Archiv


"Stabiles Geld ist auch Sozialpolitik"

Die deutsche Wirtschaft erlebt nach den Worten von Bundesbankpräsident Axel Weber auch dank der Euro-Einführung einen kräftigen Aufschwung. Die Gemeinschaftswährung habe die Regierungen vieler Euro-Länder zu Reformen gezwungen. Kritik übte er an Plänen zur Änderung in der deutschen Bankenaufsicht.

Von Silvia Engels |
    Silvia Engels: Die Deutschen haben sie jahrzehntelang bewundert. Heute wird sie 50 Jahre alt. Die Rede ist von der Bundesbank. Mit ihrer Gründung 1957 übernahm sie die Oberhoheit über die bereits eingeführte D-Mark von der Bank Deutscher Länder. Und sie wachte über die Stabilität der noch jungen Währung, ausgesprochen erfolgreich. Die D-Mark wurde zu einer der stabilsten Währungen weltweit. Bis zum Jahr 2002, als der Euro kam und die D-Mark ablöste. Zugleich ging auch das Recht zur Gestaltung der Währungs- und Geldpolitik auf die Europäische Zentralbank über. Seitdem ist der Glanz der Bundesbank etwas verblasst. Am Telefon ist nun Axel Weber, der Präsident der Bundesbank. Guten Morgen, Herr Weber.

    Axel Weber: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Herr Weber, wenn Sie etwas einkaufen gehen und der Preis steht dort in Euro, rechnen Sie im Kopf manchmal unwillkürlich doch noch in D-Mark um?

    Weber: Das tue ich nicht mehr. Ich bin mittlerweile sehr gut an den Euro gewöhnt. Ich hab früher mal umgerechnet, nur zu Beginn der Währungsunion, insbesondere bei großen Käufen. Immobilienkauf zum Beispiel fiel in diese Zeit bei mir. Heute tue ich das nicht mehr.

    Engels: Spüren Sie denn heute am Jubiläumstag der Bundesbank eine gewisse Wehmut, wenn Sie so zurückschauen? Zum Beispiel auf die Zeit in den 80er und 90er Jahren, als die Deutsche Bundesbank mit ihrem Präsidenten und mit ihrer D-Mark die mächtigste Zentralbank in Europa war?

    Weber: Die spüre ich definitiv nicht. Ich habe mein Amt im Jahr 2004 angetreten, da war der Euro schon Realität. Ich wusste genau, dass die Bundesbank dort Teil des Eurosystems ist und ich wusste genau, dass ich zusammen mit den Kollegen der anderen Notenbanken und der EZB über die Zinspolitik entscheiden würde. Ich schaue insofern mit Bewunderung zurück auf die Historie der Bundesbank, die Hervorragendes geleistet hat. Aber für mich selbst war das nie eine Frage von Wehmut.

    Engels: Die Bundesbank hatte es ja nicht leicht. Sie musste seit ihrer Gründung gegenüber der Bundesregierung um ihre Unabhängigkeit kämpfen. Konrad Adenauer kritisierte Zinserhöhungen als Fallbeil, das die kleinen Leute treffe. Später bemühte sich Helmut Schmidt, die Macht der Bundesbank zu begrenzen. Auch Theo Waigel versuchte es mit einem Griff auf die Goldreserven. All diese Kämpfe hat die Bundesbank für sich entschieden. Warum und was kann man daraus lernen?

    Weber: Warum? Weil die Bundesbank unabhängig ist. In dem Zusammenhang vielleicht noch möchte ich aufräumen mit ein, zwei Missverständnissen, die in den Einschätzungen mancher Politiker zutage treten: Stabiles Geld per se ist auch Sozialpolitik. Unsere Erfahrungen zeigen doch, dass gerade kleine Sparer oft sehr schlecht in der Lage sind, sich gegen inflationsbedingte Geldwertverluste zu schützen. Und deswegen ist stabiles Geld gerade auch für diese Gruppe ganz wichtig, sie vor schleichender Enteignung durch Inflation zu schützen. Insofern sehe ich schon in dem Ansatz der Frage in dieser Fallbeil-Rede von Adenauer, die Sie gesehen haben, ein falsches Verständnis der Geldpolitik.

    Wir tun etwas, was allen nützt: Die Stabilität des Geldes zu bewahren. Das hat die Bundesbank 50 Jahre äußerst erfolgreich getan. Und das versuchen wir im Eurosystem in dieser Tradition der Bundesbank auch erfolgreich weiterzuführen.

