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Sportstadt Potsdam
Zwischen Erfolg, Wachstum und fehlenden Sponsoren

Sportlicher Erfolg ist schön, braucht aber auch die finanzielle Unterstützung von Sponsoren. Vor allem darum kämpft die Sportstadt Potsdam und, um ihren Titel als Sportstadt zu erhalten.

Von Wolf-Sören Treusch |
Auf dem Gelände des Olympiastützpunktes in Potsdam steht die Sportschule Friedrich Ludwig Jahn und das zugehörige Wohnheim.
Aus Potsdam kommen seit 1960 regelmäßig Olympia-Teilnehmende. (dpa/picture alliance/ Bernd Settnik)
Anfang Mai, die Volleyballfrauen des SC Potsdam feiern das Saisonende. In einer dramatischen Finalserie unterlagen sie zuvor dem MTV Stuttgart in fünf Spielen. Bei der Abschlussparty dabei: der Oberbürgermeister der Stadt, Mike Schubert.
Er verbucht die knappe Niederlage dennoch als Erfolg. Ebenso wie den zu erwartenden Aufstieg des 1. VfL Potsdam in die Zweite Handball-Bundesliga der Männer.
 „Ja, die Sportstadt Potsdam wacht wieder auf, und es kommen ein paar Sportarten dazu, die wir ja in der Tat, wie man so schön sagt, nicht auf der Payroll hatten. Kanu, klar, zählte man immer zu Potsdam, Leichtathletik zählte man immer zu Potsdam, Turbine, haben wir schon 'ne Menge.“
Zählt der Oberbürgermeister der Stadt auf, aus der seit 1960 regelmäßig Sportlerinnen und Sportler zu Olympischen Spielen reisen. Das Zentrum des Leistungssports am Luftschiffhafen gilt bis heute als Medaillenschmiede. Kanutin Birgit Fischer, Kugelstoßer Udo Beyer, Schwimmer Jörg Hoffmann oder aktuell die Bobanschieberin Deborah Levi: Sie alle holten Edelmetall für Deutschland und hatten bzw. haben ihre sportliche Heimat in Potsdam.

„Aber dass jetzt auch noch die zwei Hallenballsportarten so einschlagen, das ist riesig, für so ne kleine Stadt fast zu viel, also man steht da, lehnt sich zurück und sagt ‚kneif mich mal‘.“

Sponsoren sind Mangelware


Der Erfolg der Volleyballfrauen rückt neuerdings auch den Mannschaftssport in den Fokus. Der SCP wird in der kommenden Saison Champions League spielen – als einziges Team aus Potsdam, frohlockt Sportdirektor Toni Rieger.
 „Wir werden unsere Stadt auch europaweit repräsentieren, die Champions League ist das höchste in der Klubgeschichte, was ein Verein spielen kann und darf. Wir sind angetreten in der Bundesliga 2009, um Titel zu holen, und das wollen wir nutzen und dazu brauchen wir natürlich auch noch tatkräftige Unterstützung.“
Jubel beim Volleyball-Bundesligisten SC Potsdam
Jubel beim Volleyball-Bundesligisten SC Potsdam (dpa / picture alliance / Steffen Proessdorf)
Am liebsten wäre ihm ein finanzkräftiger Sponsor. Doch genau daran mangelt es in der eigentlich wohlhabenden brandenburgischen Landeshauptstadt. Fernseh-Star Günther Jauch, SAP-Gründer Hasso Plattner oder der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer, Mathias Döpfner, spenden hohe Millionenbeträge für Kultur und Denkmalschutz. Für den Sport fällt davon nichts ab. Und die Konkurrenz ist groß.

