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Gazprom und Gastgeberland
Wie Russland seine Macht durch den Sport ausbaut

Das Finale der Champions-League soll in St. Petersburg stattfinden* – trotz der aktuellen Lage in der Ukraine. Die UEFA hält auch am Sponsoring von Gazprom fest. Aus der deutschen Politik gibt es Kritik an dieser Haltung. Für Russland ist der Sport aber ein nützliches Mittel für den Machtausbau.

Von Maximilian Rieger | 22.02.2022
Das Finale der Champions League soll in der Gazprom Arnea in Sankt Petersburg stattfinden - aus der Politik kommen Forderungen nach einer Verlegung durch die UEFA.
Das Finale der Champions League soll in der Gazprom Arnea in Sankt Petersburg stattfinden - aus der Politik kommen Forderungen nach einer Verlegung durch die UEFA. (imago images/SNA)
Für die UEFA ist es das wichtigste Spiel des Jahres: Das Champions-League-Finale am 28. Mai. Das Duell um den Titel in der Königsklasse soll in St. Petersburg stattfinden. Angesichts der Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk durch Russland und dem Einmarsch russischer Truppen fordern jetzt aber diverse Politikerinnen und Politiker, dass die UEFA das Endspiel verlegt.

Güntzler (CDU) fordert "sportpolitische Sanktionen"

"Die aktuellen Entwicklungen in der Ostukraine sind ein klarer Völkerrechtsbruch Russlands, dem wir auch mit sportpolitischen Sanktionen begegnen sollten", schreibt Fritz Güntzler, CDU-Obmann im Bundestag-Sportausschuss, auf Deutschlandfunk-Anfrage. Die Bundesregierung müsse nun Gespräche mit der UEFA suchen und auf eine Verlegung des Austragungsortes hinwirken.
Aber auch in den Regierungsparteien gibt es wenig Sympathien dafür, das Finale ausgerechnet in der Geburtsstadt von Wladimir Putin auszutragen. Es sei perfide, eine sportliche Feier mit Vertretern des russischen Regimes zu feiern, während eine militärische Aktion in den Regionen Donezk und Luhansk stattfände, so Grünen-Sportpolitiker Philipp Krämer.

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Das sieht auch der sportpolitische Sprecher der FDP, Philipp Hartewig, so: "Ich persönlich kann es mir nicht vorstellen weil die politische Wirkung, die von jedem Sportgroßereignis nach Außen geht, wäre fatal, auch gerade in Richtung Ukraine."

Sportausschuss-Vorsitzender: "Zu früh, sportpolitische Konsequenzen abzuleiten"

Aus der SPD gibt es aber gemischte Signale. Die sportpolitische Sprecherin Sabine Poschmann schreibt dem Deutschlandfunk, sie halte eine Austragung des Finales in Russland für undenkbar.
Der Vorsitzende des Sportausschuss Frank Ullrich, ebenfalls SPD, teilt der Nachrichtenagentur Reuters hingegen mit, es sei aufgrund der dynamischen Lage viel zu früh, sportpolitische Konsequenzen abzuleiten. "Genauso schnell, wie die russischen Truppen in die Ukraine einmarschiert sind, genauso schnell können sie auch wieder zurückgezogen werden", sagt der ehemalige Biathlet.
Auch Linkspartei und AfD sind gegen eine Verlegung. Statt weiter an der Spirale der Eskalation zu drehen, brauche es jetzt mehr Diplomatie auf vielen Ebenen, meint Sportpolitiker Andre Hahn. Sport könne dafür Brücken bauen. Sport und Politik sollten getrennt bleiben, findet AfD-Politiker Jörn König. Auch er ist gegen eine Verlegung.

UEFA: "Entscheidung wird getroffen - falls nötig"

Die UEFA selbst teilt mit, dass man die Entwicklung beobachte – wenn nötig, würde der Verband zu gegebener Zeit eine Entscheidung treffen. Auch der Schwimmverband FINA und der Skiverband FIS wollen so verfahren. Die FIS plant schon im März mehrere Weltcups in Russland, die FINA hat Kazan als Ausrichter für die Kurzbahn-WM Ende des Jahres ausgewählt.
Der internationale Druck steigt auf jeden Fall. Es sei unvorstellbar, dass große, internationale Fußballspiele in Russland stattfinden können nach der Invasion eines souveränen Staates, verkündet der britische Premier Boris Johnson im Unterhaus.

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Und auch Abgeordnete im EU-Parlament fordern die UEFA auf, zu handeln - und zwar nicht nur mit Blick auf das Champions-League-Endspiel. Die UEFA solle auch die Zusammenarbeit mit Hauptsponsor Gazprom beenden, fordert der österreichische EU-Abgeordnete Hannes Heide.

Die UEFA hat sich um ihre Verantwortung zu kümmern und wenn man das ernst nimmt, was der Zweck von Sport ist und von sportlichen Veranstaltungen, dann kann man einfach nicht argumentieren, dass diese Veranstaltung in St. Petersburg stattfinden solle und man kann auch nicht argumentieren, dass einer der großen, staatlichen russischen Betriebe weiterhin Sponsor dieser Sportserie ist.

