Stefan Heinlein: Am Telefon nun der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil. Guten Morgen, Herr Heil!
Hubertus Heil: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Glauben Sie, dass noch irgendein Langzeitarbeitsloser derzeit versteht, worum es geht?
Heil: Nein, das glaube ich nicht. Das ist ja ein Thema, das man kaum erklären kann. Aber man muss darauf hinweisen, was droht, wenn am 01.01.2011 – in Zeiten übrigens steigender Langzeitarbeitslosigkeit – man einfach zuwartet und das Ganze zerfällt und die Jobcenter zerschlagen werden, wie Frau von der Leyen das in den letzten Monaten sich so ausgedacht hatte. Dann droht wirklich Chaos in der Betreuung von Langzeitarbeitslosen. Doppelte Bescheide, doppelte Bürokratie, Pingpong mit Langzeitarbeitslosen zwischen Kommunen und Arbeitsverwaltung. Und das ist nicht vernünftig. Deshalb müssen wir zu einer Lösung kommen.
Heinlein: Wie kann denn diese Lösung aussehen?
Heil: Wir haben eine Lösung gehabt im letzten Jahr, die war Konsens zwischen 16 Bundesländern unter der damaligen Bundesregierung. Olaf Scholz hatte das mit Herrn Rüttgers und Kurt Beck ausgehandelt. Es ist damals sabotiert worden von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Diese Lösung ist jetzt wieder auf dem Tisch, wir haben das im Dezember eingebracht, und wir reichen als Oppositionspartei, weil wir konstruktiv sind und kein Chaos wollen, der Union durchaus die Hand, zu sagen, lasst uns gemeinsam eine verfassungsrechtliche Grundlage schaffen, damit in Jobcentern die Vermittlung, Betreuung von Langzeitarbeitslosen weiter aus einer Hand stattfinden kann.
Heinlein: Verstehen Sie denn, Herr Heil, versteht die SPD unter einer Grundgesetzänderung das Gleiche auch im Detail wie Roland Koch und die übrige Union?
Heil: Wir haben, wie gesagt, schon mal einen Konsens gehabt mit allen Unionsministerpräsidenten. Der ist von Herrn Kauder und Mitgliedern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion damals kaputt gemacht worden. Unser Vorschlag sieht so aus, dass zum einen wir eine Verfassungsänderung wollen, die die gemeinsame Arbeit von Bundesagentur und Kommunen zulässt in den Jobcentern, zum Zweiten die sogenannten Optionskommunen, das sind 69 Kommunen, die das in Eigenregie ohne Bundesagentur machen, weitergearbeitet werden kann. Und das ist unser Vorschlag, und auf der Grundlage, glaube ich, kann man sich auch einigen, zumal es schon mal einen Konsens über diesen Vorschlag gab, dahingehend eine verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen.
Heinlein: Sie sagen es, Herr Heil, derzeit sind es 69 Optionskommunen, die Union oder Teile der Union wollen aber mehr. Wie viel dürfen es denn mit der SPD werden? Sie sind für eine moderate Ausweitung, das haben Sie im Vorfeld gesagt, können Sie uns da eine Zahl nennen, wie viel mehr als 69 können es werden?
Heil: Noch mal: Wir reden über ein Paket. Das Wichtigste und Erste ist, dass das, was in den Mehrzahlen der Regionen und Kommunen der Fall ist, nämlich gemeinsame Arbeit von Bundesagentur für Arbeit und Kommune in der Betreuung von Langzeitarbeitslosen aus einer Hand stattfinden kann. Dafür braucht man eine verfassungsrechtliche Grundlage. Zweitens: Auch für die Weiterarbeit der 69 Optionskommunen braucht man im Gegensatz zu dem, was Frau von der Leyen nun dachte, die mit ihren Vorstellungen wirklich krachend gescheitert ist, eine verfassungsrechtliche Grundlage.
