Dienstag, 19. März 2024

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Sportunterricht in der Pandemie
"Einige Kinder machen ohne Schulsport gar nichts"

Der Sportunterricht steht während der Corona-Pandemie vor massiven Herausforderungen. Im Dlf-Sportgespräch berichteten drei Pädagogen von ihren Erfahrungen und warum der Schulsport gerade jetzt unverzichtbar ist.

Michael Schwab, Lea Holz und Michael Fahlenbock im Gespräch mit Marina Schweizer | 06.09.2020
Sportunterricht an einem Gymnasium
Sportunterricht vor der Corona-Pandemie: Schulsport findet derzeit noch viel an der frischen Luft statt. (imago)
In den meisten Bundesländern läuft die Schule schon seit ein paar Wochen wieder und für Lehrkräfte, Schulleitung und natürlich die Kinder selbst ist es eine herausfordernde Zeit, die sich auch besonders im Schulsport spiegelt. Im Sportgespräch berichteten drei Pädadogen von ihren Erfahrungen seit Schulbeginn, aber auch während des Beginns des Lockdowns und des Homeschoolings.
"Anfangs hat aus Vorsicht und Unsicherheit über die Richtlinien gar kein Schulsport stattgefunden", sagte Michael Schwab, Sportlehrer an einer Grundschule in Frankfurt am Main im Dlf. Mittlerweile habe man aber langsam wieder mit Schulsport angefangen. Ein Problem dabei sei aber die sichere Unterbringung der Masken während des Sportunterrichts gewesen, berichtete Schwab, man müsse ja darauf achten, dass die Masken sich nicht mit anderen Masken konterminieren. "Was in Hessen im Augenblick nicht gemacht werden darf ist, Ringen und Raufen, also so ganz körperlich enge Geschichten", sagte der Sportlehrer.
Baden, Pädagogische Hochschule, Turnsaal Baden, College of Education, Gymnasium
Sportlehrerverband fordert mehr Unterstützung
Ohne intensiven Körperkontakt und möglichst draußen: Sportunterricht wird in Zeiten von Corona komplizierter. Daniel Möllenbeck vom Deutschen Sportlehrerverband forderte im Dlf daher mehr Unterstützung aus der Politik.
"Wenn man um 16 Uhr aus der Schule rausgeht, gelten andere Regeln"
Lea Holz ist zum einen Teil Ganztagsleitung in einer Hamburger Grundschule und Judotrainerin bei einem der größten Sportvereine in Deutschland, dem Eimsbütteler TV. Sie beschrieb die Unterschiede zwischen dem Schulsport und dem Vereinssport in teilweise denselben Gebäuden. Dabei gebe es zuweilen ganz skurille Situationen: "In der Schule ist es so, dass wir da auch den Abstand wahren müssen und keinen Kontaktsport machen können und auch keine Geräte nutzen sollten. Und maßgeblich auch darauf zu achten ist, dass auch bei sportlichen Aktivitäten kein Kontakt zwischen den Schülerinnen und Schülern entsteht. Das lustige ist, wenn man um 16 Uhr dann aus der Schule rausgeht gelten andere Regeln. Dann können die Kinder oder Jugendlichen auch wieder regulär Sport treiben. Da gilt dann einfach nur eine Abstandsregel, die dann von den Verordnungen geregelt sind."

Michael Fahlenbock, Vorsitzender des deutschen Sportlehrerverbandes, betonte, dass den Sportlehrern momentan viel Verantwortung aufgebürdet werde, dabei sei es immer von Vorteil, wenn die Schulleitung den Sportlehrern den Rücken stärke und selber sportaffin ist.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Der Frankfurter Sportlehrer Schwab berichtete von Schwierigkeiten, dass Schüler im Sportunterricht die Masken nicht abnehmen würden, weil ihre Eltern ihnen gesagt hätten, in der Schule herrsche Maskenpflicht. Mit der Folge, dass die Kinder dann nicht am Schulsport teilnehmen würden. "Ich werde jetzt nicht hingehen und dem Kind sagen: Du musst jetzt trotzdem mitmachen. Um Gottes Willen. Aber auf Dauer, und wir können ja davon ausgehen, dass sich die Situation noch eine Weile so gestalten wird, weiß ich jetzt auch nicht. Ich weiß nicht, wie man den Kindern da gerecht wird, die jetzt auf längere Zeit auf Wunsch der Eltern, oder aus Angst der Eltern auf den Sportunterricht verzichten."
Schwimmunterricht fällt komplett aus
Oftmals könne das Elternhaus dann am Nachmittag den Sport im privaten Umfeld nicht mitorganisieren, was schon jetzt zu Übergewicht bei einigen Schülern geführt habe, sagte Schwab aus seiner Beobachtung. "Die sind nach den Sommerferien mit vielen Kilos extra wieder in die Schule gekommen. Und die machen dann gar nichts. Die bewegen sich überhaupt nicht mehr richtig, wenn sie nicht im Schulsport zumindest zwei Stunden in der Woche, angehalten sind, sich zu bewegen."
Ein Schild mit der Aufschrift "Platz gespresst" steckt im Rasen eines Vereinsspielfeldes
Sport und Corona: Quo vadis, Sportdeutschland?
Leere Turnhallen, geschlossene Schwimmhallen, gesperrte Plätze: Die Coronakrise hat massive Auswirkungen auf die organisierten Sport. Dem Nachwuchs fehlen Ziele, Experten befürchten mehr Badetote. Werden die Vereine die Zeit überleben? Oder droht dem Sport der Exodus?
Schwab schilderte auch die Problematik, dass derzeit der Schwimmunterricht komplett ausfalle, weil die Busunternehmen bis zu den Herbstferien die Beförderung der Kinder bis zum Schwimmbad eingestellt haben.
Mit bangen Blicken schauten die Pädagogen auch auf den Winter. Noch könne niemand absehen, wie der Sportunterricht sich in den kalten Wintermonaten gestalten werde, wenn man nicht mehr lüften oder Sport an der frischen Luft machen könnte.
Immerhin hätte der Sportunterricht von Kinderseite aber einen höhreren Stellenwert durch die Corona-Pause bekommen, sagte Fahlenbock, Vorsitzender des deutschen Sportlehrerverbandes. "Viele freuen sich, wenn sie gemeinsam etwas machen", sagte Fahlenbock. Bei den Entscheidern sei die aber defintiv nicht der Fall. "Da bin ich desillusioniert", sagte er.