Polnischer Politiker fordert von der UEFA Ende der Zusammenarbeit mit Gazprom

Der polnische EVP-Politiker Thomasz Frankowski bringt sogar ins Spiel, dass der Sponsoren-Deal mit dem russischen Gaskonzern Ziel von EU-Sanktionen sein sollte. So eine Sanktion könnte auch den DFB treffen - Gazprom ist Stand jetzt Hauptsponsor der EURO 2024 in Deutschland. Der Weltfrieden aber sei im Moment weitaus wichtiger als der Fußball, sagt DFB-Interimspräsident Rainer Koch zur Sportschau - und weicht damit der Frage aus, ob sich der DFB für ein Ende des Deals zwischen Gazprom und der UEFA einsetzen wird.
Grünen-Politiker Krämer fordert, dass der DFB das Thema bald auf die Tagesordnung nimmt. Das „geplante Fußballfest im Sommer 2024 in Deutschland“ würde im „krassen Widerspruch“ zu einer Werbung von Gazprom stehen, sollte Russland sich in einer militärischen Auseinandersetzung befinden. „Die politische Unabhängigkeit der EM wäre damit gefährdet“, so Krämer.
Gazprom sponsert auch Schalke 04 seit 15 Jahren, der Zweitligist ist auf die hohen Beträge wirtschaftlich angewiesen. Wie die UEFA will der Verein die Situation beobachten – und appelliert nachdrücklich zum Frieden.
Der Sport als Mittel zum Machtausbau
Die verhaltenen Reaktionen zeigen, wie groß der Einfluss von Gazprom bei einzelnen Verbänden und Vereinen ist. Russland stärkt dieses Engagement seit vielen Jahren.
Das Sponsoring nutzen Russland und Gazprom zum einen für klassische Imagepflege. Auf Schalke flimmerte zum Beispiel der Slogan „Sichere Energie für Europa“ über die Bande, um für die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu werben.
U19 FC Schalke 04 - ein weiblicher Schalke-Fan mit einer Trommel von Sonor, mit Werbung für Gazprom und die RAG, Frauen, Fans, Anhänger, Zuschauer, U19 FC Schalke 04 a female Schalke supporter with a Drum from Sonor with Advertising for Gazprom and The Rag Women supporters Trailers Spectators
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Sponsor von Schalke und Champions League - Wie Gazprom den Fußball als Plattform benutzt
Ob als Hauptsponsor von Schalke 04 oder als Premiumpartner der Champions League: Der russische Erdgasgigant Gazprom ist präsent im europäischen Spitzenfußball. Dabei mag es um positive PR für das Unternehmen gehen, aber mit dem Engagement im Fußball erkauft sich Gazprom auch den Zugang zu wertvollen Netzwerken.
Das Engagement im Sport ist aber auch ein Türöffner für Russland gewesen. „Es ist quasi Diplomatie im Schnellverfahren“, erklärte der Sportökonom Simon Chadwick das Vorgehen schon im Mai 2021 im DLF.

Denn wenn Gazprom mit dem britischen Energieminister sprechen möchte, dann müsste es normalerweise die diplomatischen Protokolle befolgen und Wochen, Monate oder sogar Jahre warten, bis es zum Gespräch käme. Aber wenn man die Champions League sponsert, schickt man ihm einfach ein paar Eintrittskarten für eine Partie und sagt: ‚Hey, komm doch zum Spiel.‘ Und natürlich wird er Ja sagen.

Russlands Einfluss erstreckt sich nicht nur auf Fußball
Solche Kontakte können helfen, mögliche Entscheidungen im russischen Sinne zu beeinflussen oder Informationen zu gewinnen. Beim FC Schalke 04 sitzt ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter auf Gazprom-Ticket im Aufsichtsrat, im Exekutivkomitee der UEFA sitzt der Vorstandsvorsitzende von Gazprom Neft. Gremien, die Kontakte zu für Moskau interessanten Personen eröffnet.
MOSCOW, RUSSIA - JULY 16, 2019: Russian Canoe Federation President Yevgeny Arkhipov at a press conference, PK, Pressekonferenz ahead of the 2019 ECA (European Canoe Association) Dragon Boat Nations & Clubs European Ñhampionships scheduled to start on July 17 in Moscow. Alexander Shcherbak/TASS PUBLICATIONxINxGERxAUTxONLY TS0B3456
MOSCOW, RUSSIA - JULY 16, 2019: Russian Canoe Federation President Yevgeny Arkhipov at a press conference, PK, Pressekonferenz ahead of the 2019 ECA (European Canoe Association) Dragon Boat Nations & Clubs European Ñhampionships scheduled to start on July 17 in Moscow. Alexander Shcherbak/TASS PUBLICATIONxINxGERxAUTxONLY TS0B3456
Präsidentenwahl im Internationalen Kanu-Verband - Wie Russland über Sportverbände Außenpolitik betreibt
Beim Kongress des Internationalen Kanu-Verbandes ICF geht es um die Nachfolge von Präsident José Perurena. Kandidaten sind der Deutsche Thomas Konietzko und Evgenii Arkhipov. Der Russe ist einer von vielen Spitzenfunktionären, die jetzt von der politischen Führung im Kampf um mehr Einfluss in der internationalen Sportwelt unterstützt werden.
Der Versuch, über den Sport an Einfluss zu gewinnen, beschränkt sich aber nicht nur auf den Fußball. Auch in anderen Sportarten hat Russland in den vergangenen Jahren seinen Einfluss ausgebaut. Im Amateur-Boxverband IBA wurde zum Beispiel Umar Kremlev als neuer Präsident gewählt. Im Wahlkampf versprach er, den hochverschuldeten Verband zu sanieren. Kurz nach seiner Wahl präsentierte er einen neuen Hauptsponsor: Gazprom.
* Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle wurde der Austragungsort des Spiels korrigiert.