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Spielmesse Gamescom
"Orwell" kommt aus Deutschland

Viele kleine Computerspiel-Firmen kommen aus Deutschland: Für Gamedesigner sei die hiesige Ausbildungssituation in sehr viel besser als noch vor ein paar Jahren, meint Gameexperte Christian Schiffer im Dlf. Das Ergebnis: Spiele wie "Orwell" oder "Shadow Tactics", die international anerkannt sind.

Christian Schiffer im Gespräch mit Thekla Jahn | 23.08.2017
    Auf der Gamescom-Messe für Computerspiele spielen Jugendliche das Autorennen 'Need for Speed'.
    Neben den großen Computerspiele-Firmen sind auch kleinere "Indie"-Entwickler auf der Gamescom in Köln vertreten. (picture alliance / dpa / Maximilian Schönherr)
    Thekla Jahn: In diesen Tagen reisen hunderttausend Fans nach Köln, um sich bei der größten Video- und Computerspielemesse der Welt über neue Trends zu informieren und sie – wenn möglich- auch gleich selbst auszuprobieren. Gestern streiften zunächst Fachbesucher und Pressevertreter durch die Kölner Messe. Ab heute darf sich jeder durch die Hallen voller interaktiver Unterhaltungselektronik drängeln. Mein Kollege Christian Schiffer – ist wie jedes Jahr auf der Gamescom, jetzt bei uns im Studio. Schönen guten Tag.
    Christian Schiffer: Guten Tag.
    Jahn: Welchen frischen Eindruck bringen Sie von der diesjährigen Ausgabe mit?
    Schiffer: Die Gamescom dieses Jahr ist, wie eigentlich alle Gamescoms der letzten Jahre, noch größer, noch lauter, noch bunter. Die Stände sind noch opulenter, die Panzer, die davorstehen sind noch größer und die Monster auch. Was mir aufgefallen ist dieses Jahr ist, dass die Sicherheitsvorkehrungen auch noch ein bisschen verschärft worden sind. Die waren letztes Jahr schon relativ scharf, es gab damals Diskussionen, weil sich ja Leute auch verkleiden und dann zum Beispiel mal ein Schwert dabei haben, also ein Plastikschwert - man konnte es nicht unterscheiden, durften sie nicht mitbringen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren dieses Jahr dann noch mal ein bisschen höher, möglicherweise wahrscheinlich auch, weil natürlich die Kanzlerin auch gestern da war und die Messe eröffnet hat.
    Kultspiel in Neuauflage
    Jahn: Gab es denn irgendwelche Blockbuster, auf die man gewartet hat? Irgendwelche Knaller, irgendwelche, ja, besonderen Spiele, die ganz lange im Geheimen waren und dann jetzt, ja, mit dem Start der Gamescom rauskamen?
    Schiffer: Man muss sagen, die Gamescom ist eine lupenreine Publikumsmesse. Zwei Monate vorher findet die sogenannte E3 in Las Vegas statt, und dort werden eigentlich alle Neuheiten vorgestellt. Das heißt, das, was die Gamescom an Neuheiten abbekommt, das sind nicht mehr die ganz großen Spiele. Aber, um vielleicht mal einen Titel zu nennen, es wird ein neues "Age of Empires" geben. Das sagt vielleicht jetzt nicht so vielen Leuten was, aber als das bekannt gegeben worden ist vorgestern, also sogar noch vor der Gamescom, da habe ich ältere Menschen wie mich fast schon eine Träne verdrücken sehen. Weil das ist tatsächlich schon ein Kultspiel aus den 90ern, ein Echtzeit-Strategiespiel, und das wird einen neuen Teil bekommen. Und das hat sehr viele Leute glücklich gemacht. Das war eine kleine Neuerung für die Gamescom, aber schon eine bedeutsame.
    Lange Wartezeiten für Blockbuster
    Jahn: Was haben Sie an den Fachständen erlebt?
    Schiffer: An den Fachständen habe ich vor allem Schlangen erlebt. Die Gamescom ist ja dafür bekannt, dass man dort unglaublich lange in einer Schlange stehen kann. Wenn man sich zum Beispiel "Call of Duty" anschauen möchte, eins dieser Blockbusterspiele, dann steht man da gerne mal drei oder vier Stunden. Dann stehen da auch so Schilder, ab hier noch zwei Stunden, ab hier noch drei Stunden.
    Jahn: Man braucht Geduld.
    Schiffer: Irgendwann sind die Schilder auch dann zu Ende und dann geht die Schlange weiter. Gestern war ja, wie gesagt, der Presse- und Fachbesuchertag und trotzdem musste man sehr, sehr lange warten. Ich habe ja so eine Leidenschaft für Fußballspiele und ich wollte unbedingt das neue FIFA Spiel ausprobieren und ich bin da immerhin nach ungefähr 35 Minuten drangekommen. Aber das war sozusagen das spektakulärste, was ich an diesen Fachständen erleben durfte.
