Donnerstag, 28. März 2024

Sportwissenschaftler Alkemeyer
Ohne Druck und für eine weltoffene Gesellschaft

Der Sportwissenschaftler Thomas Alkemeyer hat die geplante Leistungssportreform kritisiert. Er warnte in seinem Impulsreferat auf der 6. Sportkonferenz davor, dass sich die Verteilungskämpfe zwischen den Sportarten verschärfen könnten.

Von Jonas Panning | 15.11.2016
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    Der Sportsoziologe Thomas Alkemeyer auf der 6. Sportkonferenz des Deutschlandfunks (Jessica Sturmberg / Deutschlandradio)
    Der Oldenburger Sportwissenschaftler erinnerte eingangs an die Grundpfeiler des Fördersystems. Diese hätten ihre Wurzeln im Kalten Krieg. Damals sei es auch um weltweite Erfolge im Spitzensport gegangen. "Mit Medaillen sollten Reputationsgewinne für die feindlich sich gegenüberstehenden wirtschaftlichen und politischen Lager eingefahren werden. Tatsächlich eignet sich der Sport fantastisch für diese Zwecke", so Alkemeyer.
    Der Wissenschaftler erinnerte daran, dass auch die Bundesrepublik vor allem im Hinblick auf die Olympischen Spiele 1972 in München eine neue Förderstruktur eingerichtet hatte. Zuvor waren die Ostblockstaaten und das Team der DDR im Medaillenspiegel der BRD weit davon geeilt. Staaten, die ihren Sport finanziell großzügig förderten und damit auch steuerten. Laut Alkemeyer profitierten davon beide Seiten: "Der Staat investierte in den Sport als Mittel nationaler Repräsentation; und der organisierte Sport nutzte die Politik, um an knappe Ressourcen heranzukommen."
    Alkemeyer: Wirtschaftliche Interessen stehen im Mittelpunkt
    Mit der geplanten Reform im deutschen Leistungssport ging der Sportwissenschaftler im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks hart ins Gericht. Er warf der Politik allein wirtschaftliche Interessen vor: "Übergeordnetes Ziel ist die planwirtschaftliche Fabrikation einer nationalen Sportelite, welche die 'Wirtschaftskraft' (Bundesinnenminister Thomas de Maiziére) der Bundesrepublik auch auf den Bühnen des internationalen Spitzensports zu beglaubigen in der Lage ist."
    Alkemeyer warnte davor, dass sich die Verteilungskämpfe zwischen den Sportarten verschärfen könnten. Außerdem würde durch die Spaltung in Sieger und Verlierer und der ungleichen Verteilung von Ressourcen den schwachen Disziplinen jede Chance genommen, um später noch zu den starken aufzuschließen.
    Die 6. Sportkonferenz im Deutschlandfunk

    Die Sportkonferenz im Kammermusiksaal im Kölner Funkhaus dreht sich um die geplante Spitzensportreform. Ein Auszug aus der Begrüßungsrede von Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks: "Was kann eine Gesellschaft von Athleten erwarten, wo müssen diese Athleten sportlich, beruflich, menschlich gefördert werden - auch für ein Leben danach? Sie gehen ein Lebensrisiko ein, wir spendieren Anerkennung und erwarten Gold - indes: Sind die Modelle, die in Rede stehen, sinnvoll? Sind sie langfristig gedacht, orientieren sie sich an menschlicher Leistung und an Lebenssituationen von Sportlern in allen Disziplinen. In allen...?!"
    Der Druck auf die Athleten wird steigen
    Durch die Investitionen in die Sportler, steigt nach Alkemeyers Ansicht der Druck auf die Athleten. Außerdem wies er auf die Problematik hin, dass Konkurrenten ihre Medaillen mit unsauberen Mitteln erringen: "Nur, wenn sich das System durch öffentlichkeitswirksame Strafen für überführte Doper als sauber präsentiert, lässt sich eine steuerfinanzierte Sportförderung rechtfertigen."
    Die Reform spiele zudem einer Bewegung in die Hände, die Sehnsucht nach Anerkennung durch Nationalstolz stillen möchte: "Im Zeitalter eines längst wieder wütenden Nationalismus, von Abschottung, Rechtspopulismus, Trump und AfD, könnte gerade der Sport mit seiner Popularität etwas entgegensetzen - durch eine neue, nachnationale Symbolpolitik, die auf Hymnen, Fahnen und Medaillenspiegel bewusst verzichtet, um demgegenüber eine moderne, offene Weltgesellschaft heterogener Individuen zu feiern."
    Alkemeyer schlug unter anderem vor, die Förderung an Leistungsnormen zu koppeln – statt an Erfolgspotenziale und Podiumsplätze. Zudem solle jedem Athleten seine Karriere- und Lebensplanung selbst überlassen bleiben. Der Erfolgszwang wäre dadurch nicht so groß und die Förderung verantwortungsbewusster. Schließlich verringere sich auch die Kluft zwischen Leistungs- und Breitensport.