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"Sprung nach vorne"

Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt (SPD), erwartet eine Verbesserung des Verhältnisses beider Länder durch den Regierungswechsel in Berlin. "Es wird auf jeden Fall die Atmosphäre sich verbessern", sagte Voigt am Mittwoch im Deutschlandfunk. Es werde einen "Sprung nach vorne geben". Die Sachfragen blieben hingegen die gleichen, "und da wird es sehr viel Kontinuität geben".

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Mitgehört hat Karsten Voigt, er ist Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Herr Voigt, Sie haben es gehört: Paris, Berlin, Warschau und auch dies, vielleicht mehr USA weniger Russland. Wird es eine Akzentverschiebung in den deutsch-amerikanischen Beziehungen geben?

    Karsten Voigt: Es wird auf jeden Fall die Atmosphäre sich verbessern. Die Sachfragen werden die gleichen sein, die man lösen muss und da wird es sehr viel Kontinuität geben. Aber bei der Atmosphäre hat sich in der Vergangenheit durch den Besuch Präsident Bushs in Mainz schon sehr viel verändert, da ist man doch wieder näher auf einander zugegangen. Aber da wird es jetzt einen Sprung nach vorne geben, denn wenn es irgendwelche Vorurteile in den USA gegenüber Frau Merkel gibt, der neuen Bundeskanzlerin, dann sind das positive Vorurteile. Also, wenn sie mit etwas zu kämpfen hat, dann vielleicht, dass es zu große Erwartungen sind nicht dass es zu geringe Erwartungen sind.

    Durak: Sind das rein parteipolitische Überlegungen?

    Voigt: Nein, das hängt mit etwas anderem zusammen. Die... Bundeskanzler Schröder hatte ja exzellente Beziehungen zu Clinton, zu Präsident Clinton, aber der Sachkonflikt über den Irakkrieg hat auch die persönlichen Beziehungen zeitweilig sehr belastet zwischen Präsident Bush und Bundeskanzler Schröder. Das hat sich dann in der letzten Zeit wieder eingerenkt, da gab es wieder enge Arbeitskontakte. Aber die Erinnerung an diesen Konflikt ist natürlich geblieben. Und bei Angela Merkel ist es so, dass sie selber im Wahlkampf gesagt hat, sie will die Beziehung verbessern, man weiß dass sie aufgrund ihrer Herkunft aus der ehemaligen DDR und dem Kontext in dem sie dort groß geworden ist, eine positive Grundeinstellung gegenüber den USA hat. Und aus dem Grunde geht man sozusagen mit großen Erwartungen auf sie zu. Und man will die Chance dieser neuen Bundesregierung, auch des neuen Außenministers - der alte hatte ja auch enge Kontakte zu den USA - Herr Steinmeier will auch enge Kontakte haben und die noch intensivieren. Also von diesem Paar her gesehen hat man in den USA doch relativ große Erwartungen.

    Durak: Erwartet man einen willigeren Partner zu haben in und mit der neuen Bundesregierung?

    Voigt: Also, ich glaube die Fachleute sind sich da einig, dass man mit einem selbstbewussten Deutschland zu rechnen hat. Der ehemalige amerikanische Außenminister Kissinger hat ja in den letzten Tagen meiner Meinung nach völlig zu Recht geschrieben, dass sich die geostrategische Lage Deutschlands verändert hat. Und Deutschland jetzt als Exporteur - wie ich das zu sagen pflege - von Sicherheit gefragt ist und nicht als Importeur von Sicherheit. Und damit ist Deutschland relativ gesehen, relativ, es ist immer noch abhängig von den USA, aber doch weniger abhängig als während des Kalten Krieges. Und das bedeutet, dass Deutschland natürlich auch unter einer Kanzlerschaft von Angela Merkel und einen Außenminister Steinmeier als selbstbewusster Partner - nicht als Gegenpol - aber als Partner in den USA auftreten wird. Und das wissen die Fachleute in Washington auch.

