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Spenden nur an seriöse Organisationen

Remme: Am Telefon ist jetzt Burkhard, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen. Anlaufpunkt für all diejenigen, die bewusst und informiert spenden wollen. Guten Morgen, Herr Wilke.

    Wilke: Schönen guten Morgen, Herr Remme.

    Remme: Herr Wilke, wie viele Menschen rufen denn nach dieser Katastrophe bei Ihnen an, um sich zu informieren?

    Wilke: Das ging gleich am Montag los, dass wir sehr viele Anfragen bekamen und da schon ahnten, dass es eine sehr große Spendenaktion wird, aber die meisten Menschen informieren sich zum Glück über unser Internetangebot, denn am Telefon wäre das gar nicht alles zu bewältigen.

    Remme: Und was wollen diese Menschen wissen?

    Wilke: Die Standardfrage ist im Grunde, ich möchte gerne spenden, aber wem kann ich jetzt hier vertrauen oder dass man auch eine gewisse, dass man schon weiß, dass man den meisten Organisationen vertrauen kann, aber eine gewisse Auswahl haben möchte und eine Art von Positivliste haben möchte. Und die haben wir seit Montag im Internet unter www.dzi.de und die wird immer aktualisiert.

    Remme: Und welche Kriterien legen Sie an für eine solche Positivliste?

    Wilke: Das DZI ist ja seit fast 100 Jahren darauf spezialisiert, Auskünfte zu erarbeiten zu Spendenorganisationen und seit zwölf Jahren haben wir eine besonders intensive, besonders wirksame Prüfmethodik, das DZI-Spendensiegel. Dabei prüfen wir ob die Spendenwerbung wahr, eindeutig sachlich ist. Also zum Beispiel jetzt bei den Spendenaufrufen für die Opfer des Seebebens, ob hier falsche Versprechungen gemacht werden, ob bei den zweckgebundenen Aufrufen auch ein entsprechendes Sonderkonto genannt wird oder zumindest ein Stichwort, so dass die Organisation die Spenden überhaupt als zweckgebunden erkennen können. Und wenn dann in etwa zwei Jahren die Jahresabschlüsse vorliegen, das heißt die Zahlen schwarz auf weiß, was vorausgabt wurde, dann stellen wir das in den Vergleich mit den Versprechungen, die in den Spendenwerbungen gemacht wurden. Und bei diesem Prüfprozess vergewissern wir uns dann natürlich auch, dass die ganzen Planungs- und Kontrollstrukturen ausreichend sind, dass kompetent geplant wird, dass die verantwortlichen Personen in den Spendenorganisationen, Vorstand, Geschäftsführung regelmäßig und wirksam kontrolliert werden.

    Remme: Herr Wilke ist der Zeitpunkt, so komisch das klingen mag, dieser Katastrophe für Spenden insoweit günstig, da wir in einer Jahreszeit sind, in der überdurchschnittlich viel gespendet wird oder ist es eher umgekehrt, dass die meisten Bürger bereits vor Weihnachten gespendet haben?

    Wilke: Ja, über die Spendenmotive da gibt es immer wieder auch Rätselraten, die Gewissheit, die man hat, ist, dass, wenn die Menschen sich betroffen fühlen, dass sie dann eigentlich völlig unabhängig vom Zeitpunkt sehr schnell und sehr bereit sind, zu spenden. Und die Deutschen sind eigentlich ein spendenfreudiges Volk, zwar nicht Spendenweltmeister wie es manchmal heißt, aber es wird sehr stabil gespendet, auch trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage in den letzten zwei Jahren hat das Spendenvolumen nicht groß abgenommen. Ich denke, was jetzt hier vom Zeitpunkt her vor allem günstig ist, dass es so die Zeit zwischen den Jahren ist, wo viele Menschen doch ein bisschen mehr vielleicht Urlaub haben oder ein bisschen mehr Zeit haben, sich auf so eine Katastrophe intensiver einzulassen und sie nicht gleich in der Alltagsarbeit zu verdrängen und von daher auch zu spenden.

    Remme: Und müssen jetzt andere Organisationen, die von Spenden leben und dieses Geld ja auch brauchen, fürchten, weitgehend leer auszugehen oder wird der Spendenkuchen anhand einer solchen Not schlicht größer?

    Wilke: Das ist nicht ganz auszuschließen und von daher würde ich appellieren, dass man eben über so eine akute Katastrophe hinaus, die ihre Spendenotwendigkeit hat und wo man nur jeden, der es irgendwie erübrigen kann, zum Spenden ermutigen kann, darf man natürlich diese anderen Organisationen nicht vergessen. Aber zum Beispiel die große Elbeflutkatastrophe in Sachsen 2002 hat gezeigt, dass das Volumen von etwa 350 Millionen Euro, was da gespendet wurde, die mit Abstand größte Spendenaktion, die wir in Deutschland je hatten, nicht zu existentiellen Schwierigkeiten bei Spendenorganisationen anderer Zielsetzung geführt hat. Also zum Teil schon Verdrängung, aber die Organisationen sind durch Rücklagen auf solche Durststrecken vorbereitet.

    Remme: Der Bundeskanzler hat gestern gesagt, auch kleine Beträge sind wichtig und wertvoll, ist das tatsächlich so oder sind die Spenden von Privatleuten eher die Ergänzung von Leistungen wie sie zum Beispiel Großunternehmen oder Konzerne leisten können?

