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SPD-regierte Länder gegen Ausbildungsplatzabgabe

Heuer: Die Länder, die unions- und die SPD-geführten, sind geschlossen gegen die von der Bundesregierung geplante Ausbildungsplatzabgabe. Das haben sie nach einem Bericht der "Welt" jetzt in einer gemeinsamen Stellungnahme festgelegt. Kurz vor ihrem Sonderparteitag am Sonntag ist diese Festlegung geeignet, noch mehr Unruhe in die SPD zu bringen. Am Telefon bin ich jetzt mit ihrem Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, Harald Schartau, verbunden, er ist auch der Wirtschafts- und Arbeitsminister in Düsseldorf, guten Tag, Herr Schartau.

    Schartau: Schönen guten Tag.

    Heuer: Sind denn tatsächlich alle SPD-regierten Länder ganz klar gegen die Ausbildungsplatzabgabe?

    Schartau: Ja, im Augenblick kann man sagen, dass alle Länder, vor allen Dingen die, wie gesagt, sozialdemokratisch geführten, Anwälte für freiwillige Modelle sind, die sie in ihren Ländern selbst praktizieren. Umso mehr ist die Spannung natürlich groß, wie der Entwurf der Bundesregierung aussieht, weil an diesem Entwurf sich dann messen wird, ob die Länderaktivitäten berücksichtigt werden oder nicht.

    Heuer: Das heißt, Sie in Nordrhein-Westfalen und auch andere SPD-regierte Länder wollen den Gesetzentwurf erst abwarten?

    Schartau: Wir werden uns den Gesetzentwurf angucken, weil sich an diesem Gesetzentwurf natürlich viele Fragen stellen werden. Nicht nur die Frage, die ich gerade formuliert habe, ob die in den Ländern gefundenen Regelungen weiter praktiziert werden können, sondern welche Vorstellungen die Bundesregierung zu ganz zentralen Fragen der Versorgung mit Ausbildungsplätzen hat, die sich ja nicht darauf reduzieren können, Unternehmen, die nicht ausbilden mit einer Umlage zu belasten, die dann in anderen Bereichen ausgegeben wird.

    Heuer: Sie sind aber, das hört man dann doch raus, eher skeptisch gegenüber der Ausbildungsabgabe. Das ist ja auch nicht ganz unbekannt, Herr Schartau. Unter anderem erwarten die Kritiker, zu denen ich Sie zähle, keine neuen Ausbildungsplätze durch die Abgabe. Wieso eigentlich nicht?

    Schartau: Wir erwarten bei allen Diskussionen, die bisher zum Thema Ausbildungsumlage geführt wurden, dass es keine zusätzlichen Ausbildungsplätze im dualen System gibt, also unter Beteiligung von Betrieben, die am Markt arbeiten. Es gäbe höchstens Systeme, die ich aber vollkommen ablehne, dass man mit, über eine Umlage erhobenen Kapitalien, außerbetriebliche Ausbildungszentren aufbaut, dann wird nämlich über kurz oder lang die staatliche Ausbildung perfekt sein.

    Heuer: Was schadet es denn, einen finanziellen Ausgleich zwischen solchen Unternehmen zu schaffen, die ausbilden und solchen, die es nicht tun? Was schaden also die Regierungspläne in Berlin?

    Schartau: Es geht ja nicht darum, ob eine Umlage erhoben wird, sondern das Gesetz soll ja bewirken, dass Jugendliche unabhängig von der jeweiligen konjunkturellen Lage nach der Schule eine Ausbildung erhalten. Dieses Ziel steht im Mittelpunkt und nicht die Frage, ob die Erhebung einer Umlage schadet oder nicht. Und bei der Zuverfügungstellung von Ausbildungsplätzen, das heißt einer quasi automatischen Lösung von Problemen auf dem Ausbildungsmarkt, die wir im Augenblick in einer Vielzahl haben, sind die Kritiker sich einig, dass alle bisherigen Lösungsansätze dazu keine ausreichenden Antworten geben, sondern dass vielmehr Folgendes passiert, dass Unternehmen, die jetzt noch mehr ausbilden, als sie selbst für ihren eigenen Betrieb brauchen, ihre Ausbildungskapazitäten zurückfahren, weil sie das Plus ja dann zukünftig finanziert bekämen, andere Betriebe abwägen, wie hoch die Umlage ist und dann entscheiden, ob sie lieber die Umlage bezahlen, ja oder nein. Wiederum andere Unternehmen, zum Beispiel in Regionen, die wir auch in Nordrhein-Westfalen haben, wo die Ausbildung nicht deshalb zurückgefahren worden ist, weil die Unternehmen nun besonders ausbildungsunwillig sind, sondern weil die Unternehmen mit der Konjunktur dermaßen in Schieflage gekommen sind, dass im Augenblick nicht die wichtige Frage ist, ob sie ausbilden, sondern ob sie überleben. Das sind alles Fragen, die an den Entwurf, der aus Berlin kommen wird, gestellt werden und ich glaube, dass alle SPD-geführten Länder sich den Entwurf dann genau angucken und nach einer Bewertung des Entwurfes dann auch beurteilen, ob damit die aktuellen Probleme auf dem Ausbildungsmarkt gelöst werden können, ja oder nein. Bisher ist die Skepsis überwiegend.

