auf verhaltenes Bedenken in Pjöngjang gestoßen ist. Weil man muss sich natürlich die Frage stellen, was sind Abkommen wert, und das muss auch der nordkoreanische Führer dem inneren Zirkel in Pjöngjang auch versuchen zu erklären.
    Barenberg: Jetzt scheint ja in Pjöngjang der Eindruck entstanden zu sein, die USA fordern von Nordkorea die rasche Abkehr von allen Nuklearwaffen, aber einseitig quasi, ohne Gegenleistung. Sie haben den Vorschlag Libyen erwähnt und die Einlassungen des Sicherheitsberaters Bolton. Ist das ein berechtigter Eindruck, der in Nordkorea entstanden ist?
    Mützenich: Ja, ich glaube schon, weil es sind ja andere Zusammenhänge, und jeder Fall ist letztlich anders. Hier geht es darum, ein Friedensabkommen zu schließen, hier geht es darum, auch auf militärische Demonstrationen zu verzichten. Und ich glaube schon, dass das Manöver eben, das vonseiten Südkoreas und den USA in diesen Tagen dort gestartet worden ist, anders gelesen wurde, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Pjöngjang bestimmte Fragen auch durchaus zugelassen hat. Und das war eine neue Qualität aus meiner Sicht zumindest gewesen. Und von daher glaube ich schon, dass diese Reaktionen auch erwartbar gewesen sind. Aber man muss auch mit bedenken, in der Vergangenheit hat Nordkorea immer wieder auch Schritte zurück gemacht. Und das ist in diesem Fall auch in Zukunft durchaus möglich.
    "China will Sicherheitssituation auf der koreanischen Halbinsel haben"
    Barenberg: Und Nordkorea hat ja auch, so argumentiert Washington jedenfalls, bisher keine Einwände gegen just dieses Manöver gehabt. Warum ist das jetzt anders?
    Mützenich: Ich glaube einfach, hier geht es viel um Symbole, hier geht es aber auch um Stärke in der Innenpolitik. Ich meine, wenn wir Trump unterstellen, er will auch diese Stärke in Washington letztlich haben, so ist das natürlich in Nordkorea auch der Fall. Aber ich glaube, wir haben eben auch hier eine Dimension, die man mit bedenken muss. Die Volksrepublik China hat, wenn sie sich in Richtung Südkorea wendet, genauso große sicherheitspolitische Interessen. Und ich vermute, das ist zumindest das, was man in den letzten Monaten immer wieder herauslesen konnte, auch die Volksrepublik China will zum Beispiel eine Sicherheitssituation auf der koreanischen Halbinsel haben, die die geopolitische Rivalität zwischen den USA und China auch nicht auf die Spitze treibt. Ich nenne zum Beispiel mal das Raketenabwehrsystem THAAD. Hier geht es zum Beispiel um die Frage, wie weit kann die USA nach China hineinschauen, wie weit kann die strategische Dimension der Atomwaffen in der Volksrepublik China reduziert werden. Und wir dürfen das wirklich nicht auch gerade kleinreden. Hier ist eine viel größere Dimension gefragt, als nur jetzt die bilateralen Beziehungen zwischen Pjöngjang und Washington.
    Barenberg: Insofern hat ja auch China offenkundig ein Interesse daran, möglicherweise, dass Kim Jong Un in Pjöngjang von den Atomwaffen lässt. Auf der anderen Seite, das ist ja die nukleare Lebensversicherung sozusagen für den herrschenden Clan in Nordkorea. Steht für Sie fest, dass Kim am Ende nie davon lassen wird?
    Mützenich: Ich glaube zumindest, dass vom heutigen Zeitpunkt aus gesehen, insbesondere, wenn die Sicherheitsgarantien nicht glaubhaft sind und letztlich auch abgebunden werden können durch andere Fragen, die Atomwaffen auch immer wieder eine Rückversicherung für Nordkorea sein werden. Und genau das ist ja das große Problem, glaube ich, auch einer Diplomatie von Trump, unmittelbar großen Druck aufzubauen und daraus zu glauben, zu den eigenen Bedingungen Ergebnisse zu erreichen. Ich glaube, das ist eine Fehlwahrnehmung. Dazu gehören immer zwei, und in diesem Fall mindestens drei letztlich auch in Nordkorea.
    "Verbreitung der Atomwaffen ist eine große Gefährdung"
    Barenberg: Wünschen Sie Donald Trump Erfolg?
    Mützenich: Ja. Ich wünsche ihm in dem Sinne keinen persönlichen Erfolg, sondern ich wünsche ihm Erfolg für die internationale Politik, weil die Belastung durch Nordkorea und insbesondere die Verbreitung der Atomwaffen natürlich eine große Gefährdung ist. Aber ich würde mir natürlich wünschen, dass die USA auch bereit sind, genau wie andere Länder von diesem nuklearen Weg abzugehen. Und wir sehen ja, es findet eine neue Dimension auch in der internationalen Politik statt, dass wieder über die Einsatzfähigkeit von Atomwaffen nicht nur diskutiert wird, sondern sie auch mehr und mehr wieder bedacht wird.
    Barenberg: Und das bedeutet auch Herr Mützenich, das zum Schluss – am Ende könnte sich herausstellen, Trumps Politik der Härte und der Stärke könnte eine erfolgreiche sein.
    Mützenich: Ich glaube, es ist ja nicht allein die Härte, sondern es ist das Auftreten. Es kommt immer auf den Zweiten und auf den Dritten letztlich an. Von daher ist es eine Situation, die in dem jetzigen Moment möglicherweise in dem Sinne funktioniert, dass wir einen Fortschritt sehen. Aber es hat nicht unmittelbar etwas mit der Methode zu tun, sondern, und da haben Sie ja eben selbst drauf hingewiesen, auch die Volksrepublik China hat ein großes Interesse daran, dass diese Situation nicht weiter eskaliert. Am Ende kann es aber auch sein, dass Nordkorea einen Teil seiner Atomwaffen behalten wird, und das ist ja letztlich auch eigentlich die Ironie. Wahrscheinlich wird Trump nicht das finden, was er am Iran-Abkommen kritisiert hat, dass er nämlich offensichtlich dann nicht gänzlich die Atomwaffen aus der koreanischen Halbinsel herausbekommt.
    Barenberg: Der stellvertretende SPD-Fraktionschef hier im Deutschlandfunk live im Gespräch. Vielen Dank, Rolf Mützenich!
    Mützenich: Vielen Dank, Herr Barenberg, für die Einladung!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.