    Engels: Die Vergangenheit der Bundesbank ist glorreich, doch die Zukunft vielleicht etwas ungewiss. Sie haben es angesprochen: Man ist Teil des Eurosystems. Aber die Bank steckt auch in einer Phase des Stellenabbaus. Da stellt sich mancher die Frage, wozu braucht man die Bundesbank in Zeiten des Euro überhaupt noch?

    Weber: Gerade die Frage ist natürlich schon im Ansatz falsch. Denn es ist ja so, dass durch die Schaffung des Eurosystems die nationalen Notenbanken integraler Bestandteil des Eurosystems geworden sind. Sie sind nicht etwa fremdkörperartige Überbleibsel einer vergangenen Voreurozeit, sondern sie sind konstitutiver Bestandteil des Eurosystems. Gäbe es die Notenbanken nicht, das hat der Fall Luxemburg gezeigt, müsste man sie erst gründen. Wir als Bundesbank haben eine lange, erfolgreiche Stabilitätstradition. Andere gehen mittlerweile in dieser Stabilitätstradition auch auf. Deswegen, die Frage ist eigentlich falsch gestellt.

    Das Eurosystem ist eine Gemeinsamverantwortung der Notenbanken für die Stabilität des Euros. Das hat die Alleinverantwortung der Bundesbank für die D-Mark abgelöst. Das ist ein qualitativer Übergang zu einem neuen System. Aber es ist keineswegs so, dass dadurch die Existenzberechtigungen der Notenbanken in Frage zu stellen ist. Das geschieht nirgends im Euro-Raum. Wenn es bei uns manchmal geschieht, ist es vor allen Dingen vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Bundesbank so überaus erfolgreich in Vergangenheit war. Wir versuchen mit dem Eurosystem, an diesen Erfolg der Bundesbank anzuknüpfen. Das ist uns bis jetzt ganz gut gelungen und ich hoffe, es wird uns weiter gelingen.

    Engels: Ist es also der Hauptverdienst der Bundesbank, dass nach ihrem Vorbild die Europäische Zentralbank gestaltet wurde, die ja in ihrer Unabhängigkeit, jedenfalls formal, noch stärker ist?

    Weber: Es ist richtig. Mit ein Teil der Verantwortung der Bundesbank ist die Einführung einer Stabilitätskultur, um sie auch für unabhängige Notenbanken zu etablieren, auch gegenüber der Politik. Wir haben dies erfolgreich in 50 Jahren in Deutschland betrieben und wir betreiben dies seit Beginn der Währungsunion, die übrigens schon 1999 war, es gab nur damals einen synthetischen Euro, die Währungen kamen erst 2002, wie Sie sagten. Aber wir betreiben diese Stabilitätsorientierung als Stabilitätsgemeinschaft erfolgreich seit ’99 für den Euro und daran hat die Bundesbank auch Verdienst, weiterhin. Wir entscheiden in den Gremien mit und, was wichtig ist, wir setzen die Entscheidungen des EZB-Rates, dem ich ja angehöre, für Deutschland als Notenbank um. Insofern haben sich unsere Aufgaben zwar leicht gewandelt, aber es gibt keineswegs einen dramatischen Übergang in den Aufgaben.

    Engels: Sie haben es angesprochen: Sie wirken innerhalb der EZB mit. Nun hat der französische Präsident Sarkozy in den vergangenen Wochen mehrfach gefordert, der Politik größeren Einfluss auf die Wechselkurspolitik der EZB zu geben. Wie bewerten Sie das?

    Weber: Sie haben vorher die verschiedenen Meinungen deutscher Politiker in Vergangenheit erwähnt, denen die Bundesbank auch widerstanden hat. Ich sehe dies als einen geldpolitisch nicht wichtigen Ansatz, zu sagen "es muss hier die Politik Einfluss auf die Geldpolitik nehmen". Ich halte das für vollkommen falsch.

