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Staatsrechtler nennt Parlamentarier-Altersversorgung "luxuriös"

Der Staatsrechtler Ulrich Battis hat die vom Bundestag beschlossene Diätenerhöhung grundsätzlich begrüßt. Der Wissenschaftler kritisierte hingegen die "sehr luxuriöse Altersversorgung". Diese sei sogar noch verbessert worden. Jetzt gelange man schon nach einem Jahr im Bundestag in den Genuss eines Rentenanspruchs und nicht erst nach acht Jahren wie zuvor.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Die Bahn sagt, sie bietet den Lokführern zehn Prozent mehr Gehalt. Das ist ziemlich genau auch die Quote, um die die Diäten der Bundestagsabgeordneten angehoben werden. Sie haben das heute mit großer Mehrheit im Bundestag beschlossen. In zwei Stufen werden die Bezüge bis 2009 um exakt 9,4 Prozent angehoben. SPD und CDU hatten dieses Ergebnis ausgehandelt und sie verteidigen es damit, dass seit dem Jahr 2003 die Diäten nicht mehr angehoben worden sind. Außerdem würden die Altersbezüge gekürzt, wenn auch nur geringfügig, wie Kritiker meinen. Die Diäten steigen also bis 2009 um knapp zehn Prozent. Ein wenig wird auch die Altersversorgung im Gegenzug dafür gekürzt. Darüber möchte ich reden mit dem Staatsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität in Berlin. Guten Tag Herr Battis!

    Ulrich Battis: Guten Tag Herr Meurer.

    Meurer: Wie frei sind die Abgeordneten in ihrer Entscheidung, in welcher Höhe sie sich die Diäten erhöhen?

    Battis: Es gibt ja die eine oder andere Kommission, unter anderem vorher schon vom Bundespräsidenten eingesetzt, die gewisse Anregungen gegeben hat. Es gibt Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die bestimmte Leitplanken eingezogen haben. Aber im Kern sind die Abgeordneten ziemlich frei.

    Meurer: Welches sind die Leitplanken?

    Battis: Die Leitplanken sind erstens im Unterschied zu dem, was man gerade hören konnte, die: Sie müssen es selber entscheiden. Sie sind wirklich Gesetzgeber. Sie dürfen sich nicht einfach anpassen an die Beamtenbesoldung, wie das früher einmal war, dass man praktisch gar nicht selber entscheidet, sondern das übernimmt, was man für die Beamten festgelegt hat, und es soll eben auch keine solche Automatismen geben. Das sind die Punkte, die festliegen. Es hat andererseits auch Orientierungen an bestimmten Berufen gegeben. Das ist schon etwas kitzelig, weil es ja doch dann eine gewisse Annäherung an einen Automatismus darstellt, aber insgesamt ist das so, wie das jetzt vollzogen wird, durchaus akzeptabel und liegt innerhalb dieses Rahmens.

    Meurer: Warum sind 9,4 Prozent akzeptabel?

    Battis: Sie müssen einfach sehen: Es hat lange Zeit oder längere Zeit keine Erhöhung gegeben. Und das Argument, was ja jetzt auch in der parlamentarischen Debatte eine Rolle spielte: Es muss sich einfach auch für einen repräsentativen Kreis im Parlament lohnen, dass man dort hingeht, und es darf nicht so sein, dass ein Großteil der Abgeordneten dann finanzielle Einbußen erleidet, wenn sie bereit sind, ein Mandat zu übernehmen.

    Meurer: Im Kreuzfeuer der Kritik stehen ja weniger die Diäten selbst als die Altersversorgung. Hier sind ein paar Veränderungen vorgenommen worden. Wie einschneidend sind diese Änderungen?

    Battis: Das ist entschieden zu wenig. Ich denke auch darüber ist eigentlich unter den Experten Konsens. Es gibt schon lange die Meinung, dass die Diäten als solche durchaus erhöht werden können, wenn nur dafür die nun wirklich sehr luxuriöse Altersversorgung grundlegend verändert wird. Hier hat man denke ich einige Korrekturen, Schönheitskorrekturen vorgenommen. Man hat aber auch sogar noch Verbesserungen für die Abgeordneten vorgenommen, weil die Laufzeiten jetzt nicht erst nach acht Jahren, sondern schon nach einem Jahr beginnen. Das ist keine Reform gewesen; das ist ein ganz wenig Kosmetik. Dagegen muss man doch etwas sagen. Da gibt es ja auch Beispiele: Denken Sie an Nordrhein-Westfalen, wo man den Mut gehabt hat, solch eine Änderung vorzunehmen.

