Sonntag, 28. April 2024

Archiv

SPD-Schatzmeister Nietan zur Parteienfinanzierung
"Es geht hier nicht um Selbstbedienung"

Dietmar Nietan, Bundesschatzmeister der SPD, hat die Erhöhung der Parteienfinanzierung im Dlf verteidigt. Man brauche das Geld nicht, "um sich noch schönere Parteizentralen zu bauen", sondern um die Parteien handlungsfähig zu machen. Vor allem in die Digitalisierung der Demokratie müsse investiert werden.

Dietmar Nietan im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 14.06.2018
    Porträtbild des SPD-Außenpolitikers Dietmar Nietan
    SPD-Schatzmeister Nietan hält eine Ausweitung der Parteienfinanzierung für rechtmäßig (imago / Metodi Popow)
    Ann-Kathrin Büüsker: Die Große Koalition möchte die Parteienfinanzierung aufstocken. Über Sinnhaftigkeit, Notwendigkeit und Vorgehen in dieser Sache kann ich jetzt mit Dietmar Nietan sprechen, Bundesschatzmeister der SPD. Guten Morgen!
    Dietmar Nietan: Guten Morgen!
    Büüsker: Herr Nietan, eröffnen Sie uns mal bitte den Blick in die Kasse der SPD. Sieht es da wirklich so düster aus?
    Nietan: Es ist nicht so, dass wir, wie man so schön sagt, den Finger heben müssen und pleite sind. Aber es ist ja schon vorher gesagt worden: Selbstverständlich hat es schwere Auswirkungen auch bei uns, wenn wir schlechte Wahlergebnisse einfahren, was ja unsere Schuld ist. Aber dann fehlen uns zum Beispiel aufgrund des Bundestagswahlergebnisses rund 1,6 Millionen Euro jedes Jahr an Einnahmen.
    Das andere ist, dass wir, aber das machen andere Parteien auch, schon seit vielen Jahren Millionen-Beträge investieren müssen in die Digitalisierung der Demokratie. Das kostet richtig viel Geld. Und das ist unabhängig von Wahlergebnissen etwas, was wir tun müssen, weil wir sonst in der Demokratie, so wie sie sich heute abspielt, auch in der digitalen Welt einfach nicht mehr mithalten können, und damit würden wir unseren verfassungsgemäßen Auftrag auch nicht mehr richtig erfüllen können.
    Büüsker: Aber wenn nicht genug Geld da ist, dann müssen Sie an anderer Stelle sparen.
    Nietan: Ja, selbstverständlich! Sie können mir glauben, dass ich als Schatzmeister im Moment nicht viele Freunde habe, weil es ein massives Sparprogramm gibt. Die Dinge, die ich den Gremien der Partei vorgelegt habe für eine mittelfristige Finanzplanung, sehen Millionen-Einsparungen vor. Aber ich will das noch mal betonen: Der Grund der Dinge, die jetzt im Bundestag geschehen, ist nicht die Kassenlage, sondern einfach die Tatsache, dass politische Arbeit viel aufwendiger geworden ist, wenn auch die kommunikativen Kanäle der digitalen Welt ordentlich genutzt werden sollen, um mit Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren, um unsere Botschaften an die Bürgerinnen und Bürger zu bringen. Das ist alles viel komplizierter geworden, als das noch vor 20 Jahren der Fall war.
    "Ich kann verstehen, dass die Opposition sauer ist"
    Büüsker: Und warum müssen Sie sich dann jetzt im Hauruck-Verfahren mehr Geld besorgen?
    Nietan: Ich kann verstehen, dass die Opposition da sauer ist. Wenn ich in der Opposition wäre, würde ich da auch den Finger in die Wunde legen. Das ist richtig.
    Büüsker: Warum haben Sie es denn nicht besser gemacht?
    Nietan: Entschuldigung, Sie haben mich jetzt unterbrochen. Ich wollte es ja gerade noch mal ausführen. Es ist so: Wir machen nicht eine hoch komplizierte Veränderung des Parteiengesetzes, dass wir Dinge ganz anders machen, dass wir ganz viele Punkte ändern oder die Sinnhaftigkeit des Gesetzes komplett umdrehen, wo man sagt, das ist so kompliziert, da muss man jetzt über viele Wochen diskutieren, sondern wir ändern einen Parameter, die sogenannte absolute Obergrenze, um zu ermöglichen, dass das, was die Parteien erwirtschaften – das ist nämlich Voraussetzung; Du kannst nicht mehr kriegen als Du auch selbst erwirtschaftest -, jetzt, wenn man so will, ausgezahlt werden kann, um das für die digitalen Dinge zu tun. Und wir waren der Meinung, das ist ein Punkt, der klar verständlich begründet ist, der nicht eine hoch komplizierte Gesetzesnovelle erfordert, und den kann man eigentlich auch in einer kurzen Zeit hinbekommen.
    Büüsker: Und dass das jetzt aber so ankommt, als wollten Sie das kurz vor der WM noch mal eben schnell durchsetzen, das verstehen Sie schon?
    Nietan: Das verstehe ich. Klar!
    "Es geht hier nicht um Selbstbedienung"
    Büüsker: Und wie gehen Sie jetzt damit um? Ich meine, das ist ein enormer Image-Schaden für die SPD.