    Durak: Können Sie sich vorstellen, Herr Voigt, dass Steinmeier - SPD, Merkel - CDU, dass die große Koalition vielleicht zerbricht, aber zumindest schwer zu kämpfen hat, wenn es um einen möglichen erneuten Waffengang der USA und die Frage: "Tut ihr mit Deutschland?", geht.

    Voigt: Da kann ich Ihnen nur sagen, ich sehe solchen Waffengang zur Zeit nicht. Ich sehe zwar, dass darüber sehr viel diskutiert wird. Aber ich sehe ihn nicht. Ich sehe nicht die Leute in den USA, die ernsthaft vorhaben zur Zeit einen Konflikt, und darüber reden wir dann ja, wenn wir Tacheles reden, gegenüber dem Iran, sondern in den USA ist man zur Zeit doch sehr darum bemüht das Engagement der Deutschen, der Briten, und der Franzosen und der EU insgesamt gegenüber dem Iran zu unterstützen.

    Durak: Haben wir noch Syrien.

    Voigt: Ja, aber auch dort sehe ich nicht, dass dort jetzt in den USA primär an Waffen gedacht wird, also an Krieg oder an bewaffnetes Eingreifen, sondern dort geht es um politischen Druck und da arbeiten zum Beispiel Franzosen und Amerikaner sehr eng zusammen und die Deutschen unterstützen dies auch.

    Durak: Könnten man nicht von vornherein signalisieren, welcher Waffengang auch immer - ohne uns?

    Voigt: Also, da finde ich das wäre eine falsche Aussage. Denn wir haben doch in der Vergangenheit selber zum Beispiel im Kosovo mit den Amerikanern gemeinsam bewaffnete Gewalt angewandt. Das war auch eine der ersten Bewährungsproben der rot-grünen Koalition 1998/99. Und das gleiche gilt jetzt auch das in Afghanistan zusammen mit den Amerikanern, aber auch mit vielen anderen Europäern zur Stabilisierung der Lage beitragen, weil dort deutsche Soldaten Waffen tragen, manchmal auch einsetzen, damit dort Frieden herrscht. Also, diese abstrakte Aussage, ganz unabhängig von der Situation: es darf nie bewaffnete Gewalt einsetzen - das ist nicht der Gegenstand deutscher Politik heute mehr.

    Durak: In beiden Beispielen gab es vorher gemeinsame Entscheidungen. Ist das die gleiche Augenhöhe, wenn wir dies wieder von der Bundesregierung erwarten, dass man gemeinsam mit den Amerikanern vorher entscheidet?

    Voigt: Da haben Sie einen ganz wichtigen und einen richtigen Punkt gesagt. Dank Kosovo wurde diese Frage intensiv in der NATO vorbereitet und auch diskutiert und es gab eine gemeinsame Haltung der NATO. Das heißt, dass diese Bundesregierung - genau wie übrigens das schon Bundeskanzler Schröder gesagt hat - dafür ist, dass die NATO wieder zum zentralen Ort solcher Diskussionen wird, und damit insbesondere der NATO-Rat. Es muss also wieder in das Bündnis hineingetragen werden. Das atlantische Bündnis muss auch politisch wieder relevanter werden. Und dann muss es dazu natürlich, weil die Europäische Union heute eine größere Rolle spielt, auch intensive Beziehungen zwischen der NATO und der Europäischen Union geben und zwischen der Europäischen Union und den USA. Alles das muss auf die Agenda, das heißt es geht nicht einfach darum die transatlantischen Beziehungen in der alten Form zu feiern, sondern es geht darum sie angesichts neuer Herausforderungen fit zu machen, um diese Herausforderungen zu bewältigen und zwar gemeinsam und da muss es dann in der Sache enge Konsultationen geben. Das heißt wir müssen die Amerikaner als die unverzichtbare Nation akzeptieren, aber die Amerikaner müssen auch akzeptieren, dass Europa ein unverzichtbarer Partner ist, der eigene Meinung hat, der sie einbringen will, der auch gehört werden will, und das gilt auch insbesondere auch für Deutschland.

    Durak: Karsten Voigt, Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Besten Dank, Herr Voigt, für das Gespräch!