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Weltschwimmverband
FINA streicht DDR-Dopingarzt Lothar Kipke von Ehrenliste

Der Weltschwimmverband FINA scheint unter dem neuen Präsidenten Husain Al-Musallam mit seiner Doping-Geschichte aufräumen zu wollen. Jetzt wurde der DDR-Dopingarzt Lothar Kipke von der Ehrenliste des Verbands gestrichen. Die FINA kommt damit nach Jahrzehnten entsprechenden Forderungen nach.

Von Andrea Schültke | 17.11.2021
Das Logo der FINA.
Der Schwimm-Weltverband FINA hat das Startrecht für trans* Frauen angepasst. (imago sportfotodienst)
Vor mehr als 20 Jahren musste Lothar Kipke sich vor Gericht verantworten. Für seine Rolle Arzt des DDR-Schwimmverbandes und damit Teil des DDR-Dopingsystems. Das Landgericht Berlin hatte den Mediziner damals zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt - wegen Körperverletzung in mehr als 50 Fällen.
Dennoch stand Lothar Kipke, das ehemalige Mitglied der medizinischen Kommission der FINA, trotz vieler Proteste weiter auf der Ehrenliste des Weltverbandes.

Neue Dopingpolitik?

Erst unter dem neuen Präsidenten Husain Al-Musallam scheint der Verband mit seiner Dopinggeschichte aufräumen zu wollen. Die FINA werde sich „mit den Handlungen in der Vergangenheit befassen und gleichzeitig Reformen für die Zukunft auf den Weg bringen“, lässt sich Präsident Al-Musallam auf der Verbandsseite zitieren.
Das US-Magazin Swimming World sieht darin eine Chance, dass auch die Forderung der US-Schwimmerin Shirley Babashoff erfüllt wird: "Ich brauche meinen Platz in der Geschichte", sagt die Frau, die eigentlich als DIE Athletin der Schwimmwettbewerbe von Montreal nach Hause fahren wollte.

Verliererin mit Silber

Fünf olympische Goldmedaillen wollte sie gewinnen. Es wurde eine mit der Staffel und viermal Silber - geschlagen jeweils von Athletinnen aus der DDR. "Seitdem ich Silber gewonnen habe, bin ich Verliererin", so beschreibt Shirley Babashoff auch Jahrzehnte danach ihr Fazit der Olympischen Spiele von 1976 in Montreal. Im Interview mit dem US-Magazin Swimming World vor fünf Jahren forderte sie, der Welt-Schwimmverband solle reinen Tisch machen und Dopingrekorde streichen.
Ein DDR -Trainingsanzug ist 2010 in der Ausstellung "Wir gegen uns" im Bonner Haus der Geschichte zu sehen
Ein DDR -Trainingsanzug ist 2010 in der Ausstellung "Wir gegen uns" im Bonner Haus der Geschichte zu sehen
Menschliche Versuchskaninchen
Seit Jahrzehnten ist bekannt, wie Leistungssportler der DDR mit unerlaubten Methoden behandelt wurden, um Medaillen zu gewinnen. Die ARD-Dopingredaktion hat mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung aufgedeckt: Für Erfolge der Stars des DDR-Sports mussten Freizeitsportler die Knochen hinhalten.
Als eine der wenigen Schwimmerinnen hatte Petra Schneider, Olympiasiegerin von 1980 für die DDR, die erzielten Rekorde öffentlich zur Diskussion gestellt: "Mein Rekord ist zwar durch hartes Training entstanden, aber eben auch durch Doping beeinflusst. Und deshalb würde ich sagen, dass dieser Rekord zwar in die Geschichte eingeht, aber dass man heute mit neuen Rekordtabellen beginnt, also bei null anfangen."
Insgesamt hatten die Athletinnen und Athleten der kleinen DDR im Medaillenspiegel von 1976 hinter der UdSSR Platz zwei belegt und 40 Goldmedaillen gewonnen. Manfred Ewald, Präsident des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR, behauptete anschließend in einem DDR-Hörfunk-Interview , die Ursache sei, "dass  wir es immer besser verstehen, die Möglichkeiten unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung auszunutzen."

Staatsdoping erst nach Mauerfall bekannt

Dass dazu auch der staatlich geförderte, gezielte Einsatz von Dopingmitteln selbst an Minderjährigen ohne deren Wissen gehört hat, wurde erst nach dem Fall der Mauer offiziell bekannt. Einer der für das Dopingprogramm mit zuständigen Ärzte war Lothar Kipke, Stasi-IM und leitender Mediziner des DDR-Schwimmsportverbandes DSSV.
Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 10 000 Athletinnen und Athleten in das staatliche Dopingsystem der DDR eingebunden waren. Einige von ihnen sind zum Teil schwer erkrankt oder an den Folgen des Dopings gestorben.