Jürgen Liminski: Heute beginnt in Hamburg der mit Spannung erwartete SPD-Parteitag. Zentrales Thema wird der Vorstoß von Parteichef Beck zum Arbeitslosengeld I sein. Darüber wurde nicht nur an der Spitze, sondern eben auch an der Basis und in Talk-Runden leidenschaftlich diskutiert, denn dieses Detail aus der Agenda 2010 steht auch für das Großthema soziale Gerechtigkeit. Es könnte also ein Parteitag der Neuausrichtung und des Neuanfangs werden.
Von einem Vorgänger Kurt Becks im Amt des SPD-Vorsitzenden, nämlich von Hans-Jochen Vogel, ist das Wort überliefert: "Der Mensch ist mehr als ein Bankkonto und mehr als eine Ich-AG." Beck wird dem zustimmen, vielleicht noch hinzufügen, dass auch ältere Arbeitnehmer mehr sind als ein Hartz-Konto. Das Soziale und Menschliche wird auf dem Parteitag in Hamburg vermutlich ganz groß geschrieben.
Ist das die Botschaft, die von Hamburg ausgehen soll? Bringt Hamburg eine Kurskorrektur für die Partei? Die Fragen gehen an Susanne Kastner, Vizepräsidentin des Bundestages und Mitglied im Bundesvorstand der SPD. Zunächst mal guten Morgen Frau Kastner!
Susanne Kastner: Guten Morgen, Herr Liminski!
Liminski: Welche Botschaft soll von dem Parteitag ausgehen?
Kastner: Ich denke von diesem Parteitag muss die Botschaft ausgehen, dass der Mensch im Mittelpunkt unseres politischen Handelns steht und dass wir ihn in den politischen Entscheidungen mitnehmen müssen.
Liminski: Sie haben mit fünf anderen führenden SPD-Politikern ein Manifest verfasst. Drei gehören zur parlamentarischen Linken, zwei weitere und Sie selbst zum Seeheimer Kreis, und in diesem Manifest plädieren sie gemeinsam für eine Weiterentwicklung der Agenda 2010. Ist das ein Manifest der Einheit nach dem Motto "Harmonie ist erste Genossenpflicht"?
Kastner: Nein. Harmonie ist nicht erste Genossenpflicht, aber wir sechs waren der Meinung, man muss wirklich auch mal signalisieren, dass die Agenda 2010 nicht aufgedröselt werden darf, sondern weiterentwickelt werden kann im Sinne der Menschen. Ich denke, das ist wirklich wichtig.
Liminski: Bringt denn Hamburg auch eine Kurskorrektur für die Partei?
Kastner: Ich weiß nicht, ob man von Kurskorrektur reden soll. Ich glaube das ist ein bisschen übertrieben. Wir haben immer gesagt, wir werden die Agenda überprüfen 2008, und wir werden schauen, wo es hakt und wo sie weiterentwickelt werden muss. Wir machen doch nicht Politik alleine für die Geschichtsbücher, sondern wirklich für die Menschen. Deswegen, denke ich, ist eine Weiterentwicklung in dieser Frage wirklich wichtig.
Liminski: Aber nun ist der Vorstoß des Parteivorsitzenden sicher eine Korrektur der Agenda 2010. Beck ist bemüht, dies nicht als Abrücken nach links deuten zu lassen, aber der Akzent bei der Suche nach mehr sozialer Gerechtigkeit liegt doch auf dem Wort "sozial". Wie würden Sie das sonst einordnen?
Kastner: Ich würde es nicht als Kurskorrektur der Agenda 2010 sehen, sondern wirklich als Weiterentwicklung. Ich halte es in der Sache für notwendig, weil die Menschen mitgenommen werden müssen. Man kann nicht Politik über die Menschen hinweg machen, sondern mit den Menschen. Mir wäre in der Weiterentwicklung noch wichtiger gewesen, dass wir das auch viel mehr festmachen an der Integration von älteren Arbeitnehmern ins Arbeitsleben, aber es ist auch wichtig, dass man den Menschen die Angst nimmt, die Angst vor der Zukunft.
Liminski: In ihrem Manifest analysieren sie die soziale Frage im Licht der Globalisierung, eben auch vielleicht im Licht der Angst vor dieser Globalisierung, bezeichnen die Agenda als schmerzlichen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft, und sie schreiben nicht weniger, sondern mehr Reformpolitik ist notwendig, sagen Sie ja nun auch. Aber die Kurskorrektur von Beck ist offenbar Balsam für die Parteiseele und ein Weniger an Reform. Wie passt das zusammen?