Heinlein: Also 69 Optionskommunen - mehr können es mit der SPD nicht werden?
Heil: Das habe ich nicht gesagt, aber erst mal muss man ja dafür sorgen, dass die 69 weiterarbeiten können. Auch das ist ohne Verfassungsänderung nicht so einfach möglich, das sagen Verfassungsexperten. Herr Koch will mehr Optionskommunen, wir sagen, da darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, können jetzt nicht alles noch mal umkrempeln bei der Geschichte, über eine moderate Erhöhung kann man reden. Wenn ich zum Beispiel an Ostdeutschland denke, wo durch Kreisgebietsreformen die Grenzen zwischen Optionskommunen, die das in Eigenregie machen, und Arbeitsgemeinschaften einfach nicht mehr stimmt. Darüber kann man reden. Ich glaube, dass bei gutem Willen alle Beteiligten auch zu einer Lösung finden, aber die Voraussetzung ist, dass Frau Merkel das Ganze nicht einfach laufen lässt, sondern ihre Union da mal sortiert. Ich hoffe, dass die morgen mal auf eine Linie kommen. Bisher herrscht da Chaos, und dieses Chaos in der Union droht zum Chaos für die Arbeitslosen zu werden.
Heinlein: Aber noch mal die Frage, Herr Heil: Eine moderate Ausweitung, das können Sie nicht mit einer Zahl belegen?
Heil: Ich will hier nicht über Zahlen spekulieren. Wie gesagt, das ist nicht unser Ziel, dass eine Ausweitung stattfindet. Es gibt aber den Wunsch und das Anliegen einiger in der Union, dass das passiert. Wenn es sich im Rahmen hält und moderat ist, dann kann man das machen, das kann man miteinander besprechen, verhandeln, man darf nur nicht das gesamte System kippen. Und für uns steht im Vordergrund, dass Langzeitarbeitslose aus einer Hand betreut werden, und da setzen wir im Wesentlichen auf die Zusammenarbeit zwischen Bundesagentur und Kommunen.
Heinlein: Das klingt nicht ganz so, Herr Heil, als ob die SPD der Versuchung widerstehen kann, aus diesem Dilemma der Union, aus diesem Dilemma der neuen Arbeitsministerin dann doch am Ende parteipolitisches Kapital zu schlagen.
Heil: Einspruch, Euer Ehren! Wenn wir eine Sonthofen-Strategie verfolgen würden à la Franz Josef Strauß nach dem Motto, dass die chaotische Regierung mit ihren Problemen im Sumpf und im Chaos versinken, dann würden wir nicht Zusammenarbeit anbinden. Wir könnten uns ja dann, wenn wir rein parteitaktisch denken würden, zurücklehnen und uns angucken, wie das Ganze chaotisch zwischen Herrn Koch und Frau von der Leyen an die Wand fährt.
Nein, wir tragen Verantwortung in vielen Kommunen, auch in vielen Bundesländern, und wir sind auch eine verantwortliche Opposition im Bund, die sagt, wie benennen die Fehler der Regierung, da geht es auf die Knochen der Arbeitslosen, das wollen wir nicht, wir machen aber auch Vorschläge und wir bieten, weil wir gebraucht werden für eine verfassungsrechtliche Änderung, auch Zusammenarbeit an. Das haben Frank-Walter Steinmeier und Kurt Beck in einem Brief an Frau von der Leyen deutlich gemacht. Wir sind zu Gesprächen bereit, nur es läuft die Zeit weg. Wir hätten uns vor einem Jahr schon einigen können, als die Union das sabotiert hat als Bundestagsfraktion. Jetzt sind noch wenige Monate Zeit, und wir können miteinander zu einer Lösung kommen, zumal die SPD entsprechende Gesetzentwürfe schon vor Weihnachten – die liegen da im Bundesrat und Bundestag – eingebracht hat. Auf der Basis kann man jetzt schnell sich an den Tisch setzen, verhandeln und zu einer Lösung kommen.