Sportarten konkurrieren um finanzielle Mittel

„Wir haben einfach zu viel Spitzensport an einem Fleck. Gucken wir nach Schwerin: da gibt’s den SSC Palmberg Schwerin. Aber ansonsten hat ja Schwerin gar nichts. Die sind da die absolute Nummer 1. Und hier hast du halt viel drum herum.“
Schaut Volleyball-Sportdirektor Toni Rieger ein wenig neidisch in den Norden. Hauptsponsor des SC Potsdam ist ein kommunaler Betrieb: die Energie und Wasser Potsdam, EWP. Mit 130.000 Euro im Jahr fördern die Stadtwerke den Spielbetrieb der Volleyballfrauen. Seit Jahren ist die Summe unverändert – für ein Team in der Champions League viel zu wenig. Das weiß auch die EWP-Marketingchefin Karin Sadowski, die ihrerseits auf Zwänge im Sponsoring aufmerksam macht.
„Es ist schon so, dass wir natürlich auch immer um 'ne Brust kämpfen, ne? Im Männerfußball zum Beispiel ist es gar nicht möglich. Um das Logo auf der Brust, ich meine: Wo sonst wird man sichtbar? Deswegen also: Da, wo wir es uns finanziell bei den großen Vereinen nicht leisten können, da nehmen wir halt den Nachwuchs.“
Der mehrfache deutsche Frauenfußballmeister 1. FFC Turbine Potsdam – zuletzt dreimal hintereinander auf Platz 4 in der Bundesliga und in diesem Jahr im DFB-Pokalfinale – weiß, wie schwer es ist, sportliche Leistung in bare Münze umzusetzen.
„Das verstehen viele nicht, dass man nicht einfach hingeht und sagt: ‚Du, es wäre schön, ich bräuchte 50.000 Euro‘, und dann sagt der ‚Mensch, gut, dass du das sagst, ich weiß gerade nicht, wohin mit dem Geld‘, ja … ich übertreibe das jetzt mal.“
Rolf Kutzmutz, Präsident von Turbine Potsdam
Rolf Kutzmutz, Präsident von Turbine Potsdam (Blaschke, Dlf)

Trotz des Champions-League-Erfolges 2010 geht Turbine-Präsident Rolf Kutzmutz deshalb immer noch regelmäßig Klinken putzen.
 „Tesla. Und da ist mit als erstes, wo ich Verbindung aufgenommen habe: ‚Herr Musk hat keinerlei Interesse an sportlichen Aktivitäten‘. Oder Ikea, da habe ich an den Hauptvertreter geschrieben, ich kann Ihnen das alles zeigen. Und er hat mir wirklich nett geantwortet, hat mir gesagt: ‚Es gehört zur Firmenphilosophie, dass wir keine sportlichen Aktivitäten unterstützen‘.“

Stadt hinkt dem Wachstum im Breitensport hinterher

Doch nicht nur der Leistungssport, auch der Breitensport in Potsdam stößt an Grenzen. Die Zahl der Sportvereine ist in den vergangenen zwanzig Jahren von 117 auf 167 gestiegen, die Zahl der Mitglieder hat sich von knapp 18.000 auf etwa 34.000 nahezu verdoppelt. Die Stadt wächst rasant, kommt aber mit Neubau, Erweiterung und Sanierung von Sportstätten kaum hinterher.
 „Man muss sich beschränken auf diejenigen, die eben momentan auch Leuchttürme sind", erklärt Mike Schubert, der Oberbürgermeister der 180.000-Einwohner-Stadt.

„Wir sind so groß wie ein Berliner Bezirk, da muss man manchmal die Kirche ein Stück im Dorf lassen. Alles gleichzeitig geht nicht, von daher sind wir jetzt ganz gut aufgestellt und sollten schauen, dass wir die, die jetzt da sind, gut unterstützen und damit sozusagen das Profil der Stadt weiter ausbilden.“
Heißt konkret: Die Potsdam Royals, 2018 aufgestiegen in die höchste deutsche Football League, erhalten von der Stadt keine Unterstützung. Jedenfalls nicht, was den Bau eines neuen Stadions anbelangt. Ohnehin sind dafür keine Flächen mehr verfügbar. Potsdam wird kämpfen müssen, um seinen Ruf als Sportstadt zu verteidigen.