Von einem Vorgänger Kurt Becks im Amt des SPD-Vorsitzenden, nämlich von Hans-Jochen Vogel, ist das Wort überliefert: "Der Mensch ist mehr als ein Bankkonto und mehr als eine Ich-AG." Beck wird dem zustimmen, vielleicht noch hinzufügen, dass auch ältere Arbeitnehmer mehr sind als ein Hartz-Konto. Das Soziale und Menschliche wird auf dem Parteitag in Hamburg vermutlich ganz groß geschrieben.
Ist das die Botschaft, die von Hamburg ausgehen soll? Bringt Hamburg eine Kurskorrektur für die Partei? Die Fragen gehen an Susanne Kastner, Vizepräsidentin des Bundestages und Mitglied im Bundesvorstand der SPD. Zunächst mal guten Morgen Frau Kastner!
Susanne Kastner: Guten Morgen, Herr Liminski!
Liminski: Welche Botschaft soll von dem Parteitag ausgehen?
Kastner: Ich denke von diesem Parteitag muss die Botschaft ausgehen, dass der Mensch im Mittelpunkt unseres politischen Handelns steht und dass wir ihn in den politischen Entscheidungen mitnehmen müssen.
Liminski: Sie haben mit fünf anderen führenden SPD-Politikern ein Manifest verfasst. Drei gehören zur parlamentarischen Linken, zwei weitere und Sie selbst zum Seeheimer Kreis, und in diesem Manifest plädieren sie gemeinsam für eine Weiterentwicklung der Agenda 2010. Ist das ein Manifest der Einheit nach dem Motto "Harmonie ist erste Genossenpflicht"?
Kastner: Nein. Harmonie ist nicht erste Genossenpflicht, aber wir sechs waren der Meinung, man muss wirklich auch mal signalisieren, dass die Agenda 2010 nicht aufgedröselt werden darf, sondern weiterentwickelt werden kann im Sinne der Menschen. Ich denke, das ist wirklich wichtig.
Liminski: Bringt denn Hamburg auch eine Kurskorrektur für die Partei?
Kastner: Ich weiß nicht, ob man von Kurskorrektur reden soll. Ich glaube das ist ein bisschen übertrieben. Wir haben immer gesagt, wir werden die Agenda überprüfen 2008, und wir werden schauen, wo es hakt und wo sie weiterentwickelt werden muss. Wir machen doch nicht Politik alleine für die Geschichtsbücher, sondern wirklich für die Menschen. Deswegen, denke ich, ist eine Weiterentwicklung in dieser Frage wirklich wichtig.
Liminski: Aber nun ist der Vorstoß des Parteivorsitzenden sicher eine Korrektur der Agenda 2010. Beck ist bemüht, dies nicht als Abrücken nach links deuten zu lassen, aber der Akzent bei der Suche nach mehr sozialer Gerechtigkeit liegt doch auf dem Wort "sozial". Wie würden Sie das sonst einordnen?
Kastner: Ich würde es nicht als Kurskorrektur der Agenda 2010 sehen, sondern wirklich als Weiterentwicklung. Ich halte es in der Sache für notwendig, weil die Menschen mitgenommen werden müssen. Man kann nicht Politik über die Menschen hinweg machen, sondern mit den Menschen. Mir wäre in der Weiterentwicklung noch wichtiger gewesen, dass wir das auch viel mehr festmachen an der Integration von älteren Arbeitnehmern ins Arbeitsleben, aber es ist auch wichtig, dass man den Menschen die Angst nimmt, die Angst vor der Zukunft.
Liminski: In ihrem Manifest analysieren sie die soziale Frage im Licht der Globalisierung, eben auch vielleicht im Licht der Angst vor dieser Globalisierung, bezeichnen die Agenda als schmerzlichen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft, und sie schreiben nicht weniger, sondern mehr Reformpolitik ist notwendig, sagen Sie ja nun auch. Aber die Kurskorrektur von Beck ist offenbar Balsam für die Parteiseele und ein Weniger an Reform. Wie passt das zusammen?
