Neues Konzept
So verändert die Sporthilfe die Nachwuchsförderung

Ab 2025 führt die Stiftung Deutsche Sporthilfe ein neues Konzept ein, das vor allem junge Talente in den Fokus rückt. Statt pauschaler Beträge wird die Unterstützung an die spezifischen Bedürfnisse der Athleten angepasst und es gibt mehr Geld.

Von Julian Tilders |
Die Flagge der Olympischen Spiele 2024 in Paris weht vor dem Eiffelturm in Frankreich. FOTOMONTAGE
Platz zehn im Medaillenspiegel bei den Olympischen Spielen, Platz elf bei den Paralympics – die Diskussion um die deutsche Sportförderung ist entfacht. Die Stiftung Deutsche Sporthilfe geht mit einem neuen Konzept voran. (picture alliance / CHROMORANGE / Michael Bihlmayer)
Mehr Geld für den Nachwuchs gibt es ab 2025 von der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Man wolle die größten Talente im deutschen Sport künftig "früher und zu jedem Zeitpunkt ihrer Laufbahn bedarfsgerecht unterstützen", heißt es von der Stiftung.
"Ich glaube, da haben wir in den letzten Jahren ein bisschen Federn gelassen", sagt die ehemalige Topschwimmerin Franziska van Almsick, die im Aufsichtsrat der Sporthilfe sitzt. "In Zahlen: Wir haben in den letzten Jahren so um die 500 Athleten gefördert im Nachwuchsbereich und wollen jetzt bis zu 2.000 fördern. Worüber ich mich wahnsinnig freue, weil ich glaube, das ist ein ganz großer Ansporn für junge Sportler, den großen Vorbildern nachzueifern."

Spitzenathleten müssen Abstriche machen - für den Nachwuchs

Für Talente, die an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, gibt es jetzt bis zu 100 Euro Grundförderung im Monat. Dafür kriegen die Top-Sportlerinnen und -Sportler künftig weniger. Vor allem die Athleten mit Sportförderstellen, also die, die bei Polizei, Bundeswehr oder dem Zoll angestellt sind, sollen Abstriche machen. Statt 400 nur noch 250 Euro monatliche Basis-Unterstützung.
Das betrifft auch Niko Kappel, der auf der Gehaltsliste der Bundeswehr steht. Aber der Para-Kugelstoßer leistet gerne seinen Beitrag. "Die meisten, die jetzt in meinem Alter sind, haben früher schon mal von einer geringen Nachwuchsförderung in Form von Geld profitiert, zwischendurch ist das nicht mehr der Fall gewesen. Deshalb ist es für mich persönlich eine Herzensangelegenheit."
Genauso sieht das auch Sportsoldatin Laura Nolte, mehrfache Welt- und Europameisterin im Bobfahren: "Man hat gerade im Nachwuchs nicht viele Präsentationsflächen, ist nicht im Fernsehen. Das heißt, man hat kaum Sponsoren. Und da ist jeder Cent viel wert und es ist richtig, dass die Sporthilfe da ansetzt."

Sportwissenschaftler: Mehr Geld für Nachwuchs bedeutet nicht langfristig mehr Medaillen

Aber mit welchem Effekt? Mehr Geld für den Nachwuchs gleich langfristig mehr Medaillen? So einfach sei das nicht, sagt Sportwissenschaftler Arne Güllich von der TU Kaiserslautern. Er forscht schon lange zur Talentförderung in Deutschland. Einerseits: "Die Athleten sind glücklich über das Geld, das sie bekommen. Vielleicht ist es auch wirklich eine konkrete Hilfe, um seinen Sport tatsächlich noch ein bisschen länger fortführen zu können."
Aber aus wissenschaftlicher Sicht hätten Erfolge im Jugendbereich keinen nachweisbaren Effekt auf spätere Erfolge im Spitzensport: "International erfolgreiche Junioren und international erfolgreiche Spitzenathletinnen und -athleten sind nicht dieselben Sportlerinnen und Sportler. Sondern das sind zwei zu 80 bis 90 Prozent disparate Populationen. Die meisten erfolgreichen Jugendlichen werden keine erfolgreichen Erwachsenen, viele erfolgreiche Erwachsene waren keine erfolgreichen Jugendlichen – oder jedenfalls nicht so erfolgreich. Auf der anderen Seite: Forciert man aber die Beschleunigung der frühen Jugenderfolge, geht das auf Kosten der langfristigen Erfolge im Spitzensport."

Individuelle Förderung - je nach Sportart

Die verstärkte finanzielle Jugend-Förderung der Sporthilfe könnte also gar keinen Effekt auf die Medaillenbilanz, schon gar nicht bei den nächsten Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles haben. Wobei Sporthilfe-Vorständin Karin Orgeldinger genau das erreichen will: "Natürlich blicken wir da auf Gesamtergebnisse bei den Olympischen Spielen und denken dann eben auch, dass wir auch belegen können, dass wir einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben."
Zum neuen Förderkonzept der Sporthilfe gehört auch mehr Individualität. Im Bobsport wird nun andere Unterstützung geleistet als etwa beim Schwimmen, zum Beispiel wegen unterschiedlicher Materialkosten. Das war auch ein Wunsch des Vereins Athleten Deutschland, sagt Fechterin und Athletensprecherin Léa Krüger: "Diese Individualität, auf die jetzt hier nochmal mehr eingegangen wird, ist eigentlich mit der größte Gewinn, den wir an dem Konzept mit haben."
Mehr Individualität heißt auch abseits von Geldern: Hilfe etwa in Sachen Mentaltraining und psychologische Unterstützung, wenn sie gebraucht wird.

Föderung auch nach der Sportkarriere

Außerdem will die Sporthilfe Athletinnen und Athleten bei Bedarf nach ihrem Karriereende nun statt bisher nur drei Jahre bis zu fünf Jahre noch mit bis zu 500 Euro pro Monat und Studienstipendien weiter unterstützen. Niemand soll fallengelassen werden – und im besten Fall dem deutschen Sport auch erhalten bleiben.
Sportwissenschaftler Arne Güllich ordnet das so ein: "Die große Mehrheit der erfolgreichen Spitzenathleten hat keine Übergangsprobleme von ihrer sportlichen in ihre nach-sportliche Karriere und die meisten haben auch keine beruflichen Schwierigkeiten. Diejenigen, die berufliche Schwierigkeiten haben, sind diejenigen, bei denen die Spitzensportlaufbahn auf Kosten ihrer Bildung gegangen ist. Nichtsdestotrotz: Für diese Fälle, die werden sich über diese Förderung freuen und es kann auch wirksam sein."
Ob die Wirksamkeit der neuen Förderung aber auch in Medaillen messbar sein wird, das ist aus heutiger Perspektive noch fraglich.