Donnerstag, 28. März 2024

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Sportpsychologie
So etwas wie ein Laboratorium

Amerikas Sportpsychologen haben einen besonderen Ruf. Sie betreuen namhafte Athleten wie auch Klubs und schreiben kluge Ratgeber für Jedermann. Die Leistungsoptimierung steht im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Finden sie auch eine Antwort auf Druck?

Von Jürgen Kalwa | 10.05.2018
    Statue des früheren Green Bay Packers Chef-Trainers Vince Lombardi (R) and Packers Gründers Curly Lambeau.
    Statue des früheren Green Bay Packers Chef-Trainers Vince Lombardi. (imago sportfotodienst)
    Er war ein abgebrochener Jurastudent, der mit 26 als Lehrer an einer High School landete. Dort unterrichtete er Latein, Chemie und Physik. Jahre später, mit Mitte 40, fand er seine wahre Berufung. Da wurde er als Erfolgstrainer der Green Bay Packers so etwas wie der Pädagoge der Nation.
    Seine aufpeitschenden Sprüche wurden Aphorismen des amerikanischen Alltags. Der berühmteste: "Gewinnen ist nicht alles, es ist ein und alles." Kaltschnäuzig herrschte er verletzte Spieler an: "Niemand hat jemals wirklich Schmerzen. Schmerzen hat man nur im Kopf."
    "I think I am in a tough business. And I think there is only one way to coach that business and that’s to be as hard as the business is." Härte gegen sich und andere war nicht das einzige Anforderungsprofil, so der gläubige Katholik Vince Lombardi. Seine Football-Profis hätten wenigstens drei weitere Dinge mitzubringen: Familiensinn, Religiösität und die totale Hingabe zur Mannschaft.
    Der Quarterback Nick Foles von den Philadelphia Eagles jubelt nach dem Gewinn des Super Bowls.
    Der Quarterback Nick Foles von den Philadelphia Eagles jubelt nach dem Gewinn des Super Bowls. (AFP / TIMOTHY A. CLARY)
    Seine Erfolge waren unumstritten. Und so wurde irgendwann der Pokal nach ihm benannt, den der Sieger des Super Bowls erhält. Natürlich hat sich seitdem einiges geändert. Nicht nur in Sachen Führungsstil. Der jüngste Lombardi-Trophy-Gewinner etwa, die Philadelphia Eagles, haben nicht nur einen Chefcoach und einen riesigen Trainerstab mit 25 Spezialisten für alle möglichen taktischen Probleme. Sie haben auch den berühmtesten amerikanischen Sportpsychologen unter Vertrag: Bob Rotella.
    Der 58-Jährige dürfte einer breiten Öffentlichkeit hauptsächlich aufgrund seiner zahlreichen Bücher über das Golfspiel bekannt sein. Auch in Deutschland sind mehrere Titel von ihm erschienen. Darunter: "Die Zehn Gebote für großartiges Golf - Mentale Strategien für den Sieg". "Ich habe schon immer im Mannschaftssport gearbeitet. Im Basketball, Football, Baseball, Fußball und in olympischen Sportarten. Ich habe nur keine Bücher darüber geschrieben. Der Hauptgrund: Leute kaufen viel eher Bücher über Golf."
    Zu wahrer Größe führen
    Das Motiv seiner Arbeit beschrieb Rotella dem Deutschlandfunk so: "Mich interessiert, wie man Menschen, die bereits sehr gut sind, zu wahrer Größe führt. Damals in den sechziger und siebziger Jahren war die Psychologie mehr auf Menschen mit erheblichen psychologischen Problemen konzentriert. Und darauf, sie alltagstauglich zu machen. Das war nichts für mich."
    Sportpsychologie ist die Ableitung einer relativ jungen wissenschaftlichen Disziplin. Sie entwickelte sich in den zwanziger Jahren – zunächst in Deutschland. Aber die Richtung, die Männer wie Rotella dem Thema aufpflanzten – Leistungsoptimierung, Wettkampfstärke, Motivationshilfe – das entwickelte sich ab den dreißiger Jahren sehr stark in den USA. Wo 1979 auch die erste medizinische Fachzeitschrift entstand: das "Journal of Sports Psychology".
    Nicht alle Karrieren verlaufen geradlinig. Man nehme John F. Murray, der zu einer Reihe von sehr sendungsbewussten Vertretern seiner Zunft gehört. Er hatte in jungen Jahren als Tennis Coach gearbeitet. Darunter eine Weile auch in Österreich. Zurück in den Vereinigten Staaten verlor er seine Sportart jedoch nicht aus den Augen. So entstand sein Buch "Smart Tennis - How to Play and Win the Mental Game".
    In jedem Gehirn schlummern Reserven
    Es handelt einen besonderen Aspekt des Spiels ab: "Obwohl es zu keinem Körperkontakt kommt, ist das rein psychologisch ein Duell. Wie beim Boxen. Und etwas ganz anderes als in einer Mannschaft, wo man nur Teil eines großen Ganzen ist und nur wenig dazu beiträgt, das Endresultat zu beeinflussen." Darauf muss der Psychologe eine Antwort haben.
    Genauso wie auf den Druck, der im Sport seit den sechziger Jahren immer stärker geworden ist: "Wir waren früher im Sport lange nicht so ehrgeizig. Aber durch das viele Geld ist Gewinnen wichtig geworden. Und die Konzentration auf den Wettkampf. Daraus wurde so etwas wie ein Laboratorium. Und so können wir nun auch anderen Menschen helfen. Nicht nur Profisportlern, sondern auch Freizeitsportlern, die Golf oder Tennis spielen. Und die einfach nur ein bisschen besser werden wollen."
    Denn: In jedem Gehirn schlummern Reserven. Und die lassen sich zum Zweck der "Selbstoptimierung" abrufen.