    Heuer: Nun versucht die Bundesregierung, den Entwurf ja zustimmungsfrei hinzukriegen, sodass die Länder dann gar nicht mehr Ja oder Nein dazu sagen müssten. Glauben Sie, die schaffen das?

    Schartau: Die Absicht ist ja erklärt und ich glaube, dass ein entsprechender Entwurf auch kommen kann. Jeder weitere Kommentar zu einem solchen Gesetzentwurf der ist im Augenblick allerdings mit der Stange im Nebel rummachen, das möchte ich gar nicht tun. Auch da gibt es vorab große Skepsis, ob mit einer bundesweiten Regelung die Ausbildungsprobleme vor Ort, in den einzelnen Städten und Regionen gelöst werden können.

    Heuer: Dann sprechen wir über Ihre Partei, Herr Schartau. Am Sonntag wählt die SPD Franz Müntefering zu ihrem neuen Vorsitzenden, er ist ja ein erklärter Befürworter der Ausbildungsplatzabgabe, da ist ja die Skepsis, die aus den SPD Ländern kommt ein, also ironisch gesprochen, ein tolles Signal?

    Schartau: Nicht nur Herr Müntefering, sondern die SPD insgesamt ist mit ganz wenigen Einschränkungen und zwar mit denen, die in den Ländern politische Verantwortung tragen, zu einem weit überwiegenden Teil der Auffassung, dass es richtig ist, zu einem solchen Instrument zu greifen. Dahinter steht die Auffassung, dass die SPD dafür sorgen muss und will, dass Jugendliche nach der Schule nicht in Unsicherheiten fallen, nicht arbeitslos werden, sondern eine Ausbildung bekommen. Für diesen Wunsch ist die Ausbildungsplatzumlage ein Synonym. Die Kritik an diesem Instrument wird sich nur in eine konstruktive Diskussion verwandeln lassen, wenn nun konkret auf dem Tisch liegt, wie es denn praktisch gehen soll. Der Wunsch an sich, dieses Problem zu lösen, ist ganz allgemein ja ungeteilt, den teilt ja die gesamte Gesellschaft. Aber ob dieses Instrument nun das Richtige ist, das werden wir dann sehen, wenn der Entwurf auf dem Tisch liegt.

    Heuer: Herr Schartau, nun haben Sie aber in der SPD einen Flügelstreit, es gibt sogar Abweichler, die darüber nachdenken, eine Partei links von der SPD zu gründen. Ist denn in dieser Situation diese Debatte über die Ausbildungsplatzabgabe Ihrer eigenen Partei hilfreich?

    Schartau: Wer die Vorstellung hat, dass die SPD auch in einer kritischen Situation auf kontrovers geführte Debatten verzichten sollte, der muss sich eine Partei einfallen lassen, die nicht mehr SPD heißt. Deshalb kenne ich niemanden in unserer Partei, der irgendwelchen kritischen oder kontroversen Diskussionen ausweicht und deshalb gehört auch diese Frage ins Spektrum, nämlich: erreichen wir das Ziel, was unter der Überschrift dieser Forderung vermutet wird mit dem Weg, der jetzt eingeschlagen wird? Ich halte meiner Partei zugute, dass sie nie auf den kritischen Dialog, auf die Auseinandersetzung verzichtet hat, sondern wir haben uns immer dadurch ausgezeichnet, deshalb schadet es auch nicht, sondern es ist für uns eher typisch.

    Heuer: Harald Schartau, der Landesvorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen, dort selbst auch Arbeits- und Wirtschaftsminister. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Schartau.

    Schartau: Ich danke Ihnen auch.