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Staatstheater Saarbrücken im Umbau-Fieber

Etwa 300 der 5000 Abonnenten hat das Staatstheater Saarbrücken durch seinen Umbau verloren. Doch auch neue Gäste haben die Saarländer hinzugewonnen, denn während der Bauarbeiten konnte sich das Ensemble auch anderswo im Land zeigen.

Von Tonia Koch | 12.08.2013
    Ausgeweidet, ihrer technischen Eingeweide beraubt, präsentiert sich die Bühne des Saarländischen Staatstheaters in der Umbauphase als dunkle Kathedrale. Vom Schnürboden unter der Kuppel bis hinunter in die Podiengrube sind es 34 Meter. Wer hier arbeitet, den darf das nicht schrecken.

    60 Leute, überwiegend von Firmen, die auf den Bühnenumbau spezialisiert sind, wuseln seit April dieses Jahres sieben Tage die Woche über Gerüste und provisorisch gesicherte Treppen. Sie bewegen tonnenschwere Stahlbauteile, an denen der Zahn der Zeit mächtig nagte. Die alte Stahlkonstruktion ist zum Teil 75 Jahre alt.

    "Wir haben bis jetzt 160 Tonnen Stahlbau herausgebracht und bereits über 300 Tonnen Stahl wieder eingebaut."

    Die Schnürbodenanlage wird erweitert und komplett elektrifiziert, dadurch ergeben sich andere Anforderungen an die Tragfähigkeit und die Statik der Stahlstützen, erläutert der technische Direktor des Hauses, Ralf Heid. Die zum Teil noch manuell zu bedienenden Prospektzüge gehören bald der Vergangenheit an, sie werden durch elektrische Züge, die größere Lasten tragen können, ersetzt.

    "Da werden Holzwände reingehängt, da werden Vorhänge reingehängt, die sogenannten Prospekte, also alles, was auf der Bühne wegfährt in den Himmel, wird hier eingehängt."

    Auch der Unterbau der Bühne, die neue Podienanlage schluckt Tonnen von Stahl. Allerdings hat die Leitung des Hauses auf den Einbau besonderer Raffinessen verzichtet, um nicht grundlegend in den Gebäudebestand eingreifen zu müssen und dadurch die Kosten in die Höhe zu treiben. Es bleibt bei vier Podien, die künftig allerdings auf Knopfdruck schräg zu stellen sind, und einem zusätzlichen Drehring. Diese Lösung sei im Sinne aller Beteiligten, so Heid.

    "Wir sind die Abläufe gewöhnt und die Bühnenbildner und Regieteams wissen, wie sie hier planen können. Diese Abläufe wollten wir nicht grundlegend ändern."

    Der Kaufmännische Direktor, Matthias Almstedt freut sich, dass er künftig keine Vorstellungen mehr unterbrechen muss, um schwebende Feen aus festgeklemmten Seilen zu befreien. Und er ist sichtlich erleichtert darüber, dass der Kulturminister des klammen Saarlandes bei Umbaukosten von insgesamt 15 Millionen Euro nicht aufmuckt. Bescheidenheit zahlt sich aus, glaubt Almstedt.

    "Wir haben nicht den Golf zum Mercedes gemacht, sondern haben unseren Golf state of the art gebracht, damit wir damit wieder ordentlich arbeiten können."

    Etwa eine Million Euro hat das Saarländische Staatstheater für Ersatzspielstätten aufgewendet, für Ballett-Produktionen im Theater Le Carreau im französischen Forbach und in längst still gelegten Industriebauten wie der alten Schmelz in St. Ingbert oder dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte.

    Eine glänzend aufgelegte Sofia Fomina, als Gilda, begeisterte das Publikum. Verdis Rigoletto, aufgeführt zwischen mächtigen Schwungrädern, stählernen Zeugnissen der Industriekultur, war in der Völklinger Gebläsehalle 19 Mal ausverkauft.

    "Wir haben auch gemerkt, gerade in Völklingen oder auch in St. Ingbert neues Publikum generiert zu haben. Leute auch, die aus der Umgebung kommen und die es toll fanden, dass das Staatstheater nicht in Saarbrücken spielt, sondern halt auch in ihre eigene Stadt kommt. Bezogen auf Frankreich war es auch ein positiver Effekt, weil wir konnten von Forbach aus bis nach Lothringen hineinstrahlen und sind dabei auch vom dortigen Theater sehr gut unterstützt worden."

    Möglicherweise soll es nach der positiven Zuschauer-Resonanz in absehbarer Zeit weitere Opernaufführungen in alternativen Spielstätten geben - allerdings nur dann, wenn der Kostenrahmen dadurch nicht aus den Fugen gerät.

    "Angedacht ist es auf jeden Fall und wir finden die Idee alle gut."

    Etwa 300 der 5000 Abonnenten hat das Staatstheater durch den Umbau verloren. Das sei zu verkraften, glaubt der kaufmännische Direktor. Noch nicht klar ist allerdings, wie sich der Weggang von Publikumsliebling Marguerite Donlon auswirkt. Die Ballettchefin hat nach über 10 Jahren ihren Vertrag zum 31. Juli vorzeitig aufgelöst. Nach Zerwürfnissen mit Generalintendantin Dagmar Schlingmann, die dem Wunsch Donlons nach mehr Eigenständigkeit für ihre Dance Company nicht nachkommen wollte, war das Tischtuch zerschnitten. Die Intendantin wollte an der Struktur des Staatstheaters mit den Sparten Schauspiel, Oper und Ballet nicht rütteln lassen und genießt die Rückendeckung der Landesregierung.