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Sportförderung
Zu viel Sporthilfe - kein Bafög

Eine paralympische Sportlerin spart Geld aus Mitteln der Sporthilfe, um sich davon ein Auto zu kaufen. Da das Gesparte den maximalen Freibetrag für die Studienbeihilfe überschreitet, wird der Athletin das Bafög gestrichen. Sie klagt vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe - und verliert.

Von Victoria Reith | 15.03.2015
    Formular für den Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
    Die Regeln für die Genehmigung von Bafög-Ausbildungsförderung sind streng. (dpa/picture alliance/Jan-Peter Kasper)
    Wer die Klägerin ist, ist nicht offiziell bekannt, ein bereits veröffentlichter Name wurde dementiert. Was fest steht: Es handelt sich um eine A-Kader-Athletin und Paralympics-Teilnehmerin, Studentin in Innsbruck und Bezieherin von Auslandsbafög.
    Sie muss - vorbehaltlich einer möglichen Berufung - rund 11.000 Euro bereits erhaltenes Bafög zurückzahlen, weil sie mehr als den Freibetrag von 5.200 Euro auf ihrem Konto hatte - rund 33.000 Euro. Die Sportlerin argumentierte, dass sie dieses Geld aus Mitteln der Sporthilfe, einer gemeinnützigen Stiftung, für ein Auto gespart habe. Das sei für die Ausübung ihres Leistungssports unabdingbar.
    Doch die Argumentation überzeugte das Gericht nicht. Das Fahrzeug vereinfache den Sport zwar, ermögliche ihn aber nicht erst. Die Klägerin betreibe vielmehr seit Jahren auch ohne entsprechendes Fahrzeug erfolgreich Leistungssport.
    "Ich sehe das anders", sagt Fechter Maximilian Hartung: "Ich glaube, dass eigentlich alle Leistungssportler, wenn sie jetzt nicht in einer ganz besonderen Situation sind, wo Trainingsstandort und Turniere in einem Haus sind, auf ein Auto angewiesen sind, auch wegen Gerätschaften. Ich selber könnte mein Programm ohne Auto nicht bewerkstelligen.
    Der Fechter Maximilian Hartung ist Athletensprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes. Er ist 25 und studiert selbst im 5. Semester Politik und Wirtschaft in Friedrichshafen: "Man muss de facto sagen, dass das Sporthilfegeld ja ohnehin nicht reicht, um Rücklagen anzuhäufen. Die Betreffende hat sich sicher alle Mühe gegeben ihr Auto zu finanzieren. Grundsätzlich muss man sagen, dass Leistungssport in Deutschland ohnehin keine großen finanziellen Anreize setzt."
    Wenig Geld für viel Leistung
    Eine neue Studie der Sporthilfe mit der Deutschen Sporthochschule Köln zeigt, dass 37 Prozent der Athleten ihre Karriere beenden, weil sie sich auf Ausbildung, Studium und Beruf konzentrieren. Leistungssportler müssen im Schnitt mit 626 Euro im Monat auskommen. Die Klägerin erhielt 2012 250 Euro Sporthilfe im Monat - möglich sind für Studenten im A-Kader inzwischen 700 Euro, für wenige Spitzensportler in einem Eliteprogramm maximal bis zu 1.900 Euro.
    Der Vorsitzende der Sporthilfe, Michael Ilgner, vergleicht das Karriereende vieler Sportler mit einem 400-Meter-Sprint, bei der ein Drittel der Läufer in der Schlusskurve aus dem Rennen aussteigt: "Insofern sind wir da schon auch ein bisschen angefasst, wenn wir so ein Urteil hören und werden da alles versuchen unsere Beiträge zu leisten, um einfach die Realitäten zurechtzurücken."
    Die Realitäten zurechtrücken bedeutet für Ilgner: Zu ermöglichen, dass Sportler etwas ansparen dürfen: "Ich kann nur soviel sagen, dass der der Leistungssport nur so funktionieren kann, wenn man sich in saisonalen Phasen dem Sport ganz widmet und in anderen Phasen im Sport zurücknimmt und sich Ausbildung oder Beruf widmet. So ist es auch mit Erträgen. Wenn man besondere Prämien oder Förderleistungen bekommt, muss man die aufsparen, um den Leistungssport dann wieder ausüben zu können."
    Die Klägerin hatte gefordert, die Sporthilfe nicht als Vermögen zu bewerten, weil sie kein Einkommen zur Deckung des Lebensunterhaltes darstelle, sondern dazu da sei, Mehrausgaben für den Sport zu finanzieren. Doch das Gericht lehnte ab und rechnete die Sporthilfe als Vermögen an. Zwar werde sie bis zu 150 Euro im Monat nicht auf das Einkommen angerechnet. Ansonsten ist der Umgang mit Sporthilfe als Vermögen aber bewusst gesetzlich nicht eindeutig geregelt, so das Gericht.
    Kein Härtefall
    Härtefallregelungen greifen in diesem Fall auch nicht, denn eine Gefährdung der Ausbildung drohe nicht, höchstens des Sports - der dürfe aber ohnehin nicht durch Bafög finanziert werden. Notfalls müsse die Klägerin mit den Ausgaben für den Sport zurückstecken. Und ein Auto sei nun einmal keine Voraussetzung für die Ausübung des Sports, so das Gericht, und liegt damit auf der Linie des Studentenwerks: Das Deutsche Studentenwerk kennt keine Ausnahmen bei der Berechnung des Bafögs, sagt Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde:
    "Man muss ja immer gucken, ist es für die Ausbildung erforderlich oder ist es für die Ausbildung nicht erforderlich. Und hier in diesem Fall ist es so: Der Sport hat mit der Ausbildung nichts zu tun, wenn ich das richtig sehe. Da gilt für alle gleich: Liebe Leute, das Einkommen ist anzurechnen - oder das Vermögen in dem Fall, sie hat ja angespart. Das ist leider das Dilemma, wo alle vor dem Gesetz gleich sind und da sollte man keine großen Ausnahmen machen."
    Wenn Ausnahmen geltend gemacht würden, würde das Studentenwerk sie mit der Behinderung der Sportlerin begründen - und auch Athletensprecher Maximilian Hartung merkt an, ein besonders ausgestattetes Auto sei wohl teurer als ein standardmäßig ausgestattetes. Doch die Behinderung wird im Urteil nicht berücksichtigt. Der Grund: Die Leistungen der Sporthilfe für nichtbehinderte und behinderte Sportler sind gleich. Das Geld sei nicht dafür vorgesehen, die Folgen der Behinderung zu mildern, so das Gericht. Maximilian Hartung wünscht sich, dass Sportler die Möglichkeit haben, Geld zurückzulegen:
    "Ich denke, dass das grundsätzlich so ist, dass Sportler, das Geld von der Sporthilfe laufend wieder aufwenden und dass in Sonderfällen wo besondere Gerätschaften angeschafft werden müssen oder ein Auto von einem Bafög beziehenden Studenten dann eine Sonderlösung gefunden werden muss."