Bundespräsident Gauck sagte beim Staatsakt in Bonn: "Wir alle können uns ein Deutschland ohne Hans-Dietrich Genscher eigentlich nur schwer vorstellen." Genscher habe als Soldat im letzten Aufgebot der Wehrmacht nichts so sehr fürchten und hassen gelernt wie den Krieg. Die Arbeit für den Frieden und die Freiheit sei deshalb zum Leitmotiv seiner politischen Arbeit geworden. Der Bundespräsident erinnerte daran, wie Genscher vom Balkon der Prager Botschaft den DDR-Flüchtlingen bekanntgab, dass sie nach Westdeutschland ausreisen durften.
Nicht nur für die deutsche Einheit, sondern auch für die Einheit Europas habe Genscher sich eingesetzt, sagte Gauck. "Buchstäblich bis zum letzten Atemzug" habe er dafür geworben, dass Europa das glücklich und friedlich Erreichte nicht aufs Spiel setze.
Baker: Genscher wie Rockstar gefeiert
Der Nachfolger Genschers als Außenminister, der FDP-Politiker Klaus Kinkel, erklärte, Genscher sei ein Menschenfreund und ein Meister des Dialogs gewesen. Genschers Devise sei es gewesen: Nur wenn es den anderen Staaten gut gehe, könne es auch Deutschland gut gehen. Er habe unbeirrbar an die Wiedervereinigung geglaubt.
Der ehemalige US-Außenminister James Baker sagte, Genschers tiefgründige Weisheit und sein starkes Handeln hätten dazu beigetragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Er sei ein verlässlicher Partner und einer der besten Freunde der USA geworden. Nach der Wiedervereinigung sei er wie ein Rockstar gefeiert worden.
Weggefährte Hirsch: einer der "wirklich Großen"
Der frühere Bundestags-Vize Burkhard Hirsch würdigte ihn vor Beginn des Staatsakts im Deutschlandfunk als einen der "wirklich Großen" in der Bundespolitik. Genscher gehörte zu den Männern, die die deutsche Wiedervereinigung bewirkt hätten, sagte Hirsch. Ohne ihn wäre zum Beispiel die Schlussakte von Helsinki nicht ins Werk gesetzt worden. Mit diesem Vertragswerk akzeptierten 35 Staaten 1975 die Grenzen der Nachkriegsordnung. Burkhard Hirsch ist ein langjähriger Weggefährte Genschers.
Der Historiker Paul Nolte betonte ebenfalls im Deutschlandfunk, die bedeutendere Rolle für die Wiedervereinigung müsse man allerdings Altkanzler Helmut Kohl zubilligen. Das habe aber natürlich auch damit zu tun gehabt, dass Kohl an den Hebeln der Macht gesessen habe, betonte der Wissenschaftler von der Freien Universtität Berlin. Er nannte Genscher in diesem Zusammenhang den "Sous chef".
Staatsakt im Alten Plenarsaal des früheren Bundestags
Im Alten Plenarsaal in Bonn war die gesamte deutsche Staatsspitze vertreten, neben Bundespräsident Gauck sind auch Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundeskanzlerin Angela Merkel zugegen. Darüber hinaus waren zahlreiche weitere Ehrengäste. Der FDP-Politiker und langjährige Außenminister Hans-Dietrich Genscher war am 31. März im Alter von 89 Jahren gestorben. Aufgrund seiner besonderen Verdienste hat Bundespräsident Joachim Gauck einen Staatsakt angeordnet, ein Zeremoniell, das Ministern nur selten zuteil wird.
Genscher war von 1969 bis 1974 Innenminister und anschließend bis 1992 Außenminister. Er gilt als einer der Architekten der deutschen Einheit. Der "ewige Außenminister" - wie man ihn nannte - wurde 1927 in Reideburg geboren, das seit 1950 zu Halle an der Saale gehört. Begraben wird er in seinem Wohnort Wachtberg bei Bonn. Die Beisetzung ist jedoch nicht mehr Teil des Staatsaktes, sondern findet im privaten Rahmen statt.
(tgs/vic)