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SPD-Umweltpolitiker wollen Änderungen an Föderalismusreform

Die SPD-Politikerin Petra Bierwirth, Vorsitzende im Umweltausschuss des Bundestages, fürchtet im Zuge der Föderalismusreform eine "Verschlimmbesserung des derzeitigen Umweltrechtes". Bierwirth verlangte stellvertretend für die Umweltpolitiker in der SPD-Fraktion Änderungen an den gestern von Bundesregierung und Ländern auf den Weg gebrachten Gesetzesvorhaben. Das Ziel einer klaren Zuordnung von Zuständigkeiten würde nach jetzigem Stand im Umweltsektor nicht erreicht.

Moderation: Burkhard Birke |
    Burkhard Birke: Das Ziel der Föderalismusreform ist ehrenwert, eine klare Kompetenzregelung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden mit dem Ziel, die Kompetenz da anzusiedeln, wo sie hingehört und unnötige Konflikte, unnötiges Tauziehen und Bremsen - etwa durch die Länderkammer - im Gesetzgebungsverfahren zu vermeiden. Deshalb haben nun auch die Ministerpräsidenten, das Kabinett und die Bundestagsfraktionen von Union und SPD zumindest im Grundsatz gestern zugestimmt. Aber dieses eben erwähnte Ziel scheint mit dem jetzt ausgehandelten Kompromiss in einigen Bereichen nicht ganz durchführbar zu sein. In der Bildungspolitik etwa, bei der Beamtenbesoldung, im Strafvollzug und in der Umweltpolitik gibt es Probleme. Und letzteren Bereich wollen wir einmal herausgreifen, um eben diese erwähnten Probleme darzustellen.

    In den Informationen am Morgen hier im Deutschlandfunk bin ich jetzt mit Petra Bierwirth von der SPD verbunden. Sie ist Vorsitzende im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages. Einen schönen guten Morgen, Frau Bierwirth!

    Petra Bierwirth: Schönen guten Morgen!

    Birke: Wir haben es gehört, Frau Bierwirth, die Umweltverbände haben kritisiert, die Chance auf ein modernes übersichtliches Umweltrecht sei leichtfertig vertan worden. Teilen Sie diese Auffassung?

    Bierwirth: Ja, diese Einschätzung teilen wir Umweltpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion ebenso. Wobei nicht nur wir diese Einschätzung teilen, es ist ja in Ihrem Beitrag schon angeklungen, dass auch der Sachverständigenrat hier eine sehr kritische Auffassung hat und vor allen Dingen auch die Wirtschaftsverbände und alle Fachpolitiker aus den Ländern ebenso.

    Birke: Wo sehen Sie die größten Probleme, Frau Bierwirth?

    Bierwirth: Die größten Probleme sehe ich dabei, dass wir jetzt statt dieser, ich sage mal, doch gegliederten Rahmenkompetenzgebung des Bundes in Zukunft sechs neue Kompetenzzuordnungen im Umweltbereich bekommen sollen. Also da gibt es zum Beispiel ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes in einigen Bereichen, eine konkurrierende Gesetzgebung ohne Erforderlichkeitsklausel, eine konkurrierende Gesetzgebung mit Erforderlichkeitsklausel, Abweichungsrecht für Länder in bestimmten Bereichen. Hier gibt es aber wieder Ausnahmen, wo es keine Abweichungsregelungen geben wird. Und es gibt eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Und hier sagen wir auch klar und deutlich, dass das für uns eine Verschlimmbesserung des derzeitigen Umweltrechtes ist. Und wir sehen auch nicht unser Ziel erreicht, mal ein einheitliches Umweltgesetzbuch auf den Weg zu bringen.

    Birke: Klare Kompetenzzuordnung war ja das Ziel der Föderalismusreform. Ziel verfehlt?

    Bierwirth: Das kann man so in diesem Punkt sagen, ja.

    Birke: Wollen Sie denn nun dieses Paket wieder aufschnüren?

    Bierwirth: Also das ganze Paket Föderalismuskommission wollen wir nicht aufschnüren. Unsere Fraktion hat ja auch gestern beschlossen, dieses Gesetzespaket in den Bundestag einzubringen. Aber wir haben auch gestern in der Fraktion klar und deutlich Nachbesserungen gefordert. Und es gibt es ja auch dazu einen Beschluss der Arbeitsgruppe Umwelt der SPD-Bundestagsfraktion, wo wir hier schon Punkte aufgeschrieben haben, in denen wir Nachbesserungsbedarf sehen.

    Birke: Sie wollen sich da auch nicht von den Ministerpräsidenten, auch den SPD-Ministerpräsidenten, einen Maulkorb verpassen lassen, die etwa - wie Herr Wowereit, der Regierende Bürgermeister von Berlin - jetzt sagen nach dem Motto "friss oder stirb, Vogel, dieses Paket kann in keinem Detail aufgeschnürt werden"?

    Bierwirth: Nein, diesen Maulkorb wollen wir uns nicht verpassen lassen, weil ich denke, das können wir auch nicht tun. Wenn hier fach- und sachübergreifend solche Kritik an so einem Vorhaben - und berechtigte Kritik - angebracht ist, können wir als Parlament, die ja nachher dieser Verfassungsreform die Zustimmung geben muss, ja nicht sehenden Auges in solch ein Desaster hineinlaufen.

    Birke: Frau Bierwirth, lassen Sie uns mal ein bisschen abchecken, wo denn so ein Minimalkonsens rauskommen könnte. Wo wären Sie denn zufrieden, wo Sie sagen würden, das können wir gerade noch so mittragen? Wäre denn zum Beispiel, wenn man diese konkurrierende Gesetzgebung der Länder als Konkurrenz auch zu Bundesrahmengesetzen abschaffen würde, wäre das ein wichtiger Schritt?

    Bierwirth: Das wäre ein wichtiger Schritt. Es wäre zum Beispiel auch ein wichtiger Schritt, wenn wir im Grundgesetz einen einheitlichen Kompetenztitel "Recht des Umweltschutzes" aufgenommen bekommen, und auch dieser Kompetenztitel dann Bestandteil der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes wird, und zwar ohne eine Erforderlichkeitsklausel, um hier auch Rechtssicherheit zu bieten.

    Birke: Jetzt haben ja gestern die Unionsfraktionsmitglieder mit zwei Enthaltungen diese Föderalismusreform begrüßt. Sie haben gesagt, in der SPD gab es durchaus divergierende Meinungen. Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass Sie diese, von Ihnen eben erwähnten Änderungen überhaupt durchbekommen?

    Bierwirth: Also ich bin da ganz zuversichtlich. Zumindest haben wir im Ausschuss, also im Umweltausschuss, wo ja alle Parteien an einem Tisch sitzen, ja schon sehr intensiv dieses Vorhaben diskutiert. Und da sind wir uns parteiübergreifend einig gewesen, dass hier also noch Änderungen stattfinden müssen.

    Birke: Auch deshalb, weil ja 60 Prozent der Gesetzgebung im Umweltbereich von der EU kommen und eben diese Regelung, wie sie in dem Reformpaket festgehalten ist, gar nicht EU-kompatibel wäre?

    Bierwirth: Zum Beispiel. Und wir aber auch sagen, unser Ziel war, ein Umweltgesetzbuch zu haben, eine integrierte Vorhabensgenehmigung auf den Weg zu bringen. Und dieses wollen wir mit der Föderalismusreform auch erreichen, und dafür sind Änderungen erforderlich.

    Birke: Hätten Sie denn eine Sperrminorität? Das heißt, würden Sie genügend Abgeordnete zusammenbekommen, die im Zweifel gegen die Föderalismusreform im Bundestag stimmen und die Zwei-Drittel-Mehrheit zur Grundgesetzänderung verhindern würden?

    Bierwirth: So weit will ich gar nicht gehen, weil ich bin optimistisch, dass wir jetzt im laufenden Verfahren - am Freitag wird es ja im Bundestag eingebracht, und wir haben ja dann Zeit, darüber noch ausführlich und intensiv zu diskutieren - dass wir hier Änderungen auf den Weg bringen, und dann auch diesem Reformpaket zugestimmt werden wird.

    Birke: Fürchten Sie nicht, dass hier die Pandorabüchse geöffnet wird und jetzt auch im Bildungsbereich und in anderen kritisierten Bereichen - etwa bei der Verlagerung der Strafvollzugskompetenz auf die Länder - hier auch Nachbesserungen gewünscht würden?

    Bierwirth: Na gut, was heißt die Büchse der Pandora eröffnen? Ich denke, wir haben jetzt hier so eine weit reichende Verfassungsänderung auf den Weg zu bringen, und da muss es uns als Parlament schon gestattet sein, zu hinterfragen, was jetzt auf dem Tisch liegt, und gegebenenfalls auch Änderungen einzubringen. Wir stellen ja nicht die ganze Föderalismusreform infrage, sondern nur teilweise inhaltliche Punkte. Und wenn wir hier eben der Auffassung sind, dass das unrealistisch ist und auch im Tagesgeschehen gar nicht umsetzbar ist, dann denke ich, müssen da Änderungen gemacht werden.

    Birke: Petra Bierwirth war das von der SPD. Sie ist Vorsitzende im Umweltausschuss hier in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk. Vielen Dank für dieses Gespräch. Wiederhören.

    Bierwirth: Danke auch. Wiederhören.