    Meurer: Dieser letzte Punkt, den Sie eben gerade genannt haben. Bisher musste man als Abgeordneter einmal wiedergewählt werden, eine zweite volle Legislaturperiode erreichen. Dann kam man auf die acht Jahre. Jetzt gibt es den Anspruch nach einem Jahr. Kann man das anders als damit begründen, dass jemand natürlich auch sonst schon nach einem Jahr Anspruch wenn auch auf eine geringe Rente bekommt?

    Battis: Ich störe mich ja gar nicht an dem einen Jahr. Nur es wird jetzt verkauft, man habe Abstriche bei der Versorgung gemacht. In dem Punkt nicht! Es ist in einem wichtigen Punkt kein Abstrich und Sie müssen eines bedenken: Die durchschnittliche Verweildauer von Abgeordneten im Bundestag sind eben nur acht Jahre und wenn ich sage "Durchschnitt", dann bedeutet das, da wir ja auch welche haben, die 20 und 24 Jahre im Bundestag sind, dass viele nicht auf die acht Jahre kommen, also die zwei Legislaturperioden.

    Meurer: Sollten Abgeordneten in ihre Rentenkasse selber einzahlen?

    Battis: Man sollte einfach davon ausgehen, wie es auch dem Konzept des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Abgeordneter sein ist ein Beruf auf Zeit. Das entspricht dem Prinzip von Wahlen. Man wird auch abgewählt. Es ist also eine typische Patchwork-Berufsbiographie und zu einer solchen Patchwork-Berufsbiographie zählt eben auch, dass bestimmte Zeiten, nämlich hier die Zeit im Bundestag, eingebracht werden in ein solches Gesamtsystem. Ob das nun eine völlig eigene Kasse ist, oder ob man das anschließt an etwas anderes, das sind Fragen technischer Natur. Man kann das auf jeden Fall machen und das wäre ehrlich!

    Meurer: Die Abgeordneten sagen, Beamten zahlen ja auch nicht in ihre Altersversorgung ein.

    Battis: Ja nun, die Abgeordneten sind aber keine Beamten. Das ist das erste und zweitens wird es bei den Beamten von Vornherein - darüber gibt es ja auch Berechnungen - abgezogen. Die kriegen von Vornherein eben entsprechend weniger, weil der Staat diese fiktiven nicht gezahlten Beiträge sich spart, aber nicht einzahlt. Da wird ja inzwischen neuerdings für die Versorgung auch bei den Beamten eingezahlt und die Beamten bekommen dafür sogar jetzt inzwischen auch schon Abzüge.

    Meurer: Also Sie plädieren, Herr Battis, dafür, Abgeordnete sollen einerseits selbst einzahlen, wenn natürlich auch nur für die Zeit, wo sie Abgeordnete sind. Das ist ja klar.

    Battis: Ja, so ist es!

    Meurer: Gibt es noch weitere zentrale Forderungen oder Vorschläge, wie die Altersversorgung aussehen könnte?

    Battis: Ja nun, man muss ganz ehrlich sein. Ein eigenes Versorgungswerk, das eben nicht diese außerordentlich günstigen Bedingungen hat, die wir jetzt haben, denn es ist ja so: die Versorgungen, die man nach acht Jahren bekommt, sind so hoch, dass da nun wirklich kein Normalmensch das vergleichen kann. Das können sie nur noch mit einigen Vorstandsmitgliedern in Unternehmen vergleichen. Das muss aber eigentlich nicht sein! Das andere, das muss man fairerweise auch dazu sagen: Wenn die Abgeordneten für ihre Versorgung selber aufkommen müssen, dann müssen die Diäten noch einmal erhöht werden. Das ist ja auch in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel so gemacht worden.

    Meurer: Der Staatsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität Berlin heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk, nachdem der Bundestag heute Morgen die Diäten um 9,4 Prozent angehoben hat. Herr Battis, schönen Dank und auf Wiederhören!