Den Menschen die Angst nehmen
Kastner: Ich denke, das passt schon zusammen. Wenn sie Politik machen wollen, müssen sie Menschen mitnehmen. Wenn Menschen in ihrem Lebensbild, in ihrer Lebensentwicklung Angst haben, wenn Menschen, die im Arbeitsleben sind, Angst haben vor der Arbeitslosigkeit, dann kann ich doch als Politiker nicht darüber hinweggucken, sondern dann muss ich etwas tun, um ihnen die Angst zu nehmen. Eine Gesellschaft der Angst ist ja auch etwas, was ein Land nicht weiterbringen kann. Deswegen, denke ich ist das schon wichtig, aber es ist meines Erachtens jetzt nicht unbedingt der absolute Rück nach links. Wir haben in diesem Artikel ja auch sehr deutlich gemacht, dass die Agenda weiterentwickelt werden muss, dass man jetzt nicht die Büchse der Pandora öffnet, sondern dass man auch im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit, im Hinblick auf Bildung und auch im Hinblick, was Soziales anbelangt, also die europäische Sozialcharta, die Agenda weiterentwickeln muss. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, denn das gehört auch zu den Ängsten der Menschen.
Liminski: Nicht weniger, sondern mehr Reform also, aber welche denn? Vielleicht bei der Erbschaftssteuer, eine höhere Ökosteuer, Mindestlohn? Welche Reform haben Sie im Sinn?
Kastner: Ich glaube wirklich, dass wir im Hinblick auf Weiterbildung, auf lebenslanges Lernen noch ein Stück weitergehen müssen, dass wir weitergehen müssen, was die soziale Einheit Europas anbelangt, also jetzt nicht nur soziales Geben, eine soziale Hängematte, sondern auch Arbeitsbedingungen, Arbeitsrecht, dass wir weitergehen müssen, ganz große Schritte machen müssen, zur ökologischen Nachhaltigkeit auch unserer Wirtschaft. Ich denke das sind drei wichtige Punkte, die gemacht werden müssen. Den Weg müssen wir weitergehen und das steht ja auch ganz deutlich in diesem Artikel drin.
Liminski: Lässt sich das in Projekten konkretisieren, also zum Beispiel einer Erhöhung der Erbschaftssteuer?
Kastner: Die Erbschaftssteuer ist ein Punkt, der mit diskutiert werden muss, wohl wissend, dass wir Rücksicht nehmen müssen auf kleine und Mittelstandsbetriebe. Das ist mit Sicherheit ein politischer Punkt, aber ich denke auch, dass man finanziell mindestens vier Prozent veranschlagt, die wir meinen haben zu müssen für Forschung und Entwicklung. Das ist ein konkreter Punkt. Die Bildungspolitik ist ein konkreter Punkt und ganz wichtig. Es sollten in unserem Land keine jungen Menschen mehr ohne Berufsabschluss da sein. Und dann eben die europäische Sozialcharta. Ich glaube, die Menschen haben sehr Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, weil ihre Arbeitsstelle im Rahmen der Globalisierung und der europäischen Einheit jetzt auch leichter in andere Länder verlagert werden kann. Dort einheitliche Standards zu bekommen, Arbeitsstandards, Sozialstandards, ist ein ganz wichtiger Punkt.
Liminski: Am Schluss ihres Manifestes steht eine versteckte Warnung. Sie warnen vor einer Legitimationskrise der Demokratie. Sehen Sie da Gefahren?
Kastner: Ja, ich sehe das schon. Wenn man junge Leute anguckt - und wir sind ja auch sehr viel in Diskussionen mit Schülerklassen -, dann sieht man schon, und auch das Wahlverhalten oder die Anzahl der Nichtwähler ist ja erschreckend hoch. Darauf müssen wir einfach gucken, und, ich glaube, das sind alles Punkte, die dazu beitragen, dass die Menschen wieder ein bisschen mehr Akzeptanz haben in die Demokratie und sich vielleicht auch wieder mehr dafür interessieren und dann wieder mehr wählen gehen.
Liminski: Eine Frage, Frau Kastner, scheint ja nun entschieden zu sein. Beck ist Kanzlerkandidat oder wird es sein. Oder sehen Sie noch eine Alternative?
Kastner: Der Kanzlerkandidat wird entschieden, dann zum richtigen Zeitpunkt stattfinden, dem Wahlparteitag. Wir reden jetzt nicht über Kanzlerkandidaturen, sondern wir reden im Augenblick darüber - und da liegt mir schon viel dran -, es ist wichtig, dass wir über Inhalte reden. Aber er aber der Parteivorsitzende der Sozialdemokratischen Partei und letztlich auch der Mann, der an dieser Stelle einsteht.
Liminski: Eine kleine Prognose könnte man vielleicht wagen. Wie viel Prozent wird Kurt Beck bei seiner Wiederwahl zum Parteivorsitzenden bekommen? Was meinen Sie?
Kastner: Ich denke, er wird eine hohe Prozentzahl bekommen. Die wird meines Erachtens schon über den 80ern liegen. Ich persönlich hoffe in die 90er rein.
