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Staatsgründung vor 70 Jahren
Indonesien, die Unabhängigkeit und die Pancasila

Am 27. Dezember 1949 wurde Indonesien nach fast 350 Jahren Kolonialherrschaft unabhängig. Vorangegangen war ein vierjähriger blutiger Krieg. Als wichtigster Baustein für die Unabhängigkeit des Landes und dessen Verfassung gilt bis heute die sogenannte Pancasila - was auf Sanskrit fünf Prinzipien bedeutet.

Von Matthias Bertsch | 27.12.2019
    Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag in Indonesien im August 2016. Die Flagge Indonesiens ist zwischen zwei Militärs zu sehen.
    Am 17. August 1945 erklärte sich Indonesien von den Niederländern unabhängig, es dauerte aber bis zum 27. Dezember 1949, bis die einstigen Kolonialherren die Unabhängigkeit anerkannten (picture alliance / AA / Junaidi Hanafiah )
    Amsterdam, am 27. Dezember 1949: In einem Festakt im königlichen Palast entlässt Königin Juliana der Niederlande Indonesien in die Unabhängigkeit. Auf indonesischer Seite wird der Souveränitätsvertrag von Ministerpräsident Mohammed Hatta unterzeichnet.
    "Majestät, ich hoffe, dass sich die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern, die hier auf der Grundlage vollständiger Freiheit, Gleichheit und Freiwilligkeit gegründet wurden, in einem Sinne entwickeln, der zu Wohlstand und Glück unserer beiden Völker führt."
    Ein angespanntes Verhältnis
    So höflich die Worte auch waren, das Verhältnis zwischen den beiden Ländern war angespannt. Die Niederlande hatten die Unabhängigkeitsbestrebungen der Indonesier bis zum Schluss erbittert bekämpft, schließlich hatten sie Niederländisch-Indien fast 350 Jahre lang als ihren Besitz betrachtet. Sie respektierten die religiöse und ethnische Vielfalt der zahllosen Inseln und ordneten alles einem Interesse unter: den lukrativen Gewürzhandel zu kontrollieren.
    Lokale Aufstände wurden unterdrückt, erst in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte sich ein nationaler Widerstand gegen die Kolonialmacht, so Alex Flor, der lange die Organisation Indonesia Watch geleitet hat.
    "Da gab es dann den sogenannten Tag des Jugendschwurs, wo sich 1928 Jugendliche getroffen haben und tatsächlich auch zum ersten Mal für einen Staat Indonesien eingetreten sind, für eine territoriale Einheit, für eine Sprache, die im ganzen Land gesprochen werden soll als einigendes Element, und aus dieser Bewegung heraus ist dann im Prinzip im Zweiten Weltkrieg die Befreiungsbewegung geworden."
    Anführer der Bewegung waren Mohammed Hatta und der spätere indonesische Präsident Sukarno. Beide waren durch das niederländische Bildungssystem geprägt und zugleich überzeugte Feinde der Kolonialmacht. Als Japan Niederländisch-Indien im Frühjahr 1942 besetzte, sahen sie sich ihrem Ziel nahe, und doch dauerte es weitere drei Jahre, bis Sukarno am 17. August 1945, zwei Tage nach der Kapitulation der Japaner, in Jakarta vor die Presse trat und die Unabhängigkeit des Landes verkündete.
    "Wir, die indonesische Nation, erklären hiermit die Unabhängigkeit Indonesiens. Die Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Machtwechsel werden sorgfältig und so zügig wie möglich erledigt."
    Das Grundprinzip des neuen Staates
    Das Grundprinzip des neuen Staates und seiner Verfassung war die Pancasila, was auf Sanskrit fünf Prinzipien bedeutet: Nationale Einheit, Humanismus, Demokratie und Soziale Gerechtigkeit. Das wichtigste Prinzip aber war der Glaube an einen Gott.
    "Es ist eigentlich nicht unbedingt die Festlegung auf eine bestimmte Religion, sondern es ist eben die Anerkennung von Spiritualität, die wichtig ist, und die vor allen Dingen ein einigendes Element sein soll für all die verschiedenen Religionen, die auf dem zusammengewürfelten Archipel Indonesien existieren.
    Und das war eben ein ganz wichtiger Baustein des Nation-Building, was Sukarno zurecht als die wichtigste Aufgabe erkannt hat: Jetzt mach aus diesem wirren Gebilde zusammengewürfelter Ethnien und Religionen einen Staat."
    In der Verpflichtung auf den einen Gott-Glauben steckten implizit zwei wichtige Aussagen. Erstens: Indonesien ist kein säkularer Staat. Und zweitens: Obwohl fast 90 Prozent der Bevölkerung Muslime sind, ist der Islam nicht die Staatsreligion des Landes. Christen, Hindus, Buddhisten und Konfuzianisten gelten ebenfalls als Ein-Gott-Gläubige.
    Die Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen haben in den letzten Jahren zwar deutlich zugenommen, doch die Pancasila ist bis heute das Prinzip, auf das sich fast alle einigen können.
    Mit Truppen gegen die Unabhängigkeit
    Die Niederländer wollten 1945 allerdings nichts von der Pancasila hören. Sie schickten nach der Kapitulation der Japaner Truppen, um sich ihren Besitz zurückzuholen. Es kam zu einem vierjährigen blutigen Krieg.
    "Die Indonesier hatten natürlich wesentlich mehr Leute und konnten im konventionellen Krieg den Holländern nicht standhalten, aber sie haben sich dann eben darauf verlegt, einen Guerilla-Krieg zu führen, die holländische Moral zu zersetzen und wirklich mit starker Überzeugung letztendlich es Holland unmöglich gemacht, diesen Krieg zu gewinnen."
    Schließlich mussten sich die Niederlande dem Druck der Weltöffentlichkeit und der USA beugen und ihre Kolonie im Dezember 1949 in die Unabhängigkeit entlassen. In Indonesien jedoch wird die Unabhängigkeit jedes Jahr am 17. August gefeiert.