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Staatliche Förderung
"Schulen in freier Trägerschaft werden oft vergessen"

Das Grundgesetz garantiere zwar die Existenz und Förderung freier Schulen, bei der Umsetzung in den einzelnen Bundesländern gebe es aber große Unterschiede, sagte Andreas Wegener vom Verband Deutscher Privatschulen im DLF. Er forderte mehr staatliche Unterstützung.

Andreas Wegener im Gespräch mit Michael Böddeker | 18.09.2015
    Ein Schüler einer dritten Klasse der Evangelischen Grundschule in Frankfurt (Oder) meldet sich beim Deutschunterricht, aufgenommen am 14.01.2009.
    Schüler einer dritten Klasse der Evangelischen Grundschule Frankfurt (Oder): Die freien Schulen haben es nach Ansicht von VDP-Chef Wegener nicht leicht. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Michael Böddeker: Heute findet in Deutschland der Tag der freien Schulen statt. Freie Schulen, das sind Schulen in freier, also nicht staatlicher Trägerschaft, manchmal werden sie auch einfach als Privatschulen bezeichnet. In mehreren Bundesländern gibt es heute zum Tag der freien Schulen Aktionen, unter anderem auch in Berlin. Andreas Wegener ist Vorsitzender des Berliner Verbands Deutscher Privatschulen, VDP, der den Tag organisiert. Ihn habe ich vor der Sendung gefragt, wie es denn den Privatschulen in Deutschland gerade geht.
    Andreas Wegener: In jedem Bundesland anders. Das Grundgesetz garantiert ja die Privatschulfreiheit, dass Schulen in freier Trägerschaft gegründet werden können unter klaren Voraussetzungen, aber natürlich hat jedes Bundesland Interpretationshoheit, wie es damit umgeht. Wir können registrieren, dass ein wachsender Anteil von Eltern sich für Schulen in freier Trägerschaft unterschiedlichster Couleur entscheidet, und insofern haben wir heute ungefähr eine Million Schülerinnen und Schüler, die an allgemeinbildenden Schulen zur Schule gehen, und die Unterstützung ist sehr, sehr unterschiedlich – von Land zu Land, von Region zu Region gibt es mehr oder weniger Unterstützung.
    Böddeker: Was ist denn heute geplant für den Tag der freien Schulen?
    Wegener: Neben der Auftaktveranstaltung am Deutschen Theater finden in vielen Städten und Gemeinden Tage der offenen Tür statt, Veranstaltungen – nicht nur heute, auch in den nächsten Wochen wird das stattfinden. In Hamburg wird es einen großen Flashmob geben, wo sich viele Leute vor dem Rathaus einfinden. Insofern zeigen die Schulen in sehr unterschiedlicher Art und Weise Präsenz, öffnen ihre Türen und sind zum Gespräch bereit.
    "Die Regelung der Teilfinanzierung wird sehr unterschiedlich umgesetzt"
    Böddeker: Warum gibt es überhaupt diesen bundesweiten Tag der freien Schulen? Also knapp zehn Prozent der Schüler bereits eine Privatschule, die Nachfrage vonseiten der Eltern ist aber offenbar sogar noch größer. Warum also wollen Sie heute noch mal Werbung für diese Schulen machen?
    Wegener: Uns geht es darum, deutlich zu machen, dass auch die Schulen in freier Trägerschaft sehr aktiv sind, Initiativen zu entwickeln, wie man die Bildungsfragen der Zukunft behandeln kann. Die sehr unterschiedlichen Ansätze von katholisch, evangelisch, jüdisch, ganztags, Montessori, Waldorf oder wie sie alle heißen – viele probieren aus, wie man besser zurechtkommen kann mit der Anforderung, der Schulpflicht Genüge zu tun und die Kinder auf eigene Beine zu stellen. Und oft werden wir vergessen – oft werden die Schulen in freier Trägerschaft vergessen, oft werden sie in den Ländern, die ja die Hoheit haben, nicht mitberücksichtigt, wenn es um Regelungen geht und um die Freiheit, die die Schulen in freier Trägerschaft haben wollen und haben sollen, um neue Dinge auszuprobieren. Schauen Sie sich das Beispiel Ganztagsschule an! Jahrzehntelang erprobt, in kleinen Einheiten, heute übernommen von vielen. Früh Englisch, viele andere Arten sind erprobt worden, nicht nur bei freien Schulen, aber auch bei freien Schulen, die dann von allen anderen übernommen werden oder von vielen anderen übernommen werden, die eine zeitgemäße, angemessene Bildung ermöglichen. Und heute, in Zeiten der Digitalisierung, muss man eigentlich alles noch mal völlig neu durchbuchstabieren und zu neuen Antworten kommen.
    Böddeker: Lassen Sie uns noch kurz über Geld sprechen. Freie Schulen finanzieren sich durch das Geld von den Eltern der Schüler und auch vom Land, die freien Schulen beklagen aber, das reiche nicht, und kämpfen für mehr. Warum?
    Wegener: Die Regelung der Teilfinanzierung, die das Grundgesetz in Aussicht stellt und umgesetzt werden soll in den Ländern, wird sehr, sehr unterschiedlich interpretiert. In den Haushalten lesen Sie ab, welche Zuwendungen freie Schulen bekommen, aber die Gelder für staatliche Schulen verstecken sich in verschiedenen Haushaltsansätzen. Insofern ist es richtig, es ist eine Finanzierung aus drei Quellen: aus dem staatlichen Zuschuss, der durch das Grundgesetz garantiert ist, durch Elternbeiträge und durch Trägeraktivitäten. Und weil die Unterschiede so groß sind, ist es wichtig, dort verlässliche Parameter zu haben, sodass man die Schule offenhalten kann für alle und gleichberechtigt und gleichwertig, wie es verlangt wird, mit staatlichen Schulen behandelt wird.
    Böddeker: Sagt Andreas Wegener. Er ist Vorsitzender des Berliner Verbands Deutscher Privatschulen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.