    Nietan: Na ja. Ich glaube, muss man selbstkritisch sagen: Wenn es solche Debatten gibt, ist es am Ende ein Image-Schaden auch für die Parteiendemokratie, denn viele Bürgerinnen und Bürger würden einfach sagen, na ja, so sind sie halt, die Parteien. Aber ich will noch mal an dieser Stelle sagen: Ich glaube, egal wie wir es gemacht hätten, schnell, langsam, vor der WM, nach der WM, wir müssen feststellen, das ist nun einfach so. Ich glaube, da werden Sie mir recht geben. Grundsätzlich ist die Stimmung, warum kriegen die Parteien sowieso so viel Geld, und jetzt wollen sie noch mehr Geld haben. Ich glaube, es ist im Moment in der Stimmungslage, wie sie ist, sehr, sehr schwer, überhaupt zu begründen, warum man mehr Geld braucht und dass man das nicht macht, um sich noch schönere Parteizentralen zu bauen. Und Sie haben recht: Unsere Aufgabe muss es nun auch sein, und das tun wir auch schon die ganze Zeit, indem wir Bürgeranfragen beantworten oder andere Dinge tun, sehr genau zu erklären, dass es hier nicht um Selbstbedienung geht, sondern wirklich um die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit, dass Parteien ihren verfassungsgemäßen Auftrag auch entsprechend leisten können.
    Büüsker: Herr Nietan, Ihre Argumentation klingt jetzt für mich ein bisschen so: Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen, nun lassen wir es da unten einfach bleiben und setzen das Ding trotzdem um. Bei diesem Widerstand, den Sie erfahren, wäre es da nicht besser, das Projekt erst mal abzublasen?
    Nietan: Nein! Auf keinen Fall! Weil ich weiß, wie das endet. Weil am Ende die Dinge zerredet werden und gar nichts passiert. Und glauben Sie mir mal: Die Feinde der Demokratie, die investieren nicht, was die Parteien auch tun, in Mitgliederbetreuung, in vernünftigen Datenschutz für ihre Mitglieder, in Partizipationsmöglichkeiten. Die stecken all ihr Geld, was sie bekommen, teilweise auch aus dunklen Kanälen, teilweise auch aus Hauptstädten in Osteuropa, nur in eine Propagandaschlacht, indem sie die digitalen Medien aufrüsten, indem sie Trolle bezahlen und, und, und.
    Und wenn wir da lange warten als Parteien, dann verlieren wir den Anschluss, weil wir gar nicht mehr die Reichweite haben, unsere Botschaften - ob man die nun teilt oder nicht - überhaupt rüberzubringen, und die Agenda, sozusagen das, was im Netz hochkocht, setzen nur noch die, die unsere Demokratie zersetzen wollen. Ich sehe da Handlungsdruck. Wir können da nicht mehr lange warten. Wir müssen, ich sage mal, in diesem Bereich wieder auf gleiche Augenhöhe mit denen kommen, die die digitale Welt nutzen, um die Demokratie kaputt zu reden. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir das jetzt auch tun sollten.
    "Haben uns vorher sachkundig gemacht"
    Büüsker: Nun gab es zu dieser Sache ja Anfang der Woche im Innenausschuss eine Anhörung von Experten. Unter anderem die Staatsrechtlerin Sophie Schönberger hat erhebliche Zweifel daran geäußert, dass das alles so rechtens ist. Ihr scheint die Begründung nicht auszureichen. Wieso wischen Sie diese Skepsis einfach weg?
    Nietan: Nein, die wische ich nicht weg. Um Gottes willen!
    Büüsker: Wenn Sie es ganz schnell durchsetzen wollen, dann sind Ihnen diese Zweifel ja offenbar egal.
    Nietan: Nein, die sind uns nicht egal, weil wir uns natürlich auch vorher sachkundig gemacht haben und auch mit Juristen gesprochen haben, die keine verfassungsrechtlichen Bedenken haben. Ich glaube, das kennen Sie auch von Ihrer journalistischen Arbeit. Ich hoffe, die Juristen nehmen es mir nicht übel. Es gibt manchmal den Satz, drei Juristen, fünf Meinungen. Sie finden für fast jede Position auch jemanden aus dem Expertenkreis, der sagt, das geht nicht oder das ist verfassungsgemäß oder nicht verfassungsgemäß. Diejenigen, die uns beraten haben, haben gesagt, das kann man so machen und im Zweifelsfall muss das ein Verfassungsgericht klären. In eine Situation zu kommen, wo alle Juristen uns sagen, das ist richtig, wie ihr es macht, die werden wir nie haben.
    Büüsker: Es geht um 25 Millionen. Es könnte am Ende eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht stehen. Und es gibt einen enormen Image-Verlust für die Politik. Ist es das wirklich wert?
    Nietan: Noch mal: Wenn es einen Weg gäbe, ohne dass es entsprechende Diskussionen gäbe über die Sinnhaftigkeit der Finanzierung, könnte man sich darüber unterhalten. Ich stelle einfach fest, dass die Parteien handlungsfähig werden müssen in der digitalen Welt. Und noch mal: Ich bin da jetzt nicht jemand, der weltfremd oder ignorant über die Einwände hinweggeht. Aber ich würde mir wünschen, dass wir viel mehr Diskussionen darüber führen, was kann man denn tun, damit die Parteien in der digitalen Welt mit den Feinden der Demokratie mithalten können. Ich finde, das ist für mich die entscheidende Frage, und die versuchen wir jetzt vernünftig zu lösen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.