Dienstag, 19. März 2024

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Sri Lanka
Social-Media-Blockaden gegen Falschnachrichten

Die Behörden in Sri Lanka haben nach den Attentaten am Sonntag Dienste wie WhatsApp, Instagram und Facebook im Land geblockt. Damit wolle man verhindern, dass sich über Social Media Falschnachrichten verbreiten, so die Regierung. Die Wirkung solcher Social-Media-Blockaden ist allerdings umstritten.

Silke Diettrich im Gespräch mit Christoph Sterz | 23.04.2019
In der Nähe des St. Anthony's Shrine in Colombo sitzen vier Anwohner auf dem Boden und lesen Zeitungen, in denen über die Anschläge in Sri Lanka vom 21. April berichtet wird.
Sri Lanker lesen am Tag nach den Anschlägen vom 21. April in der Zeitung über die Attentate - Social-Media-Dienste wie WhatsApp waren zu diesem Zeitpunkt schon gesperrt (Jewel Samad / AFP)
"Mir wurden über WhatsApp Information geschickt, laut denen Muslime die Selbstmordattentäter waren, obwohl die Regierung zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Namen herausgegeben hat. Hätte man Social Media nicht abgeschaltet, hätte das zu Angriffen auf Muslime führen können" - so zitiert der Guardian einen Sri-Lanker, der es begrüßt, dass die Regierung nach dem Attentat am Sonntag die Social-Media-Dienste im Land geblockt hat. Laut einem offiziellen Statement des Sprechers des Präsidenten laufe die Blockade so lange, bis die Untersuchungen abgeschlossen seien.
Es ist nicht das erste Mal, dass in Sri Lanka WhatsApp, Facebook und Instagram gesperrt werden. Im März 2018 wurden die Dienste des Facebook-Konzerns nach anti-muslimischen Protesten und Ausschreitungen mit zwei Toten und Verletzten ebenfalls blockiert - aus Angst vor Falschnachrichten und Gerüchten, die noch mehr Hass schüren könnten.
"Die Regierung hat da einfach schlechte Erfahrungen gemacht, gerade mit Facebook und WhatsApp", sagte die Südasien-Korrespondentin Silke Diettrich im Gespräch mit mediasres. Damals sei in Fake News heftig gegen Muslime gehetzt worden. "Damit die Stimmung dieses Mal nicht wieder so angeheizt wird, vor allem in den Sozialen Netzwerken, haben sie die Seiten lieber mal gesperrt."
Indien: 116 Internet-Abschaltungen im Jahr 2018
Ein Problem, dass man im Nachbarland Indien schon länger kennt - und das auch dort mit dem Blocken von Social Media oder dem Abschalten des kompletten Internets bekämpft werden soll. Dort benutzen 200 Millionen Menschen WhatsApp, und nirgendwo auf der Welt wird auf WhatsApp mehr Content weitergeleitet als Indien.
"Was absolut angesagt ist hier in der Region, sind WhatsApp-Gruppen. Meine Kollegen hier in Indien sind alle in mindestens 50 solcher Gruppen, und da sind dann immer sehr viele Leute drin - das heißt die können in null Komma nichts Nachrichten verteilen. Und ob die echt sind oder nicht, das kann natürlich nicht jeder einschätzen", so Diettrich.
Dadurch verbreiten sich Gerüchte und Falschnachrichten in Indien manchmal wie ein Lauffeuer - wie zum Beispiel im Sommer 2018. Damals zirkulierte die Falschnachricht, dass in ganz Indien Kinder von Kidnappern verschleppt würden. Mobs zogen daraufhin durch die Straßen und töteten in verschiedenen indischen Regionen über 30 Menschen.
In Indien wurde deshalb alleine im Jahr 2018 insgesamt 116 Mal das Internet abgeschaltet, so das Software Freedom Law Center (SFLC) aus Neu-Delhi. Die indische Regierung gibt an, durch die Abschaltungen Gewalt verhindern zu wollen - warum genau das Netz in den jeweiligen Fällen abgeschaltet wurde, bleibt aber undurchsichtig.
Internet-Blockaden oft intransparent
"Immer, wenn es irgendwo einen Protest gibt - egal ob friedlich oder nicht - schalten die Behörden als erstes das Netz ab, damit es keine Kommunikation geben kann", so ein Sprecher des SFLC gegenüber dem Magazin Wired.
Die Abschaltung des Internets oder das Sperren von Social-Media-Dienste sind zwiespältige Maßnahmen. Das Risiko von Gewalt und Falschnachrichten auf der einen Seite, der Zugang zu Informationen auf der anderen. Im Guardian warnt Joan Donovan, die Leiterin des Projekts für Technologie und sozialen Wandel am Harvard Kennedy School Shorenstein Center davor, im Sperren von Social Media ein Allheilmittel gegen Desinformation zu sehen.
"Wir Wissen aus der Vergangenheit, dass die Menschen in Krisen online gehen, um Informationen zu finden. Wenn es eine große Zahl von Opfern und mehrere Notfälle gibt, ist es sehr wichtig für Menschen, eine Möglichkeit zur Kommunikation zu haben und sich sicher zu fühlen."
Das hat auch Südasien-Korrespondentin Diettrich beobachtet. "Viele nutzen ja gerade nach solchen Attacken Social Media, um zu sagen, dass sie sicher sind."
Abwägung von Gefahrenpotenzial und Informationsfreiheit
Bei Anschlägen wie denen in Sri Lanka sähen sich Regierungen deshalb komplexen Situation gegenüber, so John Ozbay, Chef der Verschlüsselungsdienstes Cryptee, gegenüber dem Guardian.
"Ich verstehe, warum die sri-lankische Regierung das getan hat, aber es ist traurig, dass die Gefahr ethnischer Gewalt gegen den freie Zugang zu Informationen abgewogen werden muss".
Dass Konzerne wie Facebook das Problem der Desinformation auf Social-Media-Plattformen mit Fact-Checkern oder Beschwerdestellen selbst in den Griff bekommen, bezweifelt Silke Diettrich.
"Das sieht man auch in anderen Ländern, aber hier ist es einfach nochmal schwerer, weil es diese vielen Sprachen gibt. Und wenn man da einfach nur sagt: Wir setzen jetzt - ich glaube bei WhatsApp sind es ca. 40 Leute - hin, dann ist das ein absoluter Witz, wenn man das mit dem vergleicht, wie viele Millionen Nachrichten hier am Tag verschickt werden."