    Ich glaube, dass insbesondere vor dem Hintergrund der gut verankerten Unabhängigkeit des Eurosystems, die, wie Sie sagen, besser im EG-Vertrag verankert ist, als noch zu Bundesbankzeiten, wo es in einem einfachen Gesetz verankert wird, uns die Rückendeckung gibt, unsere Geldpolitik unabhängig durchzusetzen. Es gibt in Europa keinen Konsens unter den Regierungen, hieran etwas zu ändern. Im Gegenteil. Wir haben in den letzten Wochen sehr viel Unterstützung und sehr viel Rückendeckung als Notenbank erfahren. Das hat uns gefreut, daran werden wir festhalten. Und ich glaube auch, dass die französische Politik sich hier nicht in eine Ecke manövrieren wird und Unmögliches fordern wird. Ich bin davon überzeugt, dass man den positiven Beitrag der Notenbank zu Geldwertstabilität in allen Teilen der europäischen Politik zunehmend würdigen wird, auch in Frankreich.

    Engels: Nun sehen ja Experten auch die Gefahr, dass die Stabilität des Euro-Raums dadurch bedroht sein könnte, dass die Leistungskraft der einzelnen europäischen Volkswirtschaften auseinander fällt. Und solche Entwicklungen kann man ja im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr durch Währungsauf-, oder -abwertungen ausgleichen. Hemmt diese Gefahr die europäische Wirtschaftsentwicklung oder ist das nicht so zentral?

    Weber: Das tut sie definitiv nicht. Ich darf vielleicht daran erinnern, dass wir vor drei Jahren noch eine Schlusslichtdebatte in Deutschland geführt hatten und dass eben befürchtet wurde, dass Deutschland sehr stark zurückgefallen ist, auch wegen der Entwicklung des Euros. Heute können wir sehr stolz auf eine Konjunktur blicken, die sich sehr dynamisch entwickelt. Der Euro schafft hier Anpassungszwänge innerhalb der jeweiligen Länder. Diejenigen, deren Wirtschaftskraft langsam ist, müssen an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Das sorgt für Wirtschaftsdynamik. Diese Länder holen dann auf und, wie im Falle von Deutschland, überschießen dann sogar die Wirtschaftsdynamik in anderen Ländern. Ich bin ja äußerst beruhigt, dass der Euro und das gemeinsame Währungsgebiet für genügend Anpassungsdruck sorgen bei den nationalen Politiken. Die Politiken müssen dann auch auf diesen Anpassungsdruck reagieren und durch nationale Reformen, wie wir dies begonnen haben, ihre Volkswirtschaften fit machen für den Euro-Zeitraum.

    Engels: Kommen wir noch einmal auf die nationale Politik zurück, zu einem etwas anderen Thema. Da gibt es nun einen Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung der Aufsichtskontrolle durch das Finanzministerium. Und dort ist unter anderem vorgesehen, dass zumindest in Teilbereichen die Aufsicht über die Bankenkontrolle durch die Bundesbank demnächst dem Finanzministerium unterstellt werden soll. Unterhöhlt die Bundesregierung hier Ihre Kompetenz?

    Weber: Ich würde das an dieser Stelle noch nicht würdigen. Es handelt sich hier um einen Referentenentwurf. Ich würde allerdings auch sagen, dass dies der falsche Weg wäre. Im Gegenteil. Ich halte unseren Beitrag, wie er in der Bankenaufsicht und zum Wohle der Finanzstabilität ist, in unmodifizierter institutioneller Form für richtig und geboten. Hier werden wir weitere Gespräche führen müssen, um die Politik davon zu überzeugen, dass das, was sich 50 Jahre bewährt hat, jetzt nicht geändert werden sollte. Dieser Bereich Bankenaufsicht ist nicht durch die Europäische Währungsunion betroffen. Wir werden hier Gespräche führen müssen. Aber ich hielte diesen Weg, den Sie skizziert haben, für falsch.

    Engels: Herr Weber, gibt es die Bundesbank noch in 50 Jahren?

    Weber: Es wird die Bundesbank noch in 50 Jahren geben. Aber wir werden uns wie die letzten sieben Jahre schon in der Währungsunion weiter wandeln. Wir werden die Bundesbank ausrichten auf die Erfordernisse des Eurosystems, so wie alle anderen Kollegen ihre Notenbanken ausrichten auf das Eurosystem. Wenn Sie die Aufgaben schauen, die die Bundesbank heute noch hat, dann ist in Vielem, was in Deutschland die Umsetzung der Geldpolitik betrifft, wo Eurosystem draufsteht Bundesbank drin. Das wird auch in 50 Jahren noch so sein.

    Engels: Axel Weber, der Präsident der Bundesbank zum 50. Geburtstag dieser deutschen Institution. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Weber: Ich danke Ihnen.