    Eigener Bereich für Indie-Spiele
    Jahn: Man kann sich vorstellen, dass die Großen, die Big Player ein, ja, Wettrüsten veranstalten. Aber neben diesen Big Playern auf dem Computerspielemarkt, ist es ja dort immer besonders interessant, wo die Indie-Ecke aufmacht, denn dort vollziehen sich erfahrungsgemäß die meisten Innovationen. Was konnten sie da beobachten?
    Schiffer: Also es gibt seit einiger Zeit tatsächlich auf der Gamescom auch eine Indie-Arena. Das ist eigentlich auch so eine Art Stand mit vielen kleinen Ständen, wo eben die kleinen Indie-Entwickler ihre Spiele präsentieren dürfen. Und das ist wirklich etwas so wohltuendes, es grenzt sich so schön ab von diesen bombastischen Riesenständen und dort findet man tatsächlich dann zum Teil auch die interessanteren Spiele. Also da findet man zum Beispiel so was wie "Orwell". "Orwell" ist ein Spiel aus Deutschland, in dem es um Überwachung geht, man schlüpft selber in die Rolle eines Überwachers, ja, man muss dann auch reflektieren. Es ist ein sehr düsteres Spiel, ein sehr interessantes Spiel, tatsächlich auch ein kleiner Erfolg. Und diese Spiele, die könnten sich niemals einen richtigen Stand leisten. Die sind dann eben auf dieser Indie Booth Arena, so heißt es, wo eben diese ganzen Indie-Unternehmen, diese kleinen Entwickler zusammen einen Stand finanziert haben. Und das kann ich, wenn jemand auf die Gamescom fährt, einem nur empfehlen, da mal hinzuschauen, Halle zehn.
    Jahn: Weil man dort mit den Entwicklern selber zum Teil sprechen kann.
    Schiffer: Genau.
    "Die Situation der Spieleentwickler in Deutschland hat sich verbessert"
    Jahn: Sie haben es gerade angesprochen, ein Spiel aus Deutschland. Deutschland war lange Zeit nun nicht bekannt dafür, dass Spiele auf dem internationalen Markt interessant genug waren, das scheint sich geändert zu haben. Hat das etwas damit zu tun, dass es in Deutschland mittlerweile auch einen Studiengang gibt - Game Design?
    Schiffer: Ja, es ist in der Tat so, dass Computerspiele, ja, vielleicht jetzt nicht für Furore gesorgt haben, aber durchaus für wohlwollende Kritiken und auch durchaus einige Verkaufserfolge. "Shadow Tactics" zum Beispiel aus München hat das Kunststück geschafft, ein Kritikerliebling zu werden - das ist ein Strategiespiel - und sich dazu noch gut zu verkaufen, das muss man auch erst mal schaffen. Und tatsächlich sehe ich den Grund darin, dass die Ausbildungssituation in Deutschland sehr viel besser ist, als sie vor einigen Jahren war. Mittlerweile ist es nicht mehr was völlig exotisches, dass eine Uni einen Game Design-Studiengang anbietet und die Leute lernen dort, Computerspiele zu machen. Und wenn sie dann die Uni verlassen, dann bringen sie eben so schöne Spiele heraus, wie zum Beispiel "Orwell" oder wie "Shadow Tactics".
    Jahn: Zum Auftakt der Gamescom 2017 kam gestern Bundeskanzlerin Merkel nach Köln, Sie haben es eben erwähnt. Noch vor fünf Jahren bezeichnete sie das Internet als Neuland, jetzt eröffnete sie die Messe im Beisein von Cosplayern – also von Menschen, die sich als Figuren aus Computerspielen verkleidet haben - und schon scherzhaft als "Schattenkabinett" bezeichnet wurden. Wie hart war der Kulturschock für die Kanzlerin?
    Schiffer: Ja, die Kanzlerin, wenn es einen Kulturschock gab, ihn sich nicht anmerken lassen, was nicht besonders überraschend ist. Aber es gab natürlich schon Anekdoten, die sich glaube ich so in die Herzen vieler Spieler eingebrannt haben. Und zwar war es so, dass die Kanzlerin vor einem "Minecraft" Spiel stand. "Minecraft", das ist dieses Lego des Digitalzeitalters, also ein Spiel in Retro-Grafik, in dem es darum geht, Dinge zu bauen und dieses Spiel hat einen ganz eigenen Retro-Pixel Stil. Und die Kanzlerin stand da und hat gefragt, ja, aber geht das denn nicht besser in der heutigen Zeit? Nicht moderner? Und das war sehr nett, weil eigentlich, das Spiel ist ja eben genauso retro mit Absicht. Und das war eben die Kanzlerin mit ihrem unnachahmlichen, sehr direkten Stil.
    Jahn: Christian Schiffer, vielen Dank - Gamesexperte - für diese Eindrücke von der diesjährigen Gamescom, die im Übrigen noch bis kommenden Samstag läuft.