Heinlein: Sind Sie eigentlich enttäuscht, Herr Heil, dass die Kanzlerin und die übrige Union auf Ihren Brief, den Sie erwähnt haben, den Brief Ihrer Fraktion in dieser Woche, noch nicht reagiert hat? Da war das Angebot zur Zusammenarbeit ja noch mal artikuliert worden.
Heil: Warten wir es mal ab bei der ganzen Sache, was da morgen im Kanzleramt rauskommt. Ich bin enttäuscht, was die Kanzlerin betrifft, die vor einem Jahr ihren Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat hängen lassen, der ja mit den Ländern diesen Kompromiss ausgehandelt hat. Sie hat da aus, was auch immer – ich nenne es mal vorsichtig Opportunität, um nicht Feigheit zu sagen – sich nicht in der eigenen Fraktion bei CDU/CSU durchsetzen können.
Alle sagen, eine verfassungsrechtliche Grundlage sei richtig an dieser Stelle, aber sie hat nicht die Kraft gehabt, das, was richtig ist, in der eigenen Fraktion durchzusetzen. Das ist bezeichnend für den Führungsstil von Frau Merkel. Frau von der Leyen hat das Thema aus meiner Sicht erst einmal unterschätzt und hat auch sich nicht daran gewagt, ihre eigenen Leute von einer richtigen und vernünftigen Lösung in Berlin zu überzeugen. Jetzt machen Unionsministerpräsidenten Druck, wir machen ein Angebot, wie man zu einer Lösung kommen kann. Und noch mal: Wir sind bereit, dafür zu sorgen, dass das nicht an die Wand fährt, und das ist, glaube ich, das, was auch verantwortlich ist.
Heinlein: Kurz noch, Herr Heil, zum Schluss eine Frage mit dem Blick auf Anfang dieser Woche, dann entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder. Halten Sie persönlich die geltenden Regelungen, die Regelsätze für zu gering?
Heil: Ich glaube, im Bereich der Regelsätze für Kinder geht es darum, Kinder gezielter zu unterstützen, und wir werden auch darüber reden müssen, ob das auskömmlich ist, was da ist, was Sonderbedarfe betrifft. Ich glaube aber, das darf man auf Geld nicht reduzieren. Es geht hier nicht nur um die Absicherung des Existenzminimums von Kindern, das ist wichtig, da muss man nicht drüber reden, sondern es geht darum, dass sie Teilhabechancen haben und Bildungschancen vor allen Dingen. Da geht es also nicht nur um Geldleistungen, sondern um Chancen.
Heinlein: Aber es kann sein, Herr Heil, dass Karlsruhe der Politik erneut eine schwierige Aufgabe stellt.
Heil: Das kann sein. Ich kann nur sagen, falls Karlsruhe entscheiden sollte, dass die Regelsätze höher sind bei Kindern oder allgemein sagt, die Regelsätze müssen steigen, dann muss Politik das umsetzen, dann werden wir aber ein anderes Problem zu klären haben, nämlich die Frage, wie ist das eigentlich mit Leuten, die kein Arbeitslosengeld II bekommen und gering verdienen, die dann im Schnitt auch zum Teil weniger haben als Menschen, die im Arbeitslosengeld sind. Das macht Druck zu Mindestlöhnen, sage ich, weil wir feststellen werden an dieser Stelle, dass es einen Lohnabstand geben muss, dass die Leute, die arbeiten, mehr haben müssen als die, die in Arbeitslosengeld sind. Aber noch mal: Ich bin dafür, dass wir bei Kindern mehr tun, und ich gehe davon aus, dass Karlsruhe die Berechnungsgrundlage an dieser Stelle für problematisch hält.
Heinlein: Die Debatte um die Langzeitarbeitslosen und die Reform der Jobcenter. Dazu heute Morgen hier im Deutschlandfunk SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Herr Heil, ich danke Ihnen für das Gespräch und ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Heil: Ihnen auch, tschüss!
