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Sport und Politik
Gehören politische Debatten zur WM nach Russland?

Selten wurde im Vorfeld einer WM so sehr über das Gastgeberland diskutiert. Die angespannte Situation zwischen Moskau und dem Westen wird zweifellos eine Rolle spielen. Im Dlf-Sportgespräch haben Rebecca Harms (Die Grünen), Bijan Djir-Sarai (FDP) und ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann diskutiert.

Rebecca Harms, Bijan Djir-Sarai und Thomas Fuhrmann im Gespräch mit Matthias Friebe | 10.06.2018
    Das Logo der Fußball-WM 2018 in Russland wird auf die Fassade des Bolschoi-Theaters in Moskau projiziert.
    Muss bei der WM über die politische Lage in Russland diskutiert werden? Im Dlf-Sportgespräch wird darüber gestritten. (picture alliance / dpa / Alexander Vilf)
    "Für mich ist das in erster Linie eine Fußballweltmeisterschaft. Politik hat in den Wochen dort nichts zu suchen. Weil die Fußballmannschaften und die Spiele im Mittelpunkt stehen und nicht politische Debatten." Mit dieser Meinung steht Bijan Djir-Sarai, der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, beim Dlf-Sportgespräch alleine da. Statt politischer Debatten fordert Djir-Saraj einen "normalen Umgang" mit dem Gastgeberland.
    Der Politiker Bijan Djir-Sarai ist Mitglied der FDP-Fraktion des Deutschen Bundestages.
    Der Politiker Bijan Djir-Sarai ist Mitglied der FDP-Fraktion des Deutschen Bundestages. (imago/photothek)
    Das sieht vor allem Rebecca Harms, Europaabgeordnete der Grünen, entschieden anders. Schon die Vergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 nach Russland und Katar sei umstritten gewesen. Für Harms ist es eindeutig, dass Wladimir Putin sich als "großer, globaler Führer" präsentieren möchte. Nach Meinung der Grünen-Politikerin dürften sich "vernünftige, westliche Staats- und Regierungschefs nicht auf diese Inszenierung einlassen." Rebecca Harms warnt vor "business as usual" mit Wladimir Putin.
    Die Grünen-Europapolitikerin Rebecca Harms
    Für Grünen-Europapolitikerin Rebecca Harms war schon die Vergabe der WM nach Russland ein Skandal. (imago / Rüdiger Wölk)
    Auch für ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann ist Russland kein Gastgeber wie jeder andere. "Wir mussten uns damit auseinandersetzen, wie die weltpolitische Lage ist", betont er. Im Gegensatz zur WM 2014 in Brasilien, hätten ARD und ZDF ihr Hauptquartier nicht in Russland - dies jedoch aus Kostengründen, die Sender würden so einen siebenstelligen Betrag einsparen. Ein besonderer Fokus liege in diesem Jahr auf der Hintergrundberichterstattung. Es sei "ein Privileg der öffentlich-rechtlichen Sender", sich diese leisten zu können.
    Thomas Fuhrmann, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Sport, steht in einem Schaltraum.
    ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann kritisiert, dass die FIFA das weltweite Fernsehbild kontrolliert - und so zensieren kann. (dpa)
    Bei aller Kritik an Russland, warnt Bijan Djir-Sarai davor, den Menschen die Freude am Fußball zu nehmen. Er meint: "Politische Debatten gibt es genug, die gehören nicht auf das Spielfeld." Viele Russen würden gerade jetzt auf ein Ende der politischen Isolation hoffen. Einen anderen Eindruck äußert Rebecca Harms. Sie habe sich in Russland mit Vertretern der Menschenrechtsorganisation ‚Memorial‘ ausgetauscht. Innerhalb der russischen Opposition hoffe man, dass "die Opfer des repressiven Regimes von Wladimir Putin nicht vergessen werden".
    Rolle der FIFA im Dlf-Sportgespräch scharf kritisiert
    Für Thomas Fuhrmann steht indes fest, dass der russische Präsident die WM in jedem Fall für seine Zwecke nutzen wird. Ähnlich sei es bereits bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotchi gewesen. Harms hatte gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus 15 Ländern vorgeschlagen, dass Staats- und Regierungschef der Endrunde fernbleiben sollten.
    Einig sind sich die Interviewpartner im Dlf-Sportgespräch bei der Bewertung der FIFA. Sie kritisieren die undurchsichtige Vergabe der WM-Turniere und die mangelnde Aufklärung von Korruption. Außerdem kontrolliere der Weltverband das in die Welt ausgestrahlte Fernsehbild, wie Thomas Fuhrmann anmerkt. Die Zensur von Fan-Protesten sei ein ernstes Problem, findet auch Bijan Djir-Sarai. "Die Rolle der FIFA oder UEFA sollte im Mittelpunkt stehen, nicht ob man als Politiker zu Putin fahren darf." Rebecca Harms stört insbesondere das Auftreten des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino und dessen "peinliche Inszenierung mit Putin".
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    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.