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Spionage
Bosbach: Keine Kursänderung bei den US-Geheimdiensten

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte im Deutschlandfunk, dass ein No-Spy-Abkommen mit den USA nicht unterschrieben werden sollte, wenn es nur eine Art Good-Will-Erklärung der Amerikaner sei. Die Rede von Obama hätte hier keine Klärung gebracht.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Thielko Grieß | 18.01.2014
    Thielko Grieß: Am Telefon ist jetzt Wolfgang Bosbach, CDU-Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses. Einen guten Morgen, Herr Bosbach!
    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Herr Grieß!
    Grieß: Ist jetzt wieder alles in Ordnung?
    Bosbach: Nein. Das war eine klassische Einerseits-Andererseits-Rede. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der ehemalige Bürgerrechtsanwalt Barack Obama mit der Rede von Präsident Obama einverstanden gewesen wäre. Auf der einen Seite hat er sehr ausführlich betont, dass und warum die Geheimdienste im Grundsatz ihre Arbeit aus Gründen der nationalen Sicherheit fortsetzen werden. Auf der anderen Seite hat er sich redlich Mühe gegeben, den Kritikern, die es ja nicht nur im Ausland gibt, sondern auch in den USA selber, entgegenzukommen, für mehr Transparenz zu sorgen, die richterliche Kontrolle soll verbessert werden, vielleicht wird auch der Datenzugriff neu geregelt. Aber die alles entscheidende Frage ist nicht klar beantwortet worden. Daraus schließe ich, dass es bei der bisherigen Praxis bleibt, nämlich an Art und Umfang der Datenspeicherung, der weltweiten Ausspähung von Kommunikationsdaten auch dann, wenn sie ohne Sicherheitsrelevanz sind, wird sich wohl nichts ändern.
    Grieß: Aber das Handy der Kanzlerin, das wird künftig wohl nicht mehr abgehört werden. Ein Erfolg!
    Bosbach: Ja, gut, die Zusage hatten wir früher auch schon, aber das wird die Bevölkerung nur bedingt beruhigen, denn die allermeisten Menschen, auch in unserem Land, sind ja weder Staats- noch Regierungschef. Und es kann ja bei Abhörpraxis, dem Schutz von Grund- und Bürgerrecht, nicht darauf ankommen, ob man ein Staatsamt inne hat oder nicht. Eigentlich hat Präsident Obama an dieser Stelle nur etwas gesagt, was ganz selbstverständlich ist.
    Grieß: Aber der Präsident hat auch angekündigt, dass rechtsstaatliche Regeln, die für US-Bürger gelten sollen, die künftig auch angewendet werden sollen auf ausländische Bürger, also auch zum Beispiel auf Sie, Herr Bosbach.
    Bosbach: Das betrifft vermutlich den Zugriff, die Auswertung der Daten. Eine andere Frage ist ja, wessen Daten, welche Daten werden zukünftig im bisherigen Umfange gespeichert. Und zwar nicht bei den Providern, sondern bei der NSA, also beim militärischen Teil des Geheimdienstes in den USA. Und ich habe nach der Rede jedenfalls nicht die feste Überzeugung, dass die amerikanische Regierung und amerikanischer Kongress ernsthaft daran denken, Art und Umfang der bisherigen Ausspähpraxis grundsätzlich zu ändern, das heißt, einzuschränken und zu konzentrieren auf Staaten, Personen und Organisationen, die unter Terrorverdacht stehen.
    Grieß: Präsident Obama hat auch Kritik geübt, namentlich nicht an Deutschland, aber vielleicht war das herauszuhören. Er hat Kritik geübt an Ländern, sagt er, die darauf setzen, dass die USA auch für ihre Sicherheit mit garantieren, ihnen dann aber zum Beispiel das Datensammeln nicht erlauben. War Deutschland gemeint?