Hubertus Heil: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Glauben Sie, dass noch irgendein Langzeitarbeitsloser derzeit versteht, worum es geht?
Heil: Nein, das glaube ich nicht. Das ist ja ein Thema, das man kaum erklären kann. Aber man muss darauf hinweisen, was droht, wenn am 01.01.2011 – in Zeiten übrigens steigender Langzeitarbeitslosigkeit – man einfach zuwartet und das Ganze zerfällt und die Jobcenter zerschlagen werden, wie Frau von der Leyen das in den letzten Monaten sich so ausgedacht hatte. Dann droht wirklich Chaos in der Betreuung von Langzeitarbeitslosen. Doppelte Bescheide, doppelte Bürokratie, Pingpong mit Langzeitarbeitslosen zwischen Kommunen und Arbeitsverwaltung. Und das ist nicht vernünftig. Deshalb müssen wir zu einer Lösung kommen.
Heinlein: Wie kann denn diese Lösung aussehen?
Heil: Wir haben eine Lösung gehabt im letzten Jahr, die war Konsens zwischen 16 Bundesländern unter der damaligen Bundesregierung. Olaf Scholz hatte das mit Herrn Rüttgers und Kurt Beck ausgehandelt. Es ist damals sabotiert worden von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Diese Lösung ist jetzt wieder auf dem Tisch, wir haben das im Dezember eingebracht, und wir reichen als Oppositionspartei, weil wir konstruktiv sind und kein Chaos wollen, der Union durchaus die Hand, zu sagen, lasst uns gemeinsam eine verfassungsrechtliche Grundlage schaffen, damit in Jobcentern die Vermittlung, Betreuung von Langzeitarbeitslosen weiter aus einer Hand stattfinden kann.
Heinlein: Verstehen Sie denn, Herr Heil, versteht die SPD unter einer Grundgesetzänderung das Gleiche auch im Detail wie Roland Koch und die übrige Union?
Heil: Wir haben, wie gesagt, schon mal einen Konsens gehabt mit allen Unionsministerpräsidenten. Der ist von Herrn Kauder und Mitgliedern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion damals kaputt gemacht worden. Unser Vorschlag sieht so aus, dass zum einen wir eine Verfassungsänderung wollen, die die gemeinsame Arbeit von Bundesagentur und Kommunen zulässt in den Jobcentern, zum Zweiten die sogenannten Optionskommunen, das sind 69 Kommunen, die das in Eigenregie ohne Bundesagentur machen, weitergearbeitet werden kann. Und das ist unser Vorschlag, und auf der Grundlage, glaube ich, kann man sich auch einigen, zumal es schon mal einen Konsens über diesen Vorschlag gab, dahingehend eine verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen.
Heinlein: Sie sagen es, Herr Heil, derzeit sind es 69 Optionskommunen, die Union oder Teile der Union wollen aber mehr. Wie viel dürfen es denn mit der SPD werden? Sie sind für eine moderate Ausweitung, das haben Sie im Vorfeld gesagt, können Sie uns da eine Zahl nennen, wie viel mehr als 69 können es werden?
Heil: Noch mal: Wir reden über ein Paket. Das Wichtigste und Erste ist, dass das, was in den Mehrzahlen der Regionen und Kommunen der Fall ist, nämlich gemeinsame Arbeit von Bundesagentur für Arbeit und Kommune in der Betreuung von Langzeitarbeitslosen aus einer Hand stattfinden kann. Dafür braucht man eine verfassungsrechtliche Grundlage. Zweitens: Auch für die Weiterarbeit der 69 Optionskommunen braucht man im Gegensatz zu dem, was Frau von der Leyen nun dachte, die mit ihren Vorstellungen wirklich krachend gescheitert ist, eine verfassungsrechtliche Grundlage.
Heinlein: Also 69 Optionskommunen - mehr können es mit der SPD nicht werden?
