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Sprachcheck im Kindergarten

In den vergangenen Wochen wurden in den nordrhein-westfälischen Kindergärten alle Vierjährigen zum Sprachtest gebeten. Ziel der Sprachstandserhebung: im Vorschulalter sprachliche Defizite aufdecken und beheben. Doch vor allem die schlechte Vorbereitung wurde von den Pädagogen vor Ort kritisiert.

Von Svenja Üing | 07.04.2007
    Gaby Dittrich: "Dann nimmt die Maja jetzt mal ihr blaues Püppchen und geht mal weiter zum nächsten blauen Punkt, den Weg lang. Den Zooweg, siehst du den?"

    Geduldig hat die vierjährige Maja gewartet bis ihre Freundinnen Greta, Nora und Amelie mit ihren Spielzügen fertig sind. Jetzt ist Maja selbst an der Reihe. Mit ihrem blauen Spielpüppchen zieht sie auf dem Spielbrett vorbei an den Delfinen und rückt vor bis zum Giraffengehege. Erzieherin Gaby Dittrich hilft ihr dabei.

    "So, und dann kannst du mir bitte die blaue Giraffenkarte geben. Jetzt kannst du der kleinen Giraffe einen Namen geben. Ich sage Dir's jetzt vor. Ich ruf zuerst und dann kannst Du rufen. Gula. Gula. Fari. Fari …” "

    Die kleine Giraffe auf dem Spielbrett ist noch namenlos. Majas Aufgabe ist es, ihr den richtigen Namen zu geben. Gaby Dittrich liest die Fantasie-Namen von der Spielkarte ab und Maja spricht sie nach. Das wird mit jedem neuen Namen ein bisschen schwieriger.

    ""… Klediga. Klediga. Fupalomi. Fupalomi. Gonilewo. Gonilewo."

    Maja, Greta, Nora und Amelie besuchen den Kindergarten Wunderwelt in Wermelskirchen. Für sie ist "Ein Besuch im Zoo" nur ein Spiel. Manchmal können sich die vier vor lauter Kichern über Fantasie-Namen und Quatsch-Sätze kaum auf den Stühlen halten. Dass es hier eigentlich um ihre aktiven und passiven sprachlichen Fähigkeiten geht, scheinen sie nicht zu ahnen. Die fantasievollen Giraffennamen sind teil eines Sprachtests:

    "Weil man auch, gerade auch bei diesen Fantasiewörtern da doch mal klar und deutlich wird, was fehlen da für Vokale, wo verschlucken sie Buchstaben, das ist dann doch noch ein gezielteres Hören und Gucken."

    Bei der Giraffen-Übung stehen die phonologischen Fähigkeiten der Vierjährigen im Mittelpunkt. Außerdem soll der "Besuch im Zoo" offen legen, wie groß deren Wortschatz ist, ob sie einfache verbale Aufgaben richtig in die Tat umsetzen und wie sicher sie den deutschen Satzbau beherrschen.

    "Quatsch-Sätze muss man manchmal zweimal hören. Ich lese noch einmal vor. Abends hört der liebe Tisch einen Schrank. Jetzt könnt ihr lachen."

    180.000 Vierjährige werden auf diese Weise NRW-weit getestet – mit dem Ziel, schon im Vorschulalter sprachliche Defizite aufzudecken und zu beheben. Der Kindergarten Wunderwelt lege ohnehin großen Wert auf die sprachliche Förderung der Kleinsten, sagt Leiterin Birgit Fischer. Die landesweite Sprachstandserhebung hält sie deshalb für sinnvoll:

    "Es wird sicherlich für viele Einrichtungen, für viele Erzieher noch mal mehr in den Mittelpunkt gerückt der alltäglichen pädagogischen Arbeit."

    Während des Spiels werden die Erziehrinnen von einer Grundschullehrerin unterstützt, die alles protokolliert. Gerade weil der Test aber so wichtig sei, hätte sich Birgit Fischer eine bessere Vorbereitung gewünscht.

    "Wenn man sich überlegt, wie diese Vorbereitung gelaufen ist, dann ist das schon sehr lachhaft. Das wird sicherlich auch jeder bestätigen, auch die Lehrer, die Schulen, die damit beauftragt sind vom Schulamt. Ja, die haben das einmal durchgespielt und haben einmal diese Bögen, die sie halt brauchen, um dann die Kinder in einzelnen Punkten einzuschätzen, haben sie einmal gesehen und haben’s vielleicht einmal durchgespielt und einmal ausprobiert."

    Protokollantin für die Kita Wunderwelt ist Grundschullehrerin Anna-Lara Laufer. Ihren Unterricht übernehmen in der Zeit ihre Kollegen. Warum sie, als Lehrerin, das macht und nicht eine der Erzieherinnen, weiß sie nicht. Für die Auswertung berät sie sich jedenfalls noch einmal mit den Mitarbeiterinnen der Wunderwelt:

    "Weil man gar nicht alles auf einmal mitbekommt. Ich muss alles mitschreiben, ich muss jedes Wort mitschreiben, ich muss genau hören: Wie spricht das Kind welches Wort aus, manchmal sind die Sätze ja auch nicht ganz vollständig, dann muss ich genau das richtige Wort weglassen, das das Kind auch weggelassen hat, gleichzeitig soll ich darauf hören, wie’s das ausspricht, ob es Laute verschluckt. Ich finde, das ist sehr umfangreich."

    Ihre Erfahrungen mit dem Test wird Anna-Lara Laufer, wie alle anderen Protokollanten, an die Uni Dortmund schicken, die das Verfahren entwickelt hat. Da werden dann wohl auch die Punkte einfließen, die die junge Lehrerin noch für verbesserungswürdig hält. Zum Beispiel der Aufgabenstellung fürs freie Erzählen.

    "Also wenn Kinder von sich aus erzählen, ist das was ganz anderes. Und da kann eben auch spontanes Erzählen abhören mehr als jetzt hier in einer dargestellten Situation. Wenn man mit Kindern ein Bilderbuch anguckt, dann sagen die auch: ein Mann, Vögel – dann wissen die trotzdem nicht, dass sie da eine Geschichte dazu erzählen sollen."

    Nur wenige Minuten nach ihrem "Besuch im Zoo" können sich die Freundinnen und Freunde von Maja, Greta, Nora und Amelie übrigens schon gar nicht mehr an die vielen Details auf dem Spielbrett erinnern. Da sind sie längst wieder in ihre eigene Spielewelt abgetaucht.