    Bosbach: Möglicherweise war auch Deutschland gemeint. Aber aus dieser "Kritik" darf man jetzt nicht den Umkehrschluss ziehen, dass diese Länder, die Kritik geübt haben, von den USA verlangen, jedwede Spionagetätigkeit einzustellen. Wir machen auch Auslandsaufklärung. Der BND, dessen gesetzliche Aufgabe ist ja die Auslandsaufklärung. Aber wir spionieren nicht Verbündete aus, wir saugen nicht flächendeckend Daten, Informationen oder gar den Inhalt von Kurzmitteilungen, SMS, aus dem Netz. Sondern wir haben ganz andere rechtliche Grundlagen als NSA und andere amerikanische Geheimdienste. Das ist die Konzentration auf die Gefahrenabwehr in Ländern, in Regionen, von denen eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit auch unseres Landes ausgeht. Wenn die USA so vorgehen würden, gäbe es diese Kritik überhaupt nicht.
    Grieß: Schauen wir einmal auf die Haltung der Bundesregierung und die Haltung der deutschen Geheimdienste und die Haltung der Kanzlerin. Wir haben heute Morgen, Herr Bosbach, Ihren Kollegen von den Grünen, Hans-Christian Ströbele, im Interview gehabt. Hören wir einmal kurz in ein Zitat von ihm herein?
    Hans-Christian Ströbele: Wo ist die Rede der Kanzlerin, wo sie dieses Weltproblem und das wir gerade auch in Deutschland haben, mal beschreibt – wie sieht sie das und was will sie tun, um da was zu ändern? Da warten wir alle drauf, der Bundestag, aber auch die Öffentlichkeit.
    Grieß: Herr Bosbach, warten Sie auch auf einige klärende Worte der Kanzlerin?
    Bosbach: Die sind schon längst gefallen. Der Kollege Ströbele muss sich in den letzten Monaten in einer Art Tiefschlaf befunden haben, denn seit Juni hat doch die Bundesregierung umfangreiche Aktivitäten entfaltet, nicht nur, aber insbesondere in Richtung USA, in Richtung Washington, um die amerikanische Administration zu einer Änderung der bisherigen Praxis zu bewegen und zu einem No-Spy-Abkommen zu kommen.
    Grieß: Aber gerade da, Herr Bosbach, ist ja bisher nichts Zählbares herausgekommen.
    Bosbach: Da haben Sie leider recht. Und jetzt kommen wir an den eigentlich interessanten Punkt. Wenn jemand ernsthaft glaubt, je dicker Deutschland die Backen aufbläst, je heftiger die Drohungen werden - man müsste dem Amerikaner nur mit der Kavallerie drohen, dann würden sie schon einknicken – dann macht man einen schweren Fehler. Jetzt ist zähes Verhandeln, kluge Diplomatie gefragt. Das darf man nicht mit Unterwürfigkeit verwechseln. Wir haben ein überragendes Interesse daran, dass das gute transatlantische Verhältnis auf Dauer Bestand hat. Und wir haben ein überragendes Interesse daran, dass die flächendeckende Ausspähung, nicht nur, aber auch Telekommunikationsdaten deutscher Bürgerinnen und Bürger beendet wird. Deshalb streben wir dieses Abkommen an. Mit Drohungen, die keine Substanz haben, kommen wir nicht weiter in den Verhandlungen mit den USA. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, dass es doch noch zu einem No-Spy-Abkommen kommt.
    Wolfgang Bosbach
    Geboren 1952 in Bergisch-Gladbach, Nordrhein-Westfalen. Der CDU-Politiker studierte Rechtswissenschaften an der Universität Köln und schloss dort 1992 mit dem zweiten Staatsexamen ab. Er ist seitdem auch parallel als Rechtsanwalt tätig. Wolfgang Bosbach ist seit 1972 Mitglied der CDU, seit 1996 Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Dort war er stellvertretender Vorsitzender der Fraktion, seit 2009 ist er Vorsitzender des Innenausschusses.