Heil: Das habe ich nicht gesagt, aber erst mal muss man ja dafür sorgen, dass die 69 weiterarbeiten können. Auch das ist ohne Verfassungsänderung nicht so einfach möglich, das sagen Verfassungsexperten. Herr Koch will mehr Optionskommunen, wir sagen, da darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, können jetzt nicht alles noch mal umkrempeln bei der Geschichte, über eine moderate Erhöhung kann man reden. Wenn ich zum Beispiel an Ostdeutschland denke, wo durch Kreisgebietsreformen die Grenzen zwischen Optionskommunen, die das in Eigenregie machen, und Arbeitsgemeinschaften einfach nicht mehr stimmt. Darüber kann man reden. Ich glaube, dass bei gutem Willen alle Beteiligten auch zu einer Lösung finden, aber die Voraussetzung ist, dass Frau Merkel das Ganze nicht einfach laufen lässt, sondern ihre Union da mal sortiert. Ich hoffe, dass die morgen mal auf eine Linie kommen. Bisher herrscht da Chaos, und dieses Chaos in der Union droht zum Chaos für die Arbeitslosen zu werden.
Heinlein: Aber noch mal die Frage, Herr Heil: Eine moderate Ausweitung, das können Sie nicht mit einer Zahl belegen?
Heil: Ich will hier nicht über Zahlen spekulieren. Wie gesagt, das ist nicht unser Ziel, dass eine Ausweitung stattfindet. Es gibt aber den Wunsch und das Anliegen einiger in der Union, dass das passiert. Wenn es sich im Rahmen hält und moderat ist, dann kann man das machen, das kann man miteinander besprechen, verhandeln, man darf nur nicht das gesamte System kippen. Und für uns steht im Vordergrund, dass Langzeitarbeitslose aus einer Hand betreut werden, und da setzen wir im Wesentlichen auf die Zusammenarbeit zwischen Bundesagentur und Kommunen.
Heinlein: Das klingt nicht ganz so, Herr Heil, als ob die SPD der Versuchung widerstehen kann, aus diesem Dilemma der Union, aus diesem Dilemma der neuen Arbeitsministerin dann doch am Ende parteipolitisches Kapital zu schlagen.
Heil: Einspruch, Euer Ehren! Wenn wir eine Sonthofen-Strategie verfolgen würden à la Franz Josef Strauß nach dem Motto, dass die chaotische Regierung mit ihren Problemen im Sumpf und im Chaos versinken, dann würden wir nicht Zusammenarbeit anbinden. Wir könnten uns ja dann, wenn wir rein parteitaktisch denken würden, zurücklehnen und uns angucken, wie das Ganze chaotisch zwischen Herrn Koch und Frau von der Leyen an die Wand fährt.
Nein, wir tragen Verantwortung in vielen Kommunen, auch in vielen Bundesländern, und wir sind auch eine verantwortliche Opposition im Bund, die sagt, wie benennen die Fehler der Regierung, da geht es auf die Knochen der Arbeitslosen, das wollen wir nicht, wir machen aber auch Vorschläge und wir bieten, weil wir gebraucht werden für eine verfassungsrechtliche Änderung, auch Zusammenarbeit an. Das haben Frank-Walter Steinmeier und Kurt Beck in einem Brief an Frau von der Leyen deutlich gemacht. Wir sind zu Gesprächen bereit, nur es läuft die Zeit weg. Wir hätten uns vor einem Jahr schon einigen können, als die Union das sabotiert hat als Bundestagsfraktion. Jetzt sind noch wenige Monate Zeit, und wir können miteinander zu einer Lösung kommen, zumal die SPD entsprechende Gesetzentwürfe schon vor Weihnachten – die liegen da im Bundesrat und Bundestag – eingebracht hat. Auf der Basis kann man jetzt schnell sich an den Tisch setzen, verhandeln und zu einer Lösung kommen.