Liminski: Zwischen Harmonie und Kurskorrektur. Das war Susanne Kastner, Vizepräsidentin des Bundestages, Mitglied des Bundesvorstands der SPD und des Seeheimer Kreises. Besten Dank für das Gespräch, Frau Kastner.
Kastner: Ja, Ihnen auch einen schönen Tag.
Liminski: Nicht weniger, sondern mehr Reform also, aber welche denn? Vielleicht bei der Erbschaftssteuer, eine höhere Ökosteuer, Mindestlohn? Welche Reform haben Sie im Sinn?
Kastner: Ich glaube wirklich, dass wir im Hinblick auf Weiterbildung, auf lebenslanges Lernen noch ein Stück weitergehen müssen, dass wir weitergehen müssen, was die soziale Einheit Europas anbelangt, also jetzt nicht nur soziales Geben, eine soziale Hängematte, sondern auch Arbeitsbedingungen, Arbeitsrecht, dass wir weitergehen müssen, ganz große Schritte machen müssen, zur ökologischen Nachhaltigkeit auch unserer Wirtschaft. Ich denke das sind drei wichtige Punkte, die gemacht werden müssen. Den Weg müssen wir weitergehen und das steht ja auch ganz deutlich in diesem Artikel drin.
Liminski: Lässt sich das in Projekten konkretisieren, also zum Beispiel einer Erhöhung der Erbschaftssteuer?
Kastner: Die Erbschaftssteuer ist ein Punkt, der mit diskutiert werden muss, wohl wissend, dass wir Rücksicht nehmen müssen auf kleine und Mittelstandsbetriebe. Das ist mit Sicherheit ein politischer Punkt, aber ich denke auch, dass man finanziell mindestens vier Prozent veranschlagt, die wir meinen haben zu müssen für Forschung und Entwicklung. Das ist ein konkreter Punkt. Die Bildungspolitik ist ein konkreter Punkt und ganz wichtig. Es sollten in unserem Land keine jungen Menschen mehr ohne Berufsabschluss da sein. Und dann eben die europäische Sozialcharta. Ich glaube, die Menschen haben sehr Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, weil ihre Arbeitsstelle im Rahmen der Globalisierung und der europäischen Einheit jetzt auch leichter in andere Länder verlagert werden kann. Dort einheitliche Standards zu bekommen, Arbeitsstandards, Sozialstandards, ist ein ganz wichtiger Punkt.
Liminski: Am Schluss ihres Manifestes steht eine versteckte Warnung. Sie warnen vor einer Legitimationskrise der Demokratie. Sehen Sie da Gefahren?
Kastner: Ja, ich sehe das schon. Wenn man junge Leute anguckt - und wir sind ja auch sehr viel in Diskussionen mit Schülerklassen -, dann sieht man schon, und auch das Wahlverhalten oder die Anzahl der Nichtwähler ist ja erschreckend hoch. Darauf müssen wir einfach gucken, und, ich glaube, das sind alles Punkte, die dazu beitragen, dass die Menschen wieder ein bisschen mehr Akzeptanz haben in die Demokratie und sich vielleicht auch wieder mehr dafür interessieren und dann wieder mehr wählen gehen.
Liminski: Eine Frage, Frau Kastner, scheint ja nun entschieden zu sein. Beck ist Kanzlerkandidat oder wird es sein. Oder sehen Sie noch eine Alternative?
Kastner: Der Kanzlerkandidat wird entschieden, dann zum richtigen Zeitpunkt stattfinden, dem Wahlparteitag. Wir reden jetzt nicht über Kanzlerkandidaturen, sondern wir reden im Augenblick darüber - und da liegt mir schon viel dran -, es ist wichtig, dass wir über Inhalte reden. Aber er aber der Parteivorsitzende der Sozialdemokratischen Partei und letztlich auch der Mann, der an dieser Stelle einsteht.
Liminski: Eine kleine Prognose könnte man vielleicht wagen. Wie viel Prozent wird Kurt Beck bei seiner Wiederwahl zum Parteivorsitzenden bekommen? Was meinen Sie?
Kastner: Ich denke, er wird eine hohe Prozentzahl bekommen. Die wird meines Erachtens schon über den 80ern liegen. Ich persönlich hoffe in die 90er rein.
Liminski: Zwischen Harmonie und Kurskorrektur. Das war Susanne Kastner, Vizepräsidentin des Bundestages, Mitglied des Bundesvorstands der SPD und des Seeheimer Kreises. Besten Dank für das Gespräch, Frau Kastner.
Kastner: Ja, Ihnen auch einen schönen Tag.