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Spieleindustrie
Krisenfrust führt zu Spielelust

Würfeln, mit Figuren auf Spielbrettern herumrücken, eine diebische Freude daran haben, wenn man den Nachbarn irgendwie ausstechen kann: Die Freude am klassischen Gesellschaftsspiel ist ungebrochen. Das zeigt sich auch in der Jahresbilanz der Ravensburger AG in Stuttgart - ein Umsatztreiber sind dabei traditionell gesellschaftliche Krisen.

Von Thomas Wagner | 15.06.2016
    Ein selbstgebautes "Mensch ärgere Dich nicht!" Brettspiel von 1950 ist am 25.06.2015 im Spielzeugmuseum in Nürnberg (Bayern) zu sehen.
    Ein selbstgebautes "Mensch ärgere Dich nicht!": Brettspiele bringen gute Umsatzzahlen. (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    "Bei meinen Enkelkindern schon. Die haben da schon schwierige Brettspiele, so Krimispiele und solche Sachen. Digitales, nein."
    "Karten mit den Kindern. Das ist einfach das Familiäre. Mehr Gesellschaftsspiele für die Familie. Das ist mal besser als das Elektronische, würde ich mal sagen."
    Stimmen aus Stuttgart, die belegen: Das klassische Gesellschaftsspiel ist so gefragt wie seit Jahren nicht mehr. Und das spiegelt sich auch in der heutigen Jahresbilanz 2015 der Ravensburger AG nieder, Deutschlands größtem Anbieter von Gesellschaftsspielen. 444 Millionen Euro Jahresumsatz für 2015 meldet das Unternehmen. Davon entfiel der Löwenanteil, nämlich über 330 Millionen, auf klassische Gesellschaftsspiele, Spiele und Kreativprodukte. Gefragt sind Dinge, die mit Würfel und Figuren funktionieren, die man anfassen kann. Und die weit weg sind von der großen weiten elektronischen, digitalen Welt.
    "Das kennen wir von anderen Medien nicht so. Also wenn Sie an Musik denken, dann wissen sie, dass der Absatz der klassischen CD mächtig zurückgegangen ist durch Streaming und durch Downloads. Das liegt darin, dass Kinder Haptisches brauchen. Man möchte etwas anfassen. Beim Puzzle möchte man den Klick hören, wenn man das Puzzle reindrückt ins Bild", so Karsten Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Ravensburger AG.
    Kinder wollen Bauklötzchen zu Häusern zusammenfügen und haben dann auch einen Mordsspaß daran, wenn alles wieder zusammenfällt. Hinzu kommt ein Weiteres: In den vielen Familien haben beide Elternteile einen Job, sind tagsüber weg. Dann der Feierabend:
    "Die Kinder sagen uns, Papa und Mama können nicht weglaufen, wenn sie mit uns ein Brettspiel spielen. Ein ganz wichtiger soziales Aspekt."
    Diese Trends sorgen nicht nur bei der Ravensburger AG für einen Nachfrageschub nach Gesellschaftsspielen. Alleine die Anbieter von Brettspielen verzeichneten nach Angaben des Deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von zehn Prozent.
    Krisen sorgen für Umsatzplus
    Dabei spielt aber noch ein zweiter Faktor mit: Krisenfrust verwandele sich in Spielelust, so Verbandsgeschäftsführer Ulrich Brobeil:
    "In Krisenzeiten ist es so, dass man - und insbesondere die Familie, der Freundeskreis - wieder mehr zusammenrückt. Da drückt das Gesellschaftliche, das Soziale wieder in den Vordergrund."
    Das kann auch Karsten Schmidt, Chef der Ravensburger AG, so bestätigen: In Krisenjahren wie 2008, als die Finanzkrise auf die Gemüter drückte, gab es ebenso einen Nachfrageschub nach Gesellschaftsspielen wie derzeit.
    "Wir sehen das jetzt bei den gefühlten Krisen wie Euro-Krise, wie IS. Wir sehen das selbe Phänomen wieder: Letztes Jahr war Spiel und Puzzle die am drittstärksten wachsende Kategorie in Europa."
    Dennoch gilt auch auf dem Spielemarkt: Stillstand ist Rückschritt. Deshalb sind die Verlage bemüht, rechtzeitig neue Trends aufzunehmen.
    "Das Thema Lizenzen gewinnt in Deutschland immer mehr an Schwung. Und aktuell ganz oben ist natürlich das Thema Fußball, die Fußball-Europa-Meisterschaft. Disney spielt eine große Rolle, Eisprinzessin."
    So Ulrich Brobeil, Geschäftsführer des Deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie in Nürnberg. Ein weiterer Trend glaubt Karsten Schmidt von der Ravensburger AG in den sogenannten Hybridspielen zu erkennen:
    "Hybride - das sind klassische haptische Spiele wie ein Brettspiel, das aber mit digitalen Elementen angereichert ist, um so das Spielerlebnis zu hören. Und wir machen in Deutschland, bei Ravensburger, bereits mehr als 20 Prozent mit solchen Hybridprodukten. Ich glaube, das kann ein Trend der Zukunft sein."