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Stadtentwicklung in Georgien
David gegen Goliath

Georgiens Hauptstadt Tbilissi wächst - und alte Jugendstilhäuser müssen hohen Glas- und Stahlpalästen weichen. Gegen den architektonischen Wildwuchs in der Millionenmetropole und für den Erhalt der Altstädte haben sich Initiativen gegründet. Mit ersten Erfolgen.

Von Andrea Lieblang | 24.07.2018
    Ausverkauf von Grund und Boden in der Altstadt von Tiflis?
    Ausverkauf von Grund und Boden in der Altstadt von Tiflis? (imago / stock&people)
    Immer wieder hält Aleko Elisaschwili in der Altstadt ein Schwätzchen mit den Bewohnern. Sie schätzen ihn, weil sie wissen, dass er sich für sie einsetzt. Jahrelang saß der Mittvierziger als parteiloser Abgeordneter im Stadtparlament und stritt für den Erhalt der berühmten Altstadt mit ihren Jugendstilhäusern, den hölzernen Balkonen, den Innenhöfen. Und auch nach Ablauf seines Mandats tritt er weiter gegen Großinvestoren an, die längst ein Auge auf die marode Idylle geworfen haben. Weil die Stadt die Häuser lieber verfallen lasse, und sie, die Investoren, dann zuschlagen könnten, erklärt Aleko Elisaschwili:
    "Georgien ist ein kleines Land. Unsere Wirtschaft ist abhängig von der Regierung, und die Regierung ist abhängig von Investoren: denn sie unterstützen die Parteien finanziell vor den Wahlen, damit sie nach den Wahlen ins Parlament einziehen und sich ihre eigenen Großprojekte genehmigen können."
    Warnung vor dem Ausverkauf
    Was die Investoren weit von sich weisen. Der Einflussreichste von ihnen war sogar ein Jahr lang Premierminister: Bidsina Iwanischwili, Georgiens mächtigster Oligarch. Auf einem innerstädtischen Hügel ließ er sich ein weithin sichtbares futuristisches Anwesen errichten: aus Stahl und Glas, was als besonders chic, besonders westlich gilt. Was Aleko Elisaschwili in Rage versetzt. Er meint:
    "Sein architektonischer Geschmack ist abartig. Jetzt will er sich auch in der Altstadt ein Denkmal setzen und dort noch ein Hotel erbauen lassen aus Stahl und Glas. Es gab Proteste, aber wir können ihn leider nicht aufhalten."
    Bei weniger mächtigen Investoren gelingt es ihm dagegen schon. Noch unter Präsident Michail Saakaschwili, hat Aleko Elisaschwili eine Gruppe namens "Amkari" gegründet – was so viel heißt wie "Gemeinsam Handeln". Die 150 Aktivisten protestieren regelmäßig gegen den, wie sie meinen, Ausverkauf von Grund und Boden in der Altstadt - auch als dort der letzte innerstädtische Platz bebaut werden sollte, ein wichtiger Treffpunkt im Viertel mit Brunnen, Bänken und Platanen.
    Sowjetisch geprägte Regierungsformen
    Aleko Elisaschwili erzählt: "Zehn Jahre haben wir dort wöchentlich protestiert, selbst im Winter bei Schnee und Eis. Wir hatten schon andere Häuser vor dem Aufkauf gerettet, aber dieser Platz war unser größter Erfolg. Hätte die Stadt nicht nachgegeben, wäre ich aus Tbilissi weggezogen. Zu sehr hätte ich mich für unsere Politiker geschämt."
    Oliver Reisner, Politikprofessor an der Staatlichen Ilia-Universität der Hauptstadt und Kaukasiologe, lebt und lehrt seit fünfzehn Jahren in Georgien. Er unterstreicht, wie schwer es ist, sich in diesem Land gegen politische Beschlüsse zu wehren:
    "Man hat also noch sehr stark mit einer Regierungsführung zu kämpfen, die von Formen der sowjetischen autoritären Administration geprägt sind. Es ist ein langwieriger Prozess, diese alten Formen von Kleptokratie zu überwinden."
    Geld aus dem Ausland
    Unter Ex-Präsident Michail Saakaschwili habe man damit begonnen, ausländische Investoren zu suchen. Reiche Araber und Iraner kauften Grundstücke in dem kleinen Land auf. Doch statt zu investieren, Firmen zu gründen, Arbeitsplätze zu schaffen, bauten sie prächtige Anwesen für den Eigenbedarf.
    "Was eigentlich notwendig wäre, sind Programme für Klein- und mittlere Unternehmen, dass die sich entwickeln können. Aber eben, die Kredite sind noch sehr teuer hier. Und die Frage eben der Eigeninitiative der Bevölkerung, der Selbstorganisation in Interessengruppen, das steckt alles noch in seinen Kinderschuhen", so Oliver Reisner.
    Deshalb freut sich Aleko Elisaschwili, dass sich nach dem Vorbild seiner Gruppe "Amkari" auch in Kutaissi, dem Parlamentssitz Georgiens, und in Batumi am Schwarzen Meer Pro-testgruppen gebildet haben. Das mache ihm Mut. Denn es sei ein erster wichtiger Schritt zur politischen Emanzipation seines Landes.