    Grieß: Angela Merkel reist in den nächsten Wochen – der Termin ist noch nicht ganz klar – zu Barack Obama nach Washington. Sie kann es sich vermutlich nicht leisten, hier in Deutschland mit leeren Händen wieder zurückzukommen und anzukommen. Was muss sie mitbringen?
    Bosbach: Wenn das in Ihrer Frage mitschwingt, dann haben Sie völlig recht. Ein Abkommen, das wirklich keine substanziellen Fortschritte bringt in Richtung mehr Schutz von Grund- und Bürgerrechten sollte man erst gar nicht unterschreiben. Wenn man auch nur den Eindruck erweckt, hier wird nur weiße Salbe aufgetragen, das Abkommen ist nicht mehr als eine Art Good-Will-Erklärung der Amerikaner, dann ist es nicht tragfähig. Das heißt, wir brauchen schon Zusicherungen, aus denen wirklich deutlich hervorgeht, dass die bisherige Ausspähpraxis von Art und Umfang her wirklich geändert wird. Es sollte nicht nur der Grundsatz gelten, man spioniert nicht die Staats- und Regierungschefs aus, sondern Verbündete, Partner in einer Organisation wie in der NATO – die NATO versteht sich ja auch ausdrücklich als Wertegemeinschaft – spionieren sich nicht gegenseitig aus. Das sollte der Grundsatz sein.
    Grieß: Herr Bosbach, es gibt beim Thema Datenspeicherung einen zweiten Diskussionsstrang hier in Deutschland, in Europa unter dem Stichwort Vorratsdatenspeicherung. Da erreichte uns gestern die Nachricht, dass sich der Justizminister Heiko Maas und der Bundesinnenminister Thomas de Maizière geeinigt haben, sich erst einmal nicht zu einigen. Man will warten, bis es ein Urteil gibt des Europäischen Gerichtshofs in dieser Sache. Ist Thomas de Maizière eingeknickt?
    Bosbach: Wir haben uns schon Anfang der Woche genau erläutern lassen vom Bundesinnenminister in seinem Dienstzimmer, was mit dem Justizminister Heiko Maas besprochen und verabredet worden ist. Und mit dieser Regelung konnten alle Unionspolitiker gut leben. Denn für uns ist entscheidend, dass jetzt die Arbeiten an einem Gesetzentwurf weitergehen. Zur Erinnerung: Es gibt ja einen Entwurf aus dem Hause des Bundesministers des Inneren, aus der vergangenen Wahlperiode. Federführend zuständig ist allerdings der Justizminister. Da geht es um ganz bestimmte Fragen wie: unter welchen Voraussetzungen Zugriff? Speicherfrist haben wir uns schon geeinigt auf drei Monate. Das heißt, die Arbeiten gehen weiter, aber der Gesetzentwurf soll erst ins Kabinett eingebracht werden, wenn der EuGH entschieden hat.
    Grieß: Da ist Ihnen der Koalitionsfrieden jetzt aber viel wert. In vergangenen Interviews, Herr Bosbach, waren Sie da erbost, kann man sagen.
    Bosbach: Nein. Es geht um Folgendes. Es geht darum, dass wir nicht in eine Endlosschleife kommen. Und diese Endlosschleife könnte darin bestehen: Wir warten jetzt erst mal die Entscheidung des EuGH ab. Dann warten wir ab, ob möglicherweise die EU-Richtlinie geändert wird. Dann warten wir ab, ob möglicherweise gegen diese EU-Richtlinie geklagt wird. Dann warten wir ab, welche Entscheidung dann der EuGH zu einer neuen Richtlinie treffen wird. Dass wir nicht in diese Endlosschleife kommen, das ist sichergestellt. Das heißt, die Arbeiten am Gesetzentwurf gehen weiter, und er wird vorgelegt, wenn der EuGH entschieden hat.
    Grieß: Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach unter anderem zur Rede Barack Obamas und zum Streit in Deutschland um die Vorratsdatenspeicherung. Danke für das Gespräch heute Morgen! Ein schönes Wochenende!
    Bosbach: Ich danke Ihnen! Schönes Wochenende!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.