    Wilke: Ja diese Leistungen ergänzen sich schon gegenseitig, aber die Privatspenden sind auch eine Ergänzung oder werden umgekehrt ergänzt durch die staatlichen Mittel, die die Bundesregierung jetzt bereit stellt. Tatsächlich ist es so, dass der größte Teil des Spendenvolumens durch viele kleine Spenden immer schon zusammen gekommen ist. Und statistisch ist es sogar auch so, dass die Menschen, die vergleichsweise wenig Einkommen haben, gemessen an ihrem Einkommen mehr spenden, als die Menschen, die reicher sind. Also hier kann man sagen, kleine Spenden helfen genauso viel wie große. Man sollte nur die Spende nicht aufsplitten, man sollte sich kurz informieren und dann seine Spende auf eine Organisation konzentrieren und dann eben den Betrag spenden, den man selbst erübrigen kann.

    Remme: Und da haben Sie eben eine Art Positivliste genannt. Gibt es eine Faustregel, welche Organisationen zu empfehlen sind, kleine, große, staatliche, kirchliche?

    Wilke: Also wir haben unter www.dzi.de haben wir jetzt knapp dreißig Organisationen genannt, da sind sowohl kirchliche wie zum Beispiel Diakonie, Caritas mit dabei, aber auch viele kirchenungebunde, auch schon viele, die rein ehrenamtlich strukturiert sind. Wichtig ist hier, dass vor allem die kleinen und mittleren Organisationen, die aufrufen, dass die auch über spezielle Kompetenzen verfügen in dem Gebiet und eben nicht als Trittbrettfahrer hier mit aufspringen. Viele solcher Organisationen gibt es, die haben wir mit dem Siegel geprüft, sind auf der Liste mit drauf. Also die Organisationen ergänzen sich hier gut. Aber wichtig ist, dass sich niemand jetzt vom Scheinwerferlicht der Medien nur anziehen lässt, sondern die Organisationen wirklich nur dann aufrufen, wenn sie Kompetenzen, Verbindungen in die Region auch haben.

    Remme: Das heißt, die schwarzen Schafe gibt es auch in diesem Fall?

    Wilke: Richtig, wobei das natürlich schwarze Schafe sind, die nicht mit krimineller Energie arbeiten, sondern im Grunde übermotiviert sind, das ist richtig. Aber die Zahl ist sehr klein. Und da bringt ein Blick auf die vielen Listen auch zum Beispiel unter Videotext von ARD und ZDF oder dzi.de bringt ja Klarheit und so gibt es eigentlich keine Entschuldigung, nicht zu spenden.

    Remme: Herr Wilke woran erkenne ich eine möglicherweise zweifelhafte oder unseriöse Organisation?

    Wilke: Das ist auf den ersten Blick oft schwer zu erkennen. Aber Kennzeichen auf den ersten Blick wären zum Beispiel zumindest für Plausibilitätslücken, wenn jetzt aufgerufen wird für die Opfer des Seebebens, aber nur eine allgemeine Spendenkontennummer ohne Stichwort angegeben wird. Oder wenn die Organisation meinetwegen mit Flugblättern jetzt aufruft, aber noch nicht mal eine Adresse auf dem Flugblatt drauf steht. Oder wenn der Spendenaufruf überwiegend gefühlsbetont ist. Also jetzt nur mit emotionalen Mustern, Worten, Fotos wirbt, aber nicht wirklich erkennen lässt, was die spezielle Organisation jetzt tut. Ein seriöser Spendenaufruf muss sachlich, muss konkret, muss verbindlich sein und eben nicht unverbindlich im emotionalen Bereich schwebend bleiben.

    Remme: Ist es richtig, anzunehmen, dass je kleiner die Organisation ist, desto geringer der Aufwand für Verwaltung?

    Wilke: Das ist ein häufiges Vorurteil. Oft stimmt es, bei kleineren Organisationen stimmt es aber nur dann, wenn sie sich die kleineren Organisationen an ihren speziellen fokussierten Kompetenzbereich halten, sobald sie den verlassen wird es auch bei ihnen sehr schnell ineffizient. Auch die großen Organisationen arbeiten nach unseren Erfahrungen in vielen Fällen effizient, aber hier bei so einer Katastrophe zeigt sich ja, wie wichtig es ist, dass man, dass gerade die großen Organisationen Kompetenzen, Menschen, Gerät vorhalten, um dann sehr schnell helfen zu können, das verursacht natürlich Kosten, die über das Jahr auf alle Spenden umgelegt werden, aber unvermeidlich sind, wenn man hier kompetent helfen will. Also sollte man nicht nur auf die Verwaltungskosten schielen, wenn man spenden will.

    Remme: Inzwischen werden die Hilfsorganisationen, das ist mir aufgefallen, immer öfter in Bündnissen, ist das sinnvoll?

    Wilke: Es gibt einige Bündnisse, das sind zwei große, die Aktion Deutschland hilft, wo sich etwa acht, neun Organisationen zusammen getan haben und dann ein anderes großes Bündnis der sehr großen Organisationen, das ist dann sinnvoll, wenn es transparent rübergebracht wird. Diese Art von Bündnisse stecken in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Die Grundidee ist sinnvoll, Transparenz ist auch hier wichtig. Den beiden Bündnissen, die hier genannt werden, kann man sicherlich auch guten Gewissens auch spenden. Das Spendensiegel haben viele Organisationen auch außerhalb dieser Bündnisse, aber auch innerhalb dieser Bündnisse.

    Remme: Ich weiß nicht, ob es an mir liegt, Sie haben es zweimal genannt, aber ich habe es schon wieder vergessen, sagen Sie ihre Internetadresse bitte noch einmal, wo man sich informieren kann.

    Wilke: Ja, ganz einfach und kurz, www.dzi.de., da ist die Liste drauf und auch viele Tipps zum spenden.

    Remme: Burkhard Wilke Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, Herr Wilke vielen Dank.