Heinlein: Sind Sie eigentlich enttäuscht, Herr Heil, dass die Kanzlerin und die übrige Union auf Ihren Brief, den Sie erwähnt haben, den Brief Ihrer Fraktion in dieser Woche, noch nicht reagiert hat? Da war das Angebot zur Zusammenarbeit ja noch mal artikuliert worden.
Heil: Warten wir es mal ab bei der ganzen Sache, was da morgen im Kanzleramt rauskommt. Ich bin enttäuscht, was die Kanzlerin betrifft, die vor einem Jahr ihren Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat hängen lassen, der ja mit den Ländern diesen Kompromiss ausgehandelt hat. Sie hat da aus, was auch immer – ich nenne es mal vorsichtig Opportunität, um nicht Feigheit zu sagen – sich nicht in der eigenen Fraktion bei CDU/CSU durchsetzen können.
Alle sagen, eine verfassungsrechtliche Grundlage sei richtig an dieser Stelle, aber sie hat nicht die Kraft gehabt, das, was richtig ist, in der eigenen Fraktion durchzusetzen. Das ist bezeichnend für den Führungsstil von Frau Merkel. Frau von der Leyen hat das Thema aus meiner Sicht erst einmal unterschätzt und hat auch sich nicht daran gewagt, ihre eigenen Leute von einer richtigen und vernünftigen Lösung in Berlin zu überzeugen. Jetzt machen Unionsministerpräsidenten Druck, wir machen ein Angebot, wie man zu einer Lösung kommen kann. Und noch mal: Wir sind bereit, dafür zu sorgen, dass das nicht an die Wand fährt, und das ist, glaube ich, das, was auch verantwortlich ist.
Heinlein: Kurz noch, Herr Heil, zum Schluss eine Frage mit dem Blick auf Anfang dieser Woche, dann entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder. Halten Sie persönlich die geltenden Regelungen, die Regelsätze für zu gering?
Heil: Ich glaube, im Bereich der Regelsätze für Kinder geht es darum, Kinder gezielter zu unterstützen, und wir werden auch darüber reden müssen, ob das auskömmlich ist, was da ist, was Sonderbedarfe betrifft. Ich glaube aber, das darf man auf Geld nicht reduzieren. Es geht hier nicht nur um die Absicherung des Existenzminimums von Kindern, das ist wichtig, da muss man nicht drüber reden, sondern es geht darum, dass sie Teilhabechancen haben und Bildungschancen vor allen Dingen. Da geht es also nicht nur um Geldleistungen, sondern um Chancen.
Heinlein: Aber es kann sein, Herr Heil, dass Karlsruhe der Politik erneut eine schwierige Aufgabe stellt.
Heil: Das kann sein. Ich kann nur sagen, falls Karlsruhe entscheiden sollte, dass die Regelsätze höher sind bei Kindern oder allgemein sagt, die Regelsätze müssen steigen, dann muss Politik das umsetzen, dann werden wir aber ein anderes Problem zu klären haben, nämlich die Frage, wie ist das eigentlich mit Leuten, die kein Arbeitslosengeld II bekommen und gering verdienen, die dann im Schnitt auch zum Teil weniger haben als Menschen, die im Arbeitslosengeld sind. Das macht Druck zu Mindestlöhnen, sage ich, weil wir feststellen werden an dieser Stelle, dass es einen Lohnabstand geben muss, dass die Leute, die arbeiten, mehr haben müssen als die, die in Arbeitslosengeld sind. Aber noch mal: Ich bin dafür, dass wir bei Kindern mehr tun, und ich gehe davon aus, dass Karlsruhe die Berechnungsgrundlage an dieser Stelle für problematisch hält.
Heinlein: Die Debatte um die Langzeitarbeitslosen und die Reform der Jobcenter. Dazu heute Morgen hier im Deutschlandfunk SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Herr Heil, ich danke Ihnen für das Gespräch und ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Heil